Ich rief Bernd an. Zum Thema Schwert meinte er kurz: „Na, das ist doch kein Problem. Kauf das doch bei ebay. Wenn es zu groß ist, kommt ein Stück ab. Und wenn es zu klein ist, kommt ein Stück dran.“ Ich fuhr also nach Lübeck und kaufte für 100 Euro ein Schwert aus einem vergammelten Holzjolli von 1963. Es war ein DDR-Bau, Ernst-Riss.

Unsere neue Wohnung liegt nur 300 Meter vom Wassersportzentrum Alte Feuerwache entfernt. Bernd und ich entwarfen einen Plan: Wenn das Boot im April nach Brandenburg überführt wäre, würde er sich das Schiff ansehen. Nach einem Dreivierteljahr kam Lagena aus der Halle, und ich konnte das Boot von oben bis unten in Augenschein nehmen.
Aus Lagena wird Torte
Ein paar Wochen später war es soweit: Lagena kam nach Brandenburg. Kurz darauf fand die feierliche Umtaufe statt: Aus Lagena wird Torte.

Als Erstes räumte ich das Boot auf und entsorgte alles, was sich in Backskisten und Stauraum achtern angesammelt hatte. Dann ging ich ins Boot. Dabei fiel mir an Steuerbord die Füllung eines Holzschranks auf: Etwa 20 Rollen ehemals nasses Klopapier, offenbar zur Bekämpfung eines massiven Wassereinbruchs, lagen dort. Auch das Holz war bereits in Mitleidenschaft gezogen.
Als ich das Vorschiff leergeräumt hatte, kam das ganze Desaster zum Vorschein. Im Vorschiff hing verquollenes Sperrholz, darunter kam Styropor die Decke herunter. Die Fenster wurden irgendwann ausgetauscht. Der Erstbesitzer hatte die alten, für Jollenkreuzer typischen Fenster mit Alurahmen durch aufgeschraubte, selbstgesägte Plexiglasscheiben ersetzt. Die Dichtmasse war ein Mix aus Sika, Acrylkleber und Sanitär-Silikon.
Bei der Suche nach dem Leck fand ich an Deck eine weiche Stelle, genau vor der Verbindung vom Aufbau zum Deck. Bei leichtem Druck kamen kleine Blubberblasen hervor. Das Holz an der Aufbaukante war überlackiert. Wie in einem Tatort-Krimi setzte sich aus einzelnen Indizien nach und nach ein Bild der gesamten Misere zusammen.
Überall Eipilze!
Vorn am Fenster waren undichte Stellen immer nur geflickt worden. Darunter gammelte das Holz immer mehr. Die Verbindung zwischen Aufbau und GFK-Deck litt so sehr darunter, dass sie weich wurde und nachgab. Dadurch entstanden Risse. Weil das Wasser nicht ablaufen konnte, drang es nach innen und lief durch den Schrank ins Vorschiff. Die Klorollen sollten lediglich das Vorschiff schützen – echte Opferrollen. Metaphorisch gesprochen: Überall Eipilze!

Nachdem ich ausgerechnet habe, was etwa 10.000 Klorollen pro Jahr kosten, um trocken zu schlafen, entschied ich mich, das Boot umfassend zu restaurieren. Allerdings war es da schon Mitte April. Und das hätte bedeutet, dass wir in diesem Jahr nicht segeln können. Ich entschied mich deshalb für ein zweistufiges Refit.
Eines, mit dem Torte den Sommer gut übersteht. Und ein weiteres im kommenden Winter, bei dem ich das Boot so gut restauriere, dass es wieder wie neu aussieht. Erst segeln, dann schrauben – ich wollte ja nicht die Lust am Boot verlieren.

Warmer Schokokuchen mit flüssigem Kern
Zunächst habe ich die marode Stelle abgesucht und abgeklopft. Auf dem Deck befand sich eine Lage Glasfasermatten. Die war, offenbar mit Polyesterspachtel, auf das lackierte und ungeschliffene Deck geklebt worden, um das Deck stabiler zu machen. Nun: Polyester auf Lack aufzubringen, ohne vorher zu schleifen, hält nicht. Deshalb lag die Matte nur noch lose an Deck, und der Lack darüber hielt sie noch.
Noch mehr staunte ich, als ich das morsche Holz an der Kante des Aufbaus bearbeitet habe. Eine breiige Masse kam mir entgegen. So wie wenn man im Restaurant in einen warmen Schokokuchen mit flüssigem Kern sticht.
11 Kommentare
Schön wieder etwas von Stephan Boden zu lesen ??
Interessantes Projekt… gern mehr davon.
Willkommen in B.randenburg!
Wusste gar nicht das Du hier schreibst, habe Deine Texte seit Ende des Digger-Blogs vermisst.
Aber Deine Bücher (bes. Einhandsegeln) in bester Erinnerung!
Viel Spaß mit „Torte“ 😉
Guckste hier: https://bit.ly/2KdusoF
! 🙂
Moin GB. Vielen Dank! Kannst Dir auch mal bei Amazon meine Autorenseite ( einfach in der Suche „Stephan Boden * eingeben) ansehen. Schreibe seit EINEM Jahr im Selbstverlag. Gruß
Ich liebe Deinen Schreibstil, bitte mehr davon !
Junge, Junge! Jetzt ist der Boden uch bei den Klassikern angekommen! Endlich! Glückwunsch und Mast und Schotbruch
Moin Stephan! Gratuliere zum Boot und schön das Du wieder auf dem Wasser unterwegs bist. Vielleicht kannst Du Dich an meinen Kurt P. erinnern. Du hast von ihm mal super Bilder gemacht. Handbreit H.Peter!
Moin! Na klar erinnere ich mich. Ganz viele Grüße von der Havel, auch an Kurt P.
Es gibt einfach im Segeljournalismus nicht viele Leute, die richtig gut Schreiben können. Stephan Boden ist definitiv einer der wenigen, die damit gesegnet sind.
Klasse Artikel, sehr kurzweilig und schön geschrieben, toll, das das hier bei Float kostenlos gelesen werden kann.
Ich wünsche viel Erfolg bei den Restaurierungsarbeiten.
Danke. Ich werde rot…