„Augen zu und durch“ hieß es schon vor zwei Jahren im spontanen Kommentar einer norddeutschen Tageszeitung zum Zustand der Bark Gorch Fock. Damals stand zu befürchten, dass das Segelschulschiff der Bundesmarine nicht mehr saniert würde, sondern durch einen Neubau ersetzt werden muss.
Pünktlich zum Frühlingsanfang 2018 teilte die zuständige Ministerin Ursula von der Leyen mit, die Generalüberholung des Segelschulschiffs trotz entstandener Mehrkosten fortzusetzen. Zu Jahresanfang hatte die beauftragte Werft nach vollständiger „Befundung“ die Kosten von zunächst 10 Millionen über 75 Millionen im März 2017 auf nun 135 Millionen Euro korrigiert. float fragte dazu beim zuständigen Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) nach.
Erkenntnis erst nach zwei Jahren
Am 20. März 2018 meldete die Deutsche Marine auf ihrer Website ein Desaster. „Die Gesamtheit der notwendigen Reparaturen konnten die Werft und die Verantwortlichen der Bundeswehr erst erkennen, nachdem alle Teile des Schiffes für detaillierte Untersuchungen zugänglich waren.“ Die Folge: Um beispielsweise die Innenseite des Rumpfs vollständig prüfen zu können, muss ein Großteil der Einbauten des Schiffs ausgebaut werden. Der Zustand der „Gorch Fock“ erwies sich dabei „leider noch einmal als wesentlich schlechter als angenommen“, heißt es seitens der Marine. Dadurch seien nun die Mehrkosten entstanden.
Eine Überholung des Ausbildungsschiffs stand seit Längerem an. Auf die Frage, wie viel Prozent Mehrkosten von vornherein einkalkuliert werden, erfuhr float von Behördensprecher Michael Seidel: „Zur Planung einer Werftliegezeit gehören neben den technischen und zeitlichen Aspekten auch immer die finanziellen Abschätzungen. Bei diesen Abschätzungen werden alle Komponenten berücksichtigt, die zu dem jeweiligen Zeitpunkt bekannt sind.“ Weiter heißt es in der schriftlichen Stellungnahme: „Bestehende Erfahrungswerte kommen hinzu, um das Gesamtpaket vorausschauend zu erfassen. Sicherheitsaufschläge von ca. 30 % – 50%, mit denen dann Mehrarbeit und verdeckte Schäden unterlegt werden, sind ebenso in der finanziellen Abschätzung enthalten.“

Von vornherein völlig verschätzt?
Man muss sich vor Beginn der Auftragsvergabe also von vornherein völlig verschätzt haben. Denn die veranschlagten Kosten stiegen zunächst schnell auf 35 Millionen. Nach einer weiteren, später durchgeführten Generalinspektion ging man von Kosten für Reparatur und Grundsanierung von 70 Millionen Euro aus. Diese Summe ist inzwischen schon wieder Makulatur, sehr zum Missfallen des Steuerzahlerbunds, der mangelnde Transparenz beklagt. Das Verteidigungsministerium will die Instandsetzung nun komplett zu Ende zu führen. Wie konnte die Überholung derart aus dem Ruder laufen? Das fragen sich inzwischen viele.
Sicher, der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Jeder, der sich einmal mit der Restaurierung alter Schiffe, ob aus Holz oder Stahl, beschäftigt hat, weiß, dass die ganze Wahrheit über den Zustand immer erst komplett ans Tageslicht kommt, wenn man buchstäblich in die „Tiefe“ geht. Und da ist ein Kostenvoranschlag der Werft, die den Auftrag zur Überholung erhalten hat, wohl schnell Makulatur. Dies bestätigte uns indirekt auch das BAAINBw.
„Die bestehenden Mängel wurden im Rahmen der schiffbaulichen Untersuchung festgestellt“, heißt es auf Anfrage gegenüber float. „Durch die zur Anwendung gekommene Untersuchungstiefe – für die es keine Vergleichswerte gibt – wurde es möglich, den baulichen Zustand eindeutig zu bestimmen und darauf basierend die erforderlichen Maßnahmen zu benennen und zu beziffern.“ Wie ist es sonst zu erklären, dass man trotz regelmäßiger Inspektion das Schulschiff jetzt in einem derartigen Zustand vorgefunden hat?
90 Prozent der Außenhaut kommen dran
Die erwähnte schiffbauliche Untersuchung scheint also längst nicht alles ans Licht gebracht zu haben. Das Schiff liegt in einem Dock in Bremerhaven. Die Elsflether Werft, die den Auftrag seinerzeit bekommen hat, verfügt über kein eigenes Dock. Zunächst hatte man festgestellt, dass nicht nur die maroden Masten zu ersetzen sind. Diese sind nicht einfach nur zu ziehen, sondern erfordern einen erheblichen Eingriff in die innere Struktur des Rumpfs. Auch das Deck, die Antriebsaggregate und 90 Prozent der Außenhaut des 89 Meter langen Schiffes müssen ersetzt werden.

Teakholz als Tempodrossel
Einer schnelleren Sanierung abträglich ist auch die mangelnde Verfügbarkeit von Teakholz fürs Deck. „Diese Teakholz-Planken liegen nicht irgendwo im Regal und warten darauf, dass man sie abruft und auf dem Schiff verbaut.“ Das bestätigte ein Marinesprecher schon vor längerem dem Sender NDR 1 Welle Nord. Weil das Kreuzfahrt- und Yachtneubaugeschäft derzeit boomt, ist die Nachfrage nach dem Tropenholz derart groß, dass Lieferungen entsprechend lange dauern.
Der Problematik, legal geschlagenes Teakholz zu erhalten, ist float schon vor einiger Zeit in einem Bericht nachgegangen. Eine Anweisung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (die später EU-weit übernommen wurde) hat hierzu klare Worte. Bei Einfuhren von Holz aus Myanmar sei „die Vorlage von ausschließlich staatlichen Dokumenten nicht ausreichend, um die Legalität der Herkunft des Holzes zu belegen“.
Es seien weitere Nachweise erforderlich, wie zum Beispiel die zusätzliche Vorlage von Zertifizierungen oder Verifizierungen durch Dritte. Wir fragten daher nach: Kann die Werft – vor allem, was die Menge des benötigten guten Teakholzes für das Deck betrifft – garantieren, dass man nicht noch nachträglich wie im Fall der Yacht A zur Rechenschaft gezogen wird?
Den Decksbelag der „Gorch Fock“ erneuert ein Unterauftragnehmer der Elsflether Werft. „Dieser hat seinem Auftraggeber gegenüber die erforderlichen Nachweise geliefert“, heißt es in der Antwort der Bundeswehr an float. „Der öAG [öffentliche Auftraggeber; d. Red.] geht dabei davon aus, dass bei der Erneuerung des Decksbelags unter Verwendung von tropischem Edelholz alle relevanten rechtlichen Voraussetzungen eingehalten werden, was seitens des Auftragnehmers auch bestätigt wurde.“

Kein Neustart zum 60. Geburtstag
Eigentlich war geplant, das Segelschulschiff in diesem Sommer wieder in Fahrt zu setzen. 2018 jährt sich der Stapellauf des auf der Hamburger Werft Blohm + Voss gebauten Marineschiffs zum 60. Mal. Sie kostete übrigens damals 8,5 Millionen Mark. Nun soll die „Gorch Fock“ zur Kieler Woche 2019 in ihren Heimathafen Kiel zurückkehren. Dann soll sie möglichst über das Jahr 2040 hinaus in Fahrt bleiben.