EN AW 5083/AlMg4,5Mn H111, das ist die Bezeichnung für die naturharte Legierung, aus der das robuste, unverwüstliche und wiederverwendbare Bootsbaumaterial Marine-Aluminium besteht. Das in Stärken von 4 bis 250 mm gefertigte Walzmaterial ist korrosionsbeständig, kann einfach geformt werden und lässt sich ohne Festigkeitsverlust schweißen. So entstehen innerhalb von wenigen Stunden ganz neue Rumpfformen, viel weniger aufwendig als bei GFK als Baumaterial.
Aluminium ist das am häufigsten vorkommende Metall in der Erdkruste, und im Bootsbau begegnet uns dieser Bodenschatz mittlerweile auch dort, wo wir ihn gar nicht vermuten: beispielsweise unter Rumpfbeschichtungen, die aussehen wie Kohlefaser (wie bei XO Boats) oder unter glänzenden Lacken, die den Eindruck erwecken, es handele sich hier um poliertes Gelcoat. Modern ausgeführte Schweißnähte erscheinen wie mit dem Fineliner gezogen. Sie haben ästhetisch nichts mehr von rohem Metallbau. Und die Cockpitschalen bestehen heute nicht mehr aus Riffelblech, sondern aus mit Teakholz belegtem GFK.
In Finnland erlebt Marine-Aluminium zurzeit eine wahre Renaissance. Exporte und die Produktion von Aluminiumbooten legen zu. In Finnland selbst erfreuen sich Boote aus Alu einer konstant hohen Käuferschaft, und im Ausland entwickelt sich diese gerade: In Großbritannien, Schweden, Norwegen, Russland und Deutschland setzen finnische Werften heute mehr Boote ab als auf dem eigenen Binnenmarkt. Besonders gerne kaufen traditionell die skandinavischen Nachbarn und die neuen Nachbarn aus dem Baltikum, aber auch bis nach Chile wird verkauft. In 2016 stieg der Export – in insgesamt 36 Länder – um 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und das trotz des einzigen wirklichen Nachteils von Aluminium: Es ist nämlich relativ teuer.
Die etwas höheren Anschaffungskosten machen sich im Dauereinsatz schnell bezahlt. Das Leichtmetall gestattet nicht nur sparsamere Motoren und sorgt damit für geringere Spritkosten. Das geringere Gesamtgewicht erlaubt auch kleinere Trailer und kompaktere Zugfahrzeuge. So wird Alu zu Gold, denn die Finnen denken langfristig.
Für unsere Nachbarn im Norden ist ein Boot eher ein alltägliches Nutzfahrzeug und weniger eines für den Freizeitspaß. Das liegt im Wesentlichen daran, dass große Teile des Landes an steinigen Küsten von der See umschlossen sind. Und im Landesinneren, auf tausenden felsiger Inseln in den rund 80.000 Seen, unterhalten viele Finnen traditionell ihren Zweitwohnsitz. Für die arbeitsfreien Tage, im Urlaub und zu hohen Feiertagen verlassen sie sich daher gerne auf durable Produkte heimischer Werften. Die Boote werden – sofern die Gewässer eisfrei sind – vor allem zum Transport und für Tourenfahrten genutzt. Natürlich wird auch viel gefischt, und im kurzen Sommer stehen der Freizeit- und Spaßsport zu Wasser im Vordergrund.
Ein Aluminiumboot ist sicher nicht jedermanns Sache, doch wer scharfe Blechränder oder den Charme einer Blechdose erwartet, liegt falsch. Das Design von Alubooten ist oft kantig, das Material kühl – und insgesamt erinnert es noch immer ein wenig an Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr. Wirkliche Nachteile gibt es eigentlich nicht, es sei denn, man oder frau stört sich an der Optik. Das Äußere eines typischen Aluboots hat sich in den letzten Jahren gewaltig gewandelt. Wir waren in der zweiten Februarwoche auf der Vene Båt in Helsinki und haben die neuesten Entwicklungen in Augenschein genommen.
