
Genauso wichtig wie das Schiff ist den beiden der Ort, an dem es gebaut wird, die Werft. Schon die Entscheidung für Costa Rica fiel gezielt. 30 Prozent der Landesfläche stehen unter Naturschutz und es wird mehr Wald aufgeforstet als abgeholzt. Die improvisierte Camp-Architektur der Werft, die hohe Eigenverantwortlichkeit jedes Beteiligten, die gezielte Einbindung der lokalen Community sind Teil eines holistischen Ansatzes, der utopische Gemeinschaft, nachhaltiges Wirtschaften und Full Profit zusammendenken will. Astillero Verde ist Sägewerk und Werft, Kommune und Weltgenesungsprojekt.
Für den Plan B in die Ostsee
Ursprünglich war der Launch der Ceiba für 2022 angekündigt. Aber kleine Stolpersteine hier und da addieren sich zu einer Verzögerung von mindestens 1 1/2 Jahren. Das beginnt schon beim Holz, das nicht so schnell durchtrocknet wie erwartet. Um trotzdem 2022 mit dem Handelsverkehr loslegen zu können, hat Sailcargo einen Plan B aktiviert: Sie haben einen schwedischen Holzzweimaster von 1909 gekauft, den sie diesen Sommer zum Frachtsegler modifizieren und von der Ostsee in die Karibik überführen. Die Vega wird vor allem den Bio-Kaffee des Hauptkunden Cafe William transportieren. Von den Aktivitäten um die Vega wird das Leben und Arbeiten im Werftschlupfwinkel von Costa Rica aber kaum tangiert.
Ewig singt die Kettensäge
Das internationale Team auf Astillero Verde ist jung – zwischen 20 und 30 –, ungebunden und abenteuerlustig. Die „Yardies“ kombinieren Stahlkappenstiefel zu freiem Oberkörper, könnten jederzeit bei den Chippendales einsteigen und zelebrieren ihren alternativen Lebensstil. Die Bootsbauer und Zimmermänner können Gitarre spielen und Brot backen. Das postindustrielle Zeitalter ist ihnen mit seinem entfremdeten Konsum ein Graus.
Im Camp kräht jede Nacht ein Hahn. Wenn zwei weitere einstimmen, ist es Zeit zum Aufstehen: sechs Uhr. Das ganze Team trifft sich in der Open-Air-Küche rund um eine ein mal vier Meter große Tafel aus zwei mächtigen Holzbohlen, von der jeder urbane Loftbewohner träumt. Wer zuerst kommt, muss das Kompost-Chaos, das die Waschbären nachts angerichtet haben, aufkehren. Der Zweite macht Kaffee.

Astillero Verde ist Sägewerk und Werft, Kommune und Weltgenesungsprojekt.
Um 6:30 Uhr beginnt die erste Schicht. Roland, der deutsche Wandergeselle, gibt das Kommando: „Now let the chainsaws sing again!“ Die Werftarbeit verteilt sich auf mehrere Stationen. Roland schneidet Tag für Tag die sechs Meter langen Stämme von Zeder und Guapinol zu Bohlen auf, mit schwerem Gerät bei über 30 Grad in vollem Zimmermanns-Ornat. Ein Zweierteam sucht mