Mehr als 100 Traditionsschiffe haben an den Küsten und auf den Flüssen Norddeutschlands ihre Heimathäfen: Dampfschiffe, restaurierte Dreimaster, alte Segelkutter und andere maritime Raritäten. Mit Charme, Patina und engagierten Crews beglücken die alten Segelschiffe bei Windjammertreffen und Hafenfesten jedes Jahr hunderttausende Zuschauer und Mitfahrer.
Traditionsschiffe sind schwimmendes Kulturgut, deren Erhalt und Unterhaltung nicht nur im gesellschaftlichen Interesse ist. Als schwimmende Zeitzeugen stiften die Schiffe den Küstenorten auch Identität und gehören zu den Highlights der touristischen Angebote.

Stilllegung durch bürokratische Versenkung?
Doch bei den Vereinen, die diese Schiffe zumeist betreiben, macht man sich seit längerem Sorgen: Eine neue Vorschrift des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), die „Verordnung zur Änderung der schiffssicherheitsrechtlichen Vorschriften über Bau und Ausrüstung von Traditionsschiffen und anderen Schiffen, die nicht internationalen Sicherheitsregelungen unterliegen“, könnte das Aus für viele Traditionsschiffe bedeuten.
Wird der Entwurf unverändert umgesetzt, steht nach Aussage des Deutschen Dachverbands der Traditionsschiffe (GSHW) zu befürchten, dass in Zukunft an den Klassikerparaden maritimer Veranstaltungen – also der Kieler und Travemünder Woche, der Hanse Sail, Dampfrundum, Sail Bremerhaven und dem Hamburger Hafengeburtstag – deutlich weniger Schiffe teilnehmen können als bisher.
Schon seit einer Weile ist klar, dass die Verordnung kommen wird. Im August 2016 wurde ein erster Entwurf zur Änderung der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) vorgelegt, in der neue Sicherheitsstandards für Traditionsschiffe ausformuliert sind. Mit gravierenden Auswirkungen: Da die neuen Vorschriften von einem Großteil der Schiffe nicht erfüllt werden können, müssten diese stillgelegt werden, protestierten die Kritiker.

Es folgte ein neuer Entwurf. Seit dem 7. Dezember 2016 ist bekannt, wie genau die Verordnung aussehen wird, die eigentlich in diesem Jahr als neue Sicherheitsverordnung in Kraft treten soll. Doch wirklich viel geändert hat sich auch in der neuen Fassung aus Sicht der meist ehrenamtlichen Besatzungen der alten Schiffe nicht. Kommt nun doch das Ende der Traditionsschifffahrt durch bürokratische Versenkung?
Die Bemühungen des Ministeriums, die Sicherheit für MitseglerInnen und Crews auf Traditionsschiffen zu erhöhen, werden von den Vereinsaktiven grundsätzlich begrüßt. So sieht man beim Dachverband der Traditionsschiffe und deren Betreibervereinen (kurz GSHW) ein, dass es neue, entsprechend angepasste Sicherheitsregeln braucht. Wie meist steckt das Problem in den Detailvorschriften, die für die meisten Eigner nicht umsetzbar sind.

Während in der Berufsschifffahrt Besatzungen monatelang auf ihren Schiffen fahren, sind die Crews von Traditionsschiffen in der Regel nicht mehr als ein bis zwei Wochen pro Jahr an Bord.
Die geplante Anpassung der Sicherheitsvorschriften an die Berufsschifffahrt bedeutet einen deutlich höheren zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Betreiber-Vereine. Das steht im Widerspruch zur geforderten Ehrenamtlichkeit. Die meisten Projekte leben aber gerade von ihren zahlreichen Unterstützern, die Arbeitskraft, Begeisterung, Wissen und Können einbringen.
Welche Änderungen stehen wirklich an?
Die neuen Auflagen umfassen unter anderem Verschärfungen beim Brandschutz, bei der Rettungsausrüstung und der Qualifikationen der Schiffsführer, die ähnlich denen der Berufsseeleute sein werden. Beim Brandschutz scheinen die Auflagen nach Stellungnahmen der Länder und Verbände zur Neuregelung der Sicherheitsverordnung etwas abgeschwächt zu werden. ‚Man habe’, so eine Stellungnahme aus dem Ministerium, ‚die Vorschriften angepasst’. So wird nun eine komplette Brandschutzausrüstung bei Traditionsschiffen erst ab 50 Passagieren an Bord gefordert, und es muss auch nicht jede Holztreppe durch eine Stahlkonstruktion ersetzt werden.
Die überarbeiteten Sicherheitsrichtlinien sehen weiterhin vor, dass es künftig Ausnahmen für denkmalgeschützte Schiffe geben kann, Übergangsfristen ausgedehnt werden und einige technische Regelungen entschärft werden. Das gilt vor allem für Schiffe, bei denen die Gefahr besteht, dass sie ihren Klassikerstatus durch Umbauten verlieren könnten.

