Die Überraschung ist gelungen. Ohne Vorankündigung präsentierte der Welt größter Yachtbauer die neue Beneteau Oceanis 30.1 als kleinstes Schiff der Cruiser-Serie. Die neue Einsteiger-Segelyacht konnten wir bei einem Törn auf der Ostsee ausgiebig unter die Lupe nehmen.
Vorerst ausverkauft
Beneteau hat mit der neuen Oceanis 30.1 wohl ins Schwarze getroffen: Das Interesse an ihr scheint riesig zu sein. Nach Auskunft von Lars Reisberg vom Händler Enjoy Yachting, der uns beim Test begleitete, ist die Segelyacht zurzeit ausverkauft.
Wer heute sein Boot bestellt, wird eine Weile auf die Auslieferung warten. Waren zunächst 150 Einheiten geplant, können zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl nur 60 produziert werden. Zurzeit wird die Oceanis 30.1 bei Delphia in Polen gebaut. Die Werft ist seit kurzem ein Teil der Firmengruppe. Eine zweite Form ist geplant, um auch in Frankreich produzieren zu können, heißt es. Einige wenige Boote sind noch für 2020 zum Kauf verfügbar.
Was macht die Beneteau Oceanis 30.1 attraktiv? Zunächst bietet das Boot viel Schiff für weniger Geld im Vergleich zu den Mitbewerbern. Betrachtet man unsere Testyacht – sie trägt die Baunummer Null – von außen, erfreut das derzeit angesagte Grau des mit großen Fensterflächen versehenen Rumpfs unser Auge.
Fürs Segeln selbst wird auf der Einsteiger-Segelyacht viel geboten: Das Boot besitzt Kimmkanten und eine Doppelruderanlage und die fest angebaute Bugnase aus GFK. Sie nimmt Code Zero oder Gennaker und die Ankerhalterung auf. Selbst eine Badeplattform und eine seitlich angebaute Klappleiter sind serienmäßig vorhanden. Viel mehr geht nicht bei dieser Bootsgröße.


Beneteau vermarktet sie als Trailerboot
Interessant aber ist das Gesamtkonzept, das die Werft verfolgt: Die Beneteau Oceanis 30.1 wird auch als Trailerboot vermarktet! Keine zehn Meter lang, weniger als drei Meter breit und knapp vier Tonnen schwer, kann das Boot – mit Hilfe eines Spediteurs – ohne übermäßigen Aufwand auf der Straße transportiert werden. Das heißt im Klartext: Yachttransporteur, bring mich zu fremden Revieren!
Beim Blick auf die verschiedenen Kielvarianten wird schnell klar, welche Zielgruppe die Franzosen neben Fahrtenseglern in Küstenrevieren mit ihrem neuen Einstiegsmodell noch im Blick haben. Es sind die Binnensegler, die sich mit dem – vorerst noch in der Planung befindlichen – Klappmast beispielsweise über Kanäle und Flüsse auch benachbarte Binnenreviere erschließen wollen.
Neben dem Standard-Festkiel für 1,88 m Tiefgang und einer kürzeren 1,30-m-Option gibt es eine Kielschwert-Version mit Ballast. Dank der aufholbaren Anhänge und der Doppelruderanlage stehen Seglern mit der Oceanis 30.1 auch Wattgebiete offen, wo sie mit der Yacht gefahrlos trockenfallen können.

Basismodell nur mit Pinne
Angeboten wird die Kleine in der Basisversion ganz sportlich mit Pinne. Umsteiger aus dem Jollensegelsport werden das vielleicht begrüßen. Doch bisher hat noch niemand diese Version geordert. Das finden wir durchaus verständlich. Denn die Oceanis macht äußerlich den Eindruck einer recht erwachsenen Segelyacht.
Die von Beneteau angebotenen doppelten Steuerräder passen folglich besser ins Erscheinungsbild. Hinter ihnen sitzt man – mit dem Rücken an den Heckkorb gelehnt – gut verkeilt als Rudergänger in einem eigenen Arbeitsbereich.
Im Gegensatz zur Beneteau Oceanis 31 mit ihrem großes Rad und der klassischen Großschotführung bietet das neue kleine Schiff damit auch einen guten Durchgang zur schmalen Badeplattform, ohne klettern zu müssen.
Klassisches Layout
Das Layout fürs laufende Gut ist klassisch ausgelegt: Großfall, Reffleinen und Strecker gehen auf die Dachwinsch. Auch die Großschot wird bei der Neuen mittels Hahnepot auf dem Kajütdach vor dem Kajütniedergang platziert. Vorteil: Dadurch bleibt das Cockpit frei. Nachteil: Sie ist vom Rudergänger nicht zu erreichen.