Die Buster-Boys trumpfen auf
Die Bootsbauer der Buster-Werft waren die Pioniere des Alubaus, gehörten zwischenzeitlich zum global agierenden Großkonzern Fiskars Inha Works und sind jetzt eine Tochter von Yamaha. Buster führte eine für den Aluminiumbootsbau revolutionäre Produktionstechnologie ein, die eine Verrundung des metallischen Bootskörpers erlaubt. Seitdem weisen sämtliche Bootstypen ein etwas gefälligeres Design ohne allzu scharfe Ecken und Kanten auf.
Die Konstruktion der Boote und die Bearbeitung des Aluminiums sind recht anspruchsvoll, deshalb werden einzelne Bauelemente im CAM-Verfahren (Computer Aided Manufacturing) von Industrierobotern haargenau zugeschnitten. Lediglich die passgenaue und später sichtbar bleibende Verschweißung erfolgt von erfahrener Handwerkerhand. Das Ergebnis, ein in Quer- und Längsrichtung versteiftes Unterwasserschiff, ist derart robust, dass es mechanische Belastungen, Kollisionen mit Treibholz oder Containern sowie eine unfreiwillige Grundberührung ohne Schaden zu nehmen wegsteckt. Das schlag- und bruchfeste Material bedarf wegen der silbrig glänzenden, natürlichen Oxidschicht keiner weiteren Pflege mit womöglich umweltbelastenden Reinigungsmitteln. Es reicht, wenn man das Deck nass durchfeudelt und den Rumpf mit Frischwasser abwäscht.
Und die Buster-Boys trumpfen in Helsinki zum wiederholten Male mächtig auf. Nachdem Direktor Anders Kurtén im vergangenen Jahr Buster-Q vorgestellt hat – integriertes Digitalsystem für sämtliche an Bord notwendigen elektronischen Daten für Motorenüberwachung, Navigation, Entertainment und Kommunikation – stellt er in diesem Jahr die 9,48 m lange Buster Phantom ins Rampenlicht, die größte je gebaute Buster überhaupt – und die kräftigste. Zwei 5,3 Liter Hubraum große V8-Motoren kann man ans Heck hängen, die jeweils 350 PS leisten. Von Übermotorisierung zu sprechen ist noch untertrieben. Das Boot verdrängt zwar nur rund zwei Tonnen, ohne die Motoren und maximal zwölf Passagiere mitzurechnen, doch dafür reicht auch die „minimale“ Motorisierung mit 400 PS. Ist man jedoch allein oder zu zweit in den voll gefederten Sesseln mit 700 PS unterwegs, sind Geschwindigkeiten um die 60 Knoten zu erwarten – und das ist echt schnell.
Die Rezeptur geht auf. Man nehme die aktuell kräftigsten Außenborder, ein solide gebautes und sicher laufendes Boot mit scharf aufgekimmten Rumpf, das dank Marinealuminium Leichtigkeit verspricht, und schon hat man ein Powerboot par excellence. Der ehemalige Marketingchef Antti Kyöstila hat es einmal so beschrieben: „Buster-Boote sind für Eigner gedacht, auf deren Wunschliste Luxus nicht an erster Stelle steht. Buster baut keine Deko für die Marina, sondern ein robustes Werkzeug für die gesamte Bootssaison.“
Silver-Streif am Horizont
Einen ähnlich hohen Wiedererkennungswert wie Buster haben die Boote von Silver. Dass die fünf Gründer der Silver-Werft ihr Handwerk von der Pieke auf – nämlich in der Buster-Werft – gelernt haben, sieht man den Booten erst auf den zweiten Blick an, denn das Silver-Quintett hat die eigene Flotte dahingehend optimiert, dass sie pflegeleichter und noch wirtschaftlicher als der Wettbewerb zu unterhalten sind.
