Alle reden von Wasserstoff. Aber keiner der etablierten Yachthersteller möchte sich die Finger verbrennen an dem Energieträger der Zukunft. Zu neu ist noch die Technik, zu fragil die Instrastruktur, zu groß die Vorbehalte der konservativen Kundschaft. Und so bleibt es einer innovativen Gründerin vorbehalten, mit der Hynova 42 das erste Serienboot mit Brennstoffzelle aufs Wasser zu bringen. Es ist die junge französische Skipperin Chloé Zaied.
Während viele Werften derzeit angestrengt darüber nachdenken, ob sie ihre Boote mit Batterien und Elektroantrieb ausstatten, baut Chloé Zaied ihre erste Motoryacht mit Brennstoffzelle, die aus mitgeführtem Wasserstoff-Gas und Sauerstoff der Umgebungsluft elektrischen Strom für den Antrieb erzeugt. Ihr Name: Hynova. Es ist ihr erstes Boot überhaupt.
Auf dem Cannes Yachting Festival präsentierte die 30-jährige Gründerin den Prototypen eines Tagesboots, das mit Wasserstoffantrieb unterwegs ist. Und das nicht mal langsam: Mit zwölf Knoten Arbeitstempo kann die Hynova 42 rund acht Stunden unterwegs sein, bis die Tanks leer sind. Und anschließend muss das offene Motorboot nicht für acht Stunden an die Steckdose, sondern füllt die Druckbehälter in rund 20 Minuten wieder auf.
Sofern sich eine Zapfsäule in der Nähe befindet. Denn das einzige Hemmnis der neuen Antriebstechnologie ist der Mangel an Wasserstofftankstellen am Wasser. Selbst auf der Straße ist die innovative Technologie noch rar: In Deutschland finden sich aktuell 90 Wasserstoff-Tankstellen. Doch die Entwicklung geht dort schnell: Vor fünf Jahren waren es noch 50. Die weltweit erste öffentliche H2-Zapfsäule wurde erst 2002 eingeweiht.

Und Chloé Zaied gibt sich größte Mühe, dieses Tempo für maritime Tankanlagen zu adaptieren: Sie sei mit Hafenbetreibern und staatlichen Stellen im regen Austausch, berichtete die 30-Jährige gegenüber float anlässlich der Präsentation von Hynova 42. Im kommenden Jahr könnten mehrere neue Wasserstofftankstellen an der Côte d‘Azur eröffnen, so dass eine erste Infrastruktur vorhanden ist, wenn die erste Hynova ablegt.
Drei Boote bereits im Bau
Drei Boote mit diesem leisen, emissionsfreien und effizienten Antrieb sind bereits im Bau. Die Technik, die noch vor wenigen Jahren argwöhnisch beäugt wurde, gilt inzwischen als sicher und alltagstauglich. „Es funktioniert perfekt und ist sicherer als Lithium-Ionen-Batterien“, sagt Laurent Pérignon von EODev.
Das Unternehmen liefert Hynova mit RExH2 die Brennstoffzelle, die im ersten Modell aus Wasserstoff elektrischen Strom produziert. Erstmals war die Anlage übrigens in dem Rekord-Boot Energy Observer installiert, das seit 2017 nur mit Solarenergie die Welt umrundet. Dort dient sie als „Range Extender“, also als Reichweiten-Verlängerer.
Diese Funktion hat das Aggregat im Prinzip auch bei der Hynova 42. Sie ist eigentlich ein Batterieboot, dessen Akkus kontinuierlich frische Energie aus der Brennstoffzelle zugeführt wird. Auf einer ersten Ausfahrt mit dem Vorserienboot fielen bereits die typischen Annehmlichkeiten auf, die Elektroantrieb auszeichnet: Drehmoment und Leistung sind augenblicklich da.
Die nahezu geräuschlose Maschine lenkt die Aufmerksamkeit auf das umgebende Element, bringt das Rauschen der Wellen, das Pfeifen des Windes und Kreischen der Seevögel in den Vordergrund. Aber natürlich kann man auch die Hebel auf den Tisch legen, sprich: auf dem Wasser Stoff geben – bis zu 26 Knoten schnell.