Kritikpunkte? Ungeklärt!
Die Betreiber beklagen außerdem, dass gemäß der neuen Richtlinien die Arbeit, die auf dem Schiff geleistet wird, vom Verein nicht mehr bezahlt werden kann. Als gemeinnütziger Verein eingetragen zu sein reicht nicht mehr aus, um zu dokumentieren, dass das Schiff nicht erwerbswirtschaftlich betrieben wird. Damit ist fraglich, ob in Zukunft professionelle Handwerker bezahlt werden dürfen. Zudem sieht der neue Entwurf umfangreiche Pflicht-Umbauten ohne Übergangsfristen vor. Diese umzusetzen bedeutet für die Vereine eine zusätzliche Belastung.
Der zeitliche, organisatorische und finanzielle Aufwand für die Verwaltung, Aus- und Weiterbildung der Crew und Umsetzung der baulichen Maßnahmen würde sich durch die neue Verordnung in ihrer jetzigen Form also massiv erhöhen. Das widerspricht aber der hundertprozentigen Ehrenamtlichkeit, die die Verordnung auf der anderen Seite fordert.
Bei vielen Traditionsschiffen müssten trotz der Zugeständnisse des Verkehrsministeriums fünfstellige Euro-Beträge investiert werden, um die Schiffe entsprechend umzurüsten, heißt es. Einige bauliche Maßnahmen scheinen gar nicht realisierbar zu sein.

Das ist noch nicht alles, was kritisiert wird: Zudem sollen die Schiffe ein kleines Motorboot an Bord haben, damit sich die Besatzung im Notfall retten könne. Die praktische Umsetzung ist kompliziert. Motoren müssen umgerüstet werden und mit doppelten Öl- oder Brennstofffiltern versehen werden. Die Wasserpumpe muss doppelt gekühlt werden. Wozu diese Maßnahmen bei einem aktuellen Motor gut sein sollen, erschließt sich vielen Betreibern der Traditionsschiffe nicht.
Weniger dramatisch sieht dagegen die Stiftung Hamburg Maritim den Entwurf. Nach ihrer Meinung müssten mit der neuen Richtlinie nicht automatisch alle Traditionsschiffe umgebaut werden. Vor allem Oldtimer, die bis 2012 ein gültiges Sicherheitszeugnis vorlegen können, hätten Bestandsschutz. Auch Schiffe, die nie ein Schott hatten, müssten nicht plötzlich eines einbauen lassen.
Natürlich spricht sich die Stiftung auch für konkretere Richtlinien aus. So sollten zum Beispiel die Schiffsgröße und Fahrtgebiet berücksichtigt werden. Und, da ist man sich mit den meisten Betreibern historischer Schiffe einig, sei die Forderung nach mehr Sicherheit für Besatzung und Passagiere durchaus angemessen. Allerdings müssten dafür auch geeignete Übergangsphasen geschaffen werden.