Aber damit entsteht Platz für einen großen klappbaren Cockpittisch, an dem auf beiden Seiten auf den Duchten – wenn auch ein bisschen gedrängt – bis zu sechs Mitsegler Platz finden können. Ein mittig platzierter, solider Edelstahlbügel dient im Hafen als Tischfuß, unterwegs dann aber bei Lage beim Gang durchs Cockpit, weil man sich gut abstützen kann.


Wer vom Steuerstand aus nicht nur Zugriff auf die Vorsegelwinschen haben möchte, sondern auch auf die Großschot, kann für das Groß auch das German-Mainsheet-System nachrüsten. Dann lässt sie sich ebenfalls von den beiden achteren Winschen aus bedienen. Für mehr Leistung unterwegs kann man statt der im Standard angebotenen Selbstwendefock auch eine überlappende 105-Prozent-Genua ordern.

Schwache Brise zum Start
Mit dieser Konfiguration sind wir los, hinaus auf die Ostsee. Problemlos lässt sich die Oceanis 30.1 unter Motor aus der Box hinaus und später wieder zurück manövrieren. 21 PS sind Standard. Für Marschfahrt im Fahrwasser erreicht die Segelyacht mit Dreivierteln der Höchstdrehzahl und bei glattem Wasser gut 6 Knoten.
Draußen in der Neustädter Bucht empfängt uns leider nur eine leichte, gelegentlich schwache Brise von 5 bis 10 Knoten (also 2 bis 3 Beaufort). Das reicht immerhin für einen Speed von bis zu 5,3 Knoten am Wind bei Wendewinkeln leicht unter 90 Grad.
Die Oceanis 30.1 lässt sich feinfühlig an der Windkante steuern. Sie liegt angenehm auf den Doppelrudern, bei etwas stärkerer Brise mit entsprechend mehr Rückmeldung. Zum Test war der Gennaker leider noch nicht angeschlagen. Dank des breiten Hecks und ein paar Knoten mehr Wind ließen sich, so versichert mir Lars Reisberg, Segel-Experte beim Beneteau-Händler Enjoy Yachting, wohl auf tieferen Kursen schnell mehr als die sieben Knoten Rumpfgeschwindigkeit erzielen.

Angelehnt die Linien der Großen
Der Rumpf dieser kleinsten Yacht aus französischem Hause ist angelehnt an die Linien der Beneteau Oceanis 51.1 und 46.1. So setzen die Kimmkanten (die so genannten Chines) auch hier direkt am Bug an. Das hat den Vorteil, dass sich unter Deck das Volumen auf beiden Seiten der Yacht um etwa 30 Zentimeter verbreitert.
Einen weiteren Vorteil bietet die Kimmkante an der Wasserlinie dadurch, dass die Bodenbretter sehr tief liegen. So ergibt sich unter Deck eine Stehhöhe von immerhin gut 1,92 m, und noch knapp 1,80 m in beiden Kabinen. Entsprechend und proportional dem ansprechenden äußeren Gesamtbild der Yacht angepasst konnte der Kajütaufbau flach gestaltet werden.
Unten erstaunlich großzügig

Unter Deck ist die 30.1 also bemerkenswert großzügig angelegt. Es ist erstaunlich, wie viele der notwendigen Zentimeter die Rumpfarchitekten von Finot-Conq herausgeholt haben, um diese Einbaugrößen unter Deck zu gewährleisten. Sie würden auch größeren Segelyachten gut zu Gesicht stehen.
Die L-Pantry liegt an Backbord vor dem Durchgang zur Achterkabine, die Nasszelle an Steuerbord. In das Vorschiff führt eine breite Tür, sodass man beidseitig am abgeklappten Salontisch vorbei zum Vorschiff gelangt. Ist die Tür geöffnet, entsteht unter Deck ein großer luftiger Raum und lässt vergessen, dass das Boot nur 8,99 Meter lang ist.