Die Rümpfe sind aus dem markengeschützten Alufibre gefertigt. Sie bestehen aus einer aus Marinealuminium gefertigten Außenhaut und der von Hand laminierten GFK-Innenschale, also aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Den Zwischenraum – hochglänzende Innenschalen zum einen, durch Steigleisten mit Kreuzelementen solide ausgesteifte Unterwasser-Außenschale zum anderen – haben die Konstrukteure mit Polyurethan ausgeschäumt. Diese Schaumfüllung verleiht der Silver-Flotte soviel Auftrieb, dass die Boote unsinkbar sind. Die Silver Eagle 640 BR war bei der Vorstellung im vergangenen Jahr mit 200 PS und 45 Knoten ein würdiger Vertreter in der Kategorie besonders robuster Powerboote.
Cross-Check completed
Ähnlich geht Yamarin mit der Cross-Baureihe vor, die mit ihrem Flaggschiff, der Yamarin 75 BR den Best of Boats Award 2014 abgeräumt haben. Yamarin schlägt den optischen Eigenheiten beim Alu ein Schnippchen und stattet das Boot mit einer wohnlichen hochglänzenden grauen Deckschale aus GFK aus. Das gibt der harten Rumpfschale einen optisch „weich“ wirkenden Cockpit-Kern. Die 75 BR ist aber keine Blechnuss, sondern ein reinrassiges Speedboot skandinavischer Prägung, Suspension-Sitze inklusive. Mit 300 PS am Heck bewegt man sich locker oberhalb der 50-Knoten-Marke, und das nicht nur bei glatter See.
Brandneu und ohne jegliche verfügbaren Daten hingegen war das Silver Concept am Messestand in Helsinki zu sehen: ein rund 30 Fuß langes Boot mit asymmetrischem Deckshausaufbau und breitem Gangbord an Backbord sowie Fenderleisten, wie wir es aus der gewerblichen Schifffahrt kennen. Der Rumpf und das geriffelte Deck sind aus Aluminium, das auch das Deckshaus, wo man spontan GFK vermutet, ist aus Aluminium gefertigt. Mit diesem Kabinenboot ist ein ganzjähriger Betrieb möglich. Es ist ein starker Neuzugang in der Kategorie der in Skandinavien beliebten APBs, also All Purpose Boats oder AWCs, der All Weather Concepts. Alle diese Boote können mit den passenden Motoren sehr schnell sein.
Flink zum Fisch
Weniger schnell, dafür aber mehr geriffelt wird von jeher bei Faster. Ohne die Riffelbleche an Deck ist das an ein Arbeitsboot erinnernde Faster 635 CC gar nicht vorstellbar. Mit leerem Vordeck ist dieser Bootstyp in der Praxis selten anzutreffen, denn dort lässt sich so einiges stapeln. Falls nötig, lässt sich das Deck, das so breit ist wie eine Europalette, sogar befahren. Sollte der Fischfang sehr groß ausfallen, kann man ihn über die Bugklappe an Deck ziehen, kleine Fische endgültig erschlagen, abstechen und ausbluten lassen. Danach einmal feucht durchgehen, und das Blech ist wieder blitzeblitzeblank.
Das Beste an dem Boot ist jedoch, dass man nicht auf Häfen, Marinas oder Anlegemöglichkeiten in irgendeiner Form angewiesen ist. Man parkt einfach am Strand oder an einem Felsen. Sofern landseitig ein Parkplatz für den Kleinlaster vorhanden ist, kann man ganz einfach bunkern oder entladen. Wer auch bei schlechtem Wetter raus muss, findet bei fasterworkboats.fi individuelle Boote mit Kabine oder Kran, auf einem oder zwei Rümpfen, mit Front- oder Heckladeklappenrampe – eben genauso, wie man es als Gewerbetreibender auf See benötigt.