Ursprünglich sollten die neuen Sicherheitsvorschriften schon Anfang 2017 kommen. Auf die starke Kritik vieler Länder und Betreiber haben die Bundesländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen über den Bundesrat per Antrag an die Bundesregierung gewandt. Das Ziel: Die geplante Traditionsschiffsverordnung soll unter Hinzuziehung des Fachverbands GSHW inhaltlich so überarbeiten werden, dass die neuen Bestimmungen für die Betreibervereine ohne große Einschränkungen umsetzbar sind. Diesem Vorschlag haben sich inzwischen auch der Verkehrsausschuss des Bundesrats und dessen Kulturausschuss angeschlossen. Davon, dass die Sicherheitsvorschriften noch zur kommenden Saison in Kraft treten, wie es geplant war, ist wohl nicht mehr auszugehen.
Auf der Internetseite des Bundesverkehrsministeriums heißt es jetzt, dass die geäußerten Bedenken ernst genommen werden – und die neuen geplanten Sicherheitsvorschriften überarbeitet respektive entschärft werden sollen. Man darf gespannt sein. Gibt es auch bei der nächsten Überarbeitung keine Ausnahmen von den strikten geplanten Vorschriften, wird es für viele Traditionsschiffe nur noch eine zeitliche Gnadenfrist geben.
Weitere Informationen und bisherige Stellungnahmen:
Dachverband der deutschen Traditionsschiffe www.gshw.de
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Museumshäfen www.agdm.de
German Sail Training Union www.gstu.de
5 Kommentare
Na, da kann ich ja wohl froh sein, dass die „Shtandart“ unter russischer Flagge segelt. Sonst müsste ich vielleicht noch damit rechnen, dass der Nachbau eines 300 Jahre alten Dreimasters mit Stahltreppen verschandelt würde.
Eine Anmerkung an den Verfasser was viele Bilder in dem Artikel angeht: die Mare Frisium, Oban, Ide Min sind holländische Traditiossegler und fallen nicht unter die deutschen Regeln wie im Artikel aufgeführt. Hier kritisiere ich ganz deutlich die Bildauswahl, die die entsprechenden Eigner bestimmt auch nicht lustig finden. Sie kommen in ein falsches Licht. Ich rate vorsichtig an, die Bilder zu entfernen.
Mit freundlichen Grüßen
Manuel Lommatzsch
TSC Traditional Sailing Charter
Herzlichen Dank für den Hinweis. Wir haben die Bildergalerie aktualisiert.
Hallo Herr Krieg.
Ich weiß nicht so recht, was ich mit dem Artikel machen und wozu er mich anhalten soll. Ich lese sehr viel Emotion, aber mir fehlt der konkrete Vergleich und letztlich Beweis, ob ich mich auf Ihre Seite oder möglicherweise auf die andere Seite stellen soll.
Es wird wiederholt die „neue Verordnung“ benannt, aber leider gibt es weder konkrete Zitate noch einen Link hierzu. Bleibt also nur die Eigenrecherche oder ich vertraue blind darauf, dass Ihre Aussagen stimmen. Allerdings die Links zu den Traditionsverbänden mit Hinweis auf deren Stellungnahmen wurden, honi soit qui mal y pense, am Ende aufgezählt. Journalistisch etwas heikel…
Wünschenswert wäre auch gewesen, anhand konkreter Beispiele den Vergleich „Vorher-Nachher-Konsequenz“ aufzuzeigen. Beispiel (natürlich nicht echt): „Nach alter Verfassung reichten fünf 5kg-ABC-Feuerlöscher für einen unter Deck befindlichen Schiffsgang von bis zu 8 m Länge, wenn dieser nicht durch Schotts abgetrennt werden konnte. Nach neuer Verordnung muss jetzt bei gleichen Voraussetzungen eine Sprinkleranlage eingebaut werden. Konsequenz: außer geschätzten Mehrkosten von x€ für den Einbau entstehen dauerhafte Wartungskosten durch Fachgutachter/TÜV-Abnahme (Jährlich/saisonal/Seemeilen/oder der oder). Außerdem fordert der Verband, der für die Vergabe des Klassikerstatus zuständig ist, erweiterte Auflagen, wie z.B. x,y,z, die dann in krassem Widerspruch zu der Umsetzbarkeit stehen“. Wie gesagt: ist nicht echt.
Ich verstehe auch nicht so ganz, wieso Arbeit, die nicht mehr bezahlt werden kann, im Zusammenhang mit der Eintragung als gemeinnütziger Verein steht. (Zumindest lese ich das so heraus)
Aber mal als Input zu dem Thema Sicherheit & Öffentlichkeit: Ich stelle mir gerade vor, auf einem historischen Schiff bricht ein Feuer unter Deck aus. Es kommen Menschen zu Schaden, vllt sogar Tote, das Schiff sinkt. Alles vor den Augen der Weltöffentlichkeit beim großen Windjammer zur Kieler Woche. In der Betrachtung und Bewertung wird man sich im Nachhinein nicht damit begnügen können, ob alles gem. der Vorgaben richtig gemacht wurde, sondern man wird daran gemessen, was man alles hätte besser machen können. Und man wird auch entgeistert feststellen, dass das eigentlich auch kein Klassiker ist, auf dem ein Unglück passierte, sondern ein oller Kahn, der von ein paar Nostalgikern ohne jedwede Erfahrung (siehe Ihre Anmerkung zu den „nur wenige Wochen im Jahr“) in unverantwortlicher Art und Weise für Events genutzt wird, diese Kähne gehören versenkt und sowieso Elitensport, Geld für teures Tuch aber keins für die Sicherheit etc etc etc.
Bevor das hier aber zu einem „Schwarzen Kommentar“ verkommt: Ich wünsche natürlich allen Betroffenen, dass die Sache gut ausgeht und wir noch viele Jahre diese tollen Schiffe bewundern können.
Guter Kommentar!