Damit sieht Chloé Zaied ihren Traum verwirklicht: unterwegs sein inmitten der Natur, ohne schädliche Spuren zu hinterlassen. „Ich bin oft mit dem Boot im Nationalpark Calanques unterwegs gewesen und habe immer davon geträumt, ein Fahrzeug zu haben, dass keine Verschmutzung verursacht.“ Ursprünglich hatte die Skipperin an ein reines Batterieboot gedacht. „Das Problem war immer die Reichweite.“ Dieses Problem hat sie nun gelöst.
Das Wasser landet im Meer
Drei Tanks im Heck speichern in der Hynova 42 bis zu 22 Kilogramm Wasserstoff, die unterwegs beständig in elektrischen Strom gewandelt werden. Das dabei ebenfalls anfallende Wasser landet im Meer – die einzige Emission! Auch ein Wasserstoffboot braucht Batterien: Sie dienen als Pufferspeicher, weil die Brennstoffzelle für den plötzlichen Leistungsabruf nicht geeignet ist. Hat den angenehmen Nebeneffekt, dass eine Hynova immer auch an einer Steckdose aufgeladen werden kann. Das dauert dann etwas länger als Tanken. Brennstoffzellenantrieb ist also Hybridantrieb.
Bei der Hynova wiegen die Lithium-Ionen-Speicher rund 1,5 Tonnen. Inklusive der 116 Kilo schweren Tanks und des kleinen Kraftwerks von insgesamt 400 Kilo Gewicht bringt das gesamte System etwa 2,5 Tonnen auf die Waage. „Würden wir die Hynova 42 nur mit Batterieantrieb ausstatten, wöge sie bei vergleichbarer Leistung noch weitere vier bis fünf Tonnen mehr“, sagt Laurent Pérignon. Brennstoffzellenantrieb auf dem Wasser ist somit erkennbar effizienter.
Haltbarkeit kein Problem mehr
Lange Zeit galten Brennstoffzellen als interessant, aber nicht marktfähig. Insbesondere die Lebensdauer der empfindlichen Aggregate war bisher eng begrenzt. Bei EODev geht man von einer Lebenserwartung von 13.000 Betriebsstunden aus. Alle 5000 Stunden muss der Ventilator erneuert werden, teilt das Unternehmen auf float-Anfrage mit. Auch Filter sind nicht wartungsfrei. „Wir zeichnen hierzu Daten auf, um Wartung vorsorglich durchführen zu können“, so Perignant zu float. Zum Vergleich: Ein Verbrennungsmotor im Auto gilt als sehr robust, wenn er mehr als 10.000 Stunden Betrieb verkraftet.

Auch die Dichtigkeit von Wasserstofftanks, lange Zeit ein technisches Problem, ist laut EODev zu beherrschen. „Der Verlust ist inzwischen zu vernachlässigen, er hat keine Auswirkung auf die Betriebsfähigkeit des Boots“, sagt Laurent Pérignon. Für eine präzise Angabe des Wasserstoff-Verbrauchs ist es noch zu früh. Aber EODev arbeitet bereits an einer Prognose der Serienversion.
Für den kleinen Beschleunigungsrausch zwischendurch haben die beiden Borg-Warner-Elektromotoren ausreichend Spielraum. Jeweils 200 Kilowatt erlauben brachialen Antritt auf Kosten der Reichweite. EoDev dreht bereits an der Skalierungsschraube. Das Unternehmen arbeitet daran, sechs Brennstoffzellen miteinander zu verbinden, die dann bis zu 400 kW Leistung erzeugen.
Toyota und Accor investieren
Einer der Investoren von EODev ist der Autohersteller Toyota. Die Japaner brachten 2014 das erste Großserien-Auto mit Brennstoffzellenantrieb, den Mirai, auf den Markt. Sie liefern wesentliche technische Unterstützung. „Die Zusammenarbeit begann 2020 mit dem Einbau einer Brennstoffzelle in den Katamaran Energy Observer“, sagt Laurent Perignant.
Bei einem anderen Anteilseigner handelt es sich um die Accor-Hotelgruppe, die mit Marken wie Novotel, Mercure und Ibis zu den größten Hotelketten der Welt zählt. Für die Gastronomie ist der Einsatz von stationären Generatoren zur Stromerzeugung attraktiv. Auf Kreuzfahrtschiffen sind bereits seit mehreren Jahren großformatige Brennstoffzellen im Einsatz, um die Hotellerie an Bord mit Strom zu versorgen.

Chloé Zaied hat ihr Unternehmen Hynova aus dem Nichts geschaffen. So sieht es zumindest aus. Ihre Investoren sind privat, sagt sie gegenüber float. Das Startup überzeugte auch die Jury in einer öffentlichen Ausschreibung: Anlässlich eines Umweltsymposiums im Yachtclub Monaco erhielt Chloé Zaied den Zuschlag für einen Werftplatz. Im Yachting Village von La Ciotat nahe Marseille darf sie für drei Jahre ihr Unternehmen unterstützt durch Fördergeld betreiben. In dieser Zeit will Hynova acht Boote bauen – mindestens.
Bewertet wurde die Machbarkeit, die Aussicht auf Arbeitsplätze und der ökologische Fußabdruck. Da war die Jury bei der jungen Skipperin goldrichtig. Denn Nachhaltigkeit soll bereits beim Bau Priorität genießen. „Ich möchte nicht nur Boote entwerfen, die die Umwelt so wenig wie möglich belasten, sondern auch informieren, fördern und die Rolle des grünen Wasserstoffs in der maritimen Welt vorantreiben“, sagt Chloé Zaied. Dazu müsse man in den Markt gehen, ergänzt sie gegenüber float. Man darf gespannt sein, wie der Markt reagiert.