Es gibt diese Momente im Leben, da steht einem jemand gegenüber, und auf den ersten Blick ist klar: Der oder die ist einfach ein netter Typ. Und so fühlt sich das auch an beim Betreten der Balt 37 Grand. Einfach ein netter Typ. Das Gegenüber muss dazu weder Topmodel noch Sternekoch sein. Aber dafür offen, ehrlich und handfest. Als wir für eine Tour auf dem Großen Zernsee an Bord gehen, fügt sich alles irgendwie von selbst.
Das fängt mit der offenen Badeplattform am Heck an. Während die Kollegen sich oben auf der Brücke darüber austauschen, wer die Balt 37 Grand zuerst steuern darf, sitzt man achtern regelrecht abgeschieden in der Sonne und dreht herrlich Däumchen.
Sogar die Füße kann man im Wasser baumeln lassen, da weder Reling noch Süllrand noch der Propeller stören. Kleinkinder können natürlich ausgesperrt werden. Wie geht’s Dir, Kumpel? Ach, Du willst los…
Schon bald geht’s mit der Balt 37 Grand los. Der nette Typ legt ab, und wir schauen dabei zu. Es ist das erste Exemplar, das Havel-Gewässer ansteuert. Fichtner Marine, seit 2010 mit den Suncamper-Modellen von Balt Yachts am Start, hat als Generalimporteur das Schiff für die Juroren des Best of Boats Awards zur Boot & Fun Inwater nach Werder gebracht.

Wer will, kann sich auch auf die erste Stufe wie auf eine Bank setzen und das große Heckfenster als Rückenlehne nutzen. Das kleine Separee hat das Potenzial, zum Lieblingsplatz zu werden. Die ausgedehnte Sonnenbank fühlt sich an wie ein Poller-Platz am Hafen.
Easy auf Kurs
Irgendwo weit vorn brummt der Motor, der hohe Aufbau schirmt den Fahrtwind ab, die Sonne wärmt. Wie wär’s mit Entenfüttern? Gern, doch leider ist der Kabinenkreuzer zu schnell für die drei hungrigen Erpel an der Badeleiter. Sie bleiben im Kielwasser zurück. Schön, ihnen und dem Ufer nachzuschauen, wie es mit sieben Knoten entschwindet.

Irgendwann wird die Faulenzerei dann doch langweilig. Und zum Glück sind es ja auf jeder Seite des maximal 3,50 Meter breiten GFK-Rumpfs nur drei Treppenstufen hoch zum Außensteuerstand. Als netter Typ stellt die Balt 37 Grand auch hier oben keine großen Anforderungen. Alles findet sich dort, wo man es gewohnt ist. Ein bequemer drehbarer Steuersessel, Gashebel an Steuerbord, dazu die übersichtliche Konsole mit ergonomisch gut platzierten Knöpfen und Tasten. Dann mal auf Kurs!
Die polnische Familienwerft Balt wurde bekannt durch ein praktisches Wanderboot, den Suncamper 35, den wir vor einiger Zeit in Havel-Amazonien fuhren. Etwas kleiner ist die Suncamper 30. Dass Balt Yachts auch ihre neueste Schöpfung ein Hausboot nennt, klingt nach reiner Bescheidenheit. Vom ersten Augenblick an sind die guten Fahreigenschaften der Balt 37 Grand erkennbar. Ein Schelm, wer Camper dabei denkt.
Nicht schnell, aber wendig
Schon bei relativ niedriger Drehzahl von 2.000 Touren erreicht die Balt 37 mit ihrem 110 PS starkem Yanmar-Diesel fast sieben Knoten Arbeitstempo. Das entspricht einem sehr wirtschaftlichen Verbrauch von rund fünf Liter pro Stunde.
Bei Bedarf sind mit dieser Motorisierung bis zu 18 km/h möglich, dann schnellt der Verbrauch aber hoch auf über 20 Liter. Die Balt 37 Grand ist folglich wie gemacht für lange Touren von See zu See – und auch auf der Ostsee, wie wir später erfahren.

Und die abendliche Einkehr in die Box fällt auch bei engen Häfen leicht. Die Werft im masurischen Augustov bietet sowohl Bug- als auch Heckstrahlruder an. So ließe sich das rund 6,2 Tonnen schwere Boot millimetergenau wie ein rohes Ei manövrieren.
Auch ohne die elektrisch angetriebenen Hilfs-Propeller ist unser Schiff überaus handlich. Und je ein langgezogener Gummi-Stoßfänger mittschiffs sorgt dafür, dass der nette Typ auch einen Anlege-Rempler nicht übel nimmt.