Dass der Küchenstauraum nun relativ klein ist – geschenkt! Ein Vorteil: Man achtet beim Einräumen mehr auf das Wesentliche. Für Tassen, Teller, Brettchen, Besteck ist Platz vorhanden, der Unterschrank für den Mülleimer ließe sich möglicherweise mit zwei Borden für einen weiteren Stauraum umfunktionieren. Unter den Sitzbänken gibt es viel Platz zum Stauen von viel Proviant.
Kein Kompromiss bei den Kojen
Vorn gibt es zwei breite 2 Meter lange Kojen. Zwei Schränke reichen für die notwendige Urlaubsgarderobe. Auch achtern sind die Längskojen 2 Meter lang . Nutzt man die Salonbänke als Kojen, können sechs Personen nächtigen. Wer auf eine Navigation nicht verzichten möchte, kann sich diese als kleine Einheit optional ans Ende der Salonkoje an Steuerbord einbauen lassen.
Nur ein Kabinenlayout möglich
Die Werft bietet nur ein einziges Layout mit zwei Kabinen und der Riesen-Backskiste. Weitere Ausbauvarianten sind aus meiner Sicht aber auch nicht vonnöten.
Um an den Motor zu kommen, wird der Niedergang ohne viel Aufwand nach oben geklappt und durch Gasdruckfedern gehalten. Alle Türen werden mit Magneten arretiert. Sie sind hoffentlich stark genug, wenn man bei etwas mehr Wind und Welle unterwegs ist. Der Gastgeber war hier zuversichtlich und erinnerte an einen anderen Törn: „Wir sind bei bis zu 1,80 m Welle in acht Stunden Gewitter geraten. Da ist uns dann mal die Tür zugeflogen. Ansonsten halten die Magnete.“
Auf Druckknopf-Druck verdunkelt
Das große Dachluk lässt viel Licht in die Kajüte, ein übriges tun die seitlichen Fenster und – ein besonderer Clou – die beidseitigen Öffnungen im Rumpf. Sehr gut ist auch der Einsatz von kleinen Patches statt Gardinen oder Verdunkelungslamellen: Diese Textilstücke sind der Größe der Fenster und Luken angepasst und können zum Verdunkeln mit Druckknöpfen direkt davor angebracht werden. Unterschiedlichen Farben und Materialien – alles ist zu haben.

Die Polster der Beneteau Oceanis 30.1 sind in einigen Stofffarben erhältlich. Die Oberflächen der Möbel sind in heller Eichenholz-Optik laminiert. Es ist anzunehmen, so Reisberg, dass bei der neuen Beneteau-Segelyacht später auch dunkleres Holz angeboten wird. Was das alles kostet? Der Preis in der Grundausstattung liegt mit gut 80.000 Euro deutlich unter dem der Mitbewerber.
Technische Daten Beneteau Oceanis 30.1
Länge über alles: 9,53 m
Rumpflänge: 8,99 m
Breite: 2,99 m
Tiefgang: 1,88 m (Flachkiel: 1,30 m, Schwenkkiel: 0,95 bis 2,33 m)
Verdrängung: 3.995 kg
Segelfläche: Groß (18,8 / 23,8 qm), Vorsegel (15,7 / 22,1 qm)
Motorisierung: 15 PS
Maximale Passagierzahl: 10 Personen
CE-Kategorie: B (küstenferne Gewässer)
Einen Web-Vergleich des Boots mit anderen Beneteau-Modellen und die Broschüre gibt es auf der Werft-Website.
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