Kompaktheit als Konzept – das ist das erste, was auffällt an der Zodiac Medline 7.5, die vor uns im Seglerhafen von Hyères am Steg liegt. Kompakt als Konzept ist das Schlauchboot, weil es ohne jede Platz-Verschwendung alles enthält, was man auf gut sieben Metern Bootslänge nicht unbedingt erwartet, bei Zodiac aber bekommt. Bei heftigem Wind stehen wir nun, wenige Monate später, auf der steinernen Pier und machen das Familienboot startklar.
Farblich mondän und modern
Beginnen wir von vorne, und zwar buchstäblich: Wir steigen vom Steg über – auf den Bug des brandneuen RIBs. Mit einer Auflage aus robustem Kunstholz rund um die Ankerrolle bietet die Bootsspitze guten Grip. Das ist wichtig beim feuchten Wetter am ersten Testtag. Wir staken, wie der Storch im Salat, über die vordere Liegewiese Richtung Cockpit.
Der Witterung wegen sind die Polste nicht angebracht. So schauen wir direkt auf die GFK-Oberflächen der beiden großen Schnaps im vorderen Bereich des Boots. Im größeren von beiden sind – durch solide, hydraulische Öffner gesichert – die soliden Kissen für beide Sonnenbetten verstaut. Mit sattem Türkis wirkt die Farbgestaltung der Auflagen und übrigen Polster mondän und modern gleichzeitig.

Das vordere Fach, dem Bug zugewandt, gibt den Blick frei auf die elektrische Ankerwinde. Die Winde kann per Fernbedienung benutzt werden. Der Anker selbst ist unterhalb des Bugwulsts zu sehen. Das Geschirr verbleibt immer einsatzbereit außen. So kann der Anker schnell und spontan über die Winde ausgebracht werden. Zwei kleine Klampen, die im GFK-Teil der Schlauchboots am Bug eingelassen sind, erleichtern das Festmachen sehr, wie wir später bemerken.
Mit Volle-Fahrt-voraus-Sitz
Der Wind zaust am Boot, Wolken türmen sich auf – die Côte d’Azur zeigt sich ganz anders als erwartet. Zeit, es sich an Bord gemütlich zu machen. Direkt hinter dem Anker gibt es ein schräg angebrachtes Polster, es scheint für mich gemacht zu sein. Hier ergibt sich, ganz vorn im Bug, eine Sitzposition, die ebenso kommunikativ wie sicher ist.

Mit dem Blick achteraus habe ich das ganze Boot im Überblick: Rechts und links schützt mich der breite Wulst der hellen Neopren-Hülle. Geradeaus blicke ich auf die Konsole mit dem Fahrstand, dahinter ist tatsächlich ein kleiner Salonbereich. Direkt davor kommt erst einmal mein Gegenüber: der Volle-Fahrt-voraus-Sitz nämlich.
Seitenhalt ist wichtig
Dieser Sitzplatz auf der Vorderseite der Mittelkonsole ist ein schön gestalteter und geschützter Platz – mit ordentlich Seitenhalt auf der rechten und linken Seite. Dafür sorgt die Kante, die in die Fahrkonsole aus GFK eingearbeitet ist.
Und Seitenhalt ist wichtig auf einem Schlauchboot, bei dem bei hoher Geschwindigkeit sehr starke Zentrifugalkräfte wirken können, die man auf einem konventionellen Motorboot so nicht erlebt. Die Beine gemütlich auszustrecken und die Füße an der Kante des Vorschiffsschapps einzuhaken, ist gerade bei höherer Geschwindigkeit nützlich.
Nützlich und sinnvoll wäre hier eine seitlich angebrachte Haltestange. Das würde auch den Laufweg an der Konsole vorbei zum Mittschiffsbereich noch sicherer machen. Denn vor dem Spaß kommt die Sicherheit an Bord. Das galt schon für das kompakte Universal-RIB Zodiac 5.5, das float 2018 testeten und wir als Schweizer Taschenmesser in Bootsform loben konnten.
Der coole Touch eines Designboots
Die leicht in Richtung Steuerbord versetzt montierte Mittelkonsole ist ein sehr schönes Stück Design. Der kantige, nur die Instrumententafel schützende Windschutz aus Plexiglas hat den coolen Touch eines Designprodukts.
Ohne zu viel hinein zu interpretieren: An Bord der Medline 7.5 bin ich eher an eine Mini-Wally, Fjord oder eines der kantigen Frauscher-Modelle erinnert als an ein Schlauchboot aus Frankreich. So viel macht eine gut gestaltete Konsole mit einer ergonomisch richtig geformten und platzierten Windschutzscheibe aus.

Eine Fusion-Stereoanlage des Typs MS-UD 755 mit Bluetooth, deren Bedienelement ich selbstverständlich abnehmen kann, komplettiert das Setting. Es ist genug Platz im Armaturenbrett, um einen Kartenplotter mittlerer Größe unterzubringen. Bei unserem Boot, dem Prototyp und Baunummer 1, ist diese Fläche frei.
Wellenreiten an der Côte
Der Fahrstand selbst ist einfach und sehr funktional gestaltet: Über das mit Kunstleder bezogene Ultraflex-Lenkrad hinweg sehe ich die standardmäßige Kontrollanzeige des japanischen Motorenherstellers. Rechts, und genau an der richtigen Stelle, ist die sehr gut in der Hand liegende Einhebelschaltung platziert.
Den Trimmknopf habe ich direkt unter meinem Daumen. Eine Kopfdrehung mit dem Blick zurück zeigt mir – hinter der Essecke – den großen, 300 PS leistenden Motor von Yamaha unseres Testboots, den ich von hier aus dirigiere.

Wir verlassen den windumzausten Seglerhafen und fahren hinaus in die bewegte See. Das Meer an der Côte d’Azur zeigt sich in diesem Frühjahr anders als erwartet. Rund anderthalb Meter hohe Wellen zeigen uns, was das Boot kann.