Die Balt 37 Grand hat einen erstaunlich kleinen Wendekreis. Selbst bei hoher Geschwindigkeit begnügt die kleine Motoryacht sich mit einer Bootslänge zum Umdrehen. Beim Rückwärtsfahren stellt sich der Verdränger bauartbedingt etwas an. Das flache Heck und der Radeffekt machen ein präzises Manövrieren schwierig. Aber das lässt sich mit Hilfe des Heckstrahlers einhegen.
Gut für empfindliche Ohren
Schon ist der nächste Jurykollege des Best of Boats Awards am Steuer. Doch auch unter Deck gibt es noch viel zu entdecken. Über den Niedergang erreicht man den Salon, der sich mittschiffs oberhalb des Motorraums befindet. Das ist kein Problem, denn Balt hat die Maschine ohrenscheinlich sehr gut gedämmt.

Zudem ist das erhöhte Niveau angenehm für die Crew, wenn sie von der Sitzecke an Steuerbord oder der Pantry gegenüber aus den großen Fenstern die Aussicht genießen kann. Zwei Handgriffe, und der Tisch ist durch ein Polster ersetzt, das den fünften bis sechsten Schlafplatz ermöglicht.
Die Rückenlehne der u-förmigen Sitzgarnitur ist zugleich das Sitzkissen für den davor liegenden Innensteuerstand. Ein Dreh am Polster, und man kann hinterm Steuer Platz nehmen. Eine raffinierte Lösung!
Eine markante Erscheinung
Zurück im Salon, fällt die Luftigkeit des Aufbaus angenehm auf. Im leicht nach Backbord versetzten Korridor beträgt die Stehhöhe zwei Meter. Er grenzt an eine komplette Kochzeile mit Spüle, ordentlich dimensionierter Arbeitsplatte, zweiflammigem Herd und darunterliegendem Backofen.

Hier geht Kochen buchstäblich im Vorübergehen. Das bedeutet allerdings auch, dass man sich zur vorderen Kajüte vorbeiquetschen muss. Es gibt keinen anderen Weg. Das ist der einzige Moment, wo die Harmonie auch unter netten Typen vielleicht mal ein bisschen gestört sein könnte.
Übrigens sind alle Fenster, auch die Frontscheibe, senkrecht eingebaut. Das gibt dem Boot ein markantes und selbstbewusstes Erscheinungsbild. Es hat aber vor allem den angenehmen Nebeneffekt, dass sich der Innenraum im Sommer weit weniger stark aufheizt als bei anderen Booten, deren Scheiben zum Zwecke von Design oder Aerodynamik stark geneigt sind.
Klassisch maritim
Vom Salon führen zweistufige Treppchen zu Bug und Heck, wo sich jeweils ein Schlafraum mit Stehhöhe befindet. Beiden steht ein Sanitärbereich mit separater Dusche zur Verfügung. Diese Bäder, auf Booten der Größenordnung oft kaum groß genug, um darin Pirouetten zu drehen, sind hier erfreulich weiträumig.

Die Liebe der Balt-Konstrukteure zum Detail äußert sich dort in freistehenden Waschbecken und zierlichen Wasserhähnen. Licht fällt unter Deck durch große, von außen abgedunkelte Fensterbänder auf beiden Seiten. Und auch hier fällt die gute Schalldämmung auf. Weit draußen brummt irgendwas, soll das etwa ein Diesel sein?
Der Grundriss ist großzügig genug, damit noch Platz für eine Menge Schränke ist. Jede Kabine hat auch eine geräumige Garderobe für Blusen, Mäntel und Kleider. Möbel und Wandverkleidungen unter Deck sind aus mittelbraunem Edelholz-Imitat. Das folgt klassisch maritimem Stil, könnte indes vielleicht noch etwas heller sein. Dennoch wirkt keiner der Räume düster.
Der Prototyp wird übrigens nicht verkauft. Er dient einerseits der Werft als Test- und Vorführboot, zugleich aber auch als private Yacht für den Werftchef. Das gibt einen Hinweis darauf, welchen Stellenwert Balt Yachts ihrem neuesten Schiff einräumt. Bei Generalimporteurin Fichtner Marine im nahen Deetz an der Havel lässt sich aber eines nachbestellen. Am besten zeitnah: Zwei bis drei Bauplätze sind für 2023 noch frei.
Technische Daten Balt 37 Grand
Länge über alles: 11,50 m
Breite: 3,50 m
Tiefgang: 0,72 m
Durchfahrtshöhe: 2,92 bis 3,75 m
Gewicht: 6,2 t
Motorisierung: Innenborder-Diesel, 57 PS
Schlafplätze: 4 + 2
Maximale Crewgröße: 8 Personen
CE-Kategorie: B (küstennahe Gewässer)
Preis: ab 280.125 Euro
„Um ehrlich zu sein, haben wir praktisch keine Fehler festgestellt“, schrieben kürzlich die Kollegen von yachtsmen.eu, einer der Partner-Jurys des jährlichen Best of Boats Awards, über das Schiff. Dem Urteil kann man sich nur anschließen, und konsequenterweise ist das Boot für den diesjährigen Award in der Kategorie für Reiseboote nominiert. Die Balt 37 Grand ist eben einfach ein netter Typ.