Ein Rumpf, wie eine Klinge geschmiedet
Augenscheinlich extrem seegängig und weniger vom Ambiente eines Arbeitsboots ist der neue XO Cruiser. Auf dem Bock in der Messehalle stehen 9,60 m Hightech im Carbonlook von Designer Jarkko Jämsén. Ihm ist es gelungen, dem wohl sichersten und nachhaltigsten Bootsbau-Werkstoff ein ebenso neues wie zeitgemäßes Erscheinungsbild zu verleihen. Die Aufkimmung am Heck misst immer noch scharfe 24 Grad. Der Rumpf scheint wie eine Klinge geschmiedet zu sein und misst am Bug 63° Kimmung.
Die 5 mm dicken Bleche des Unterwasserschiffs und die 4 mm dicken Bleche oberhalb der Wasserlinie sind zusätzlich mit Honeycomb-Paneelen verstärkt. Im Zwischenraum von Unterwasserrumpf und GFK-Innenschale sind Luftkissen montiert, die den notwendigen Auftrieb gewährleisten und die Unsinkbarkeit garantieren. Stringer und Schotts sind eher über- als unterdimensioniert. Der fast senkrechte Steven mit der Docking-Nase aus Hartgummi verlängert die Wasserlinie, sorgt für etwas mehr Effizienz und ist darüber hinaus im Bootsbau derzeit modern. Die unsinkbare, 4,4 Tonnen verdrängende Konstruktion ist für acht Personen mit der CE-Kategorie B (also küstenferne Gewässer) zertifiziert und kann mit 700 PS befeuert werden. Im Rennen der Powerboote fährt es mit über 40 Knoten ganz vorne mit. Etwas martialischer kommt die 7,60 m lange XO DFNDR daher, die in Kürze ausführlich vorstellen.
Was sonst noch geht
Husky und Ranger heißen die neueste Aluboot-Modellreihen der Werften Finnmaster und Nordkapp. Die 2016 erstmals der Presse vorgestellte R8 wurde zur Husky R8s weiterentwickelt und deutlich aufgewertet. Es ist nun nicht mehr sofort als Alu-Boot erkennbar und mit üppigen Polstern und Geräteträger ausgestattet. Das Boot verträgt statt 300 PS jetzt standesgemäße 350 PS.
Bisher bekannt als Produzent von GFK-Booten legt Nordkapp seit einiger Zeit die Ranger-Serie auf den Alukiel. Das farblich frische Boot ist sportlich schlank und kombiniert ebenfalls den Alurumpf mit der GFK-Deckschale. Das in Helsinki präsentierte 7,05 m lange Centerkonsolenboot Nordkapp 705 Enduro Ranger ist für 250 PS ausgelegt. Sollte es mit ähnlich guten Fahreigenschaften aufwarten wie andere Konstruktionen des Norwegers Espen Thorup, der immer für eine Überraschung gut ist, spielt es sicher weit vorne in der Gunst der Käufer und Award-Juroren mit.
Dann wäre da noch Brizo Yachts. Magnusson & Stoor Oy, ein metallverarbeitendes Unternehmen der Seefahrtindustrie, baut eine 28-Fuß-Deckshausyacht, die an gewerbliche Boote erinnert. Ganz edel mit dunklem Rumpf und stark gebräuntem Teakdeck, zieht es die Blicke auf sich. Das 9,25 m lange Boot ist komfortabel ausgestattet: mit digitalen Kontrollinstrumenten allerorten und einer Heizung für die kalten Tage, Doppelkoje und Sanitärzelle im Vorschiff, kleine Pantry und Dinette im Deckshaus. Mit dem 315 PS starken Yanmar-Motor ist das fast 30 Knoten schnelle und 3,5 Tonnen verdrängende Boot ein ernstzunehmender Mitbewerber in der populären Klasse der Deckshausyachten, die bisher von den GFK-Konstruktionen namhafter Werften dominiert wird. Wer weiß, wie lange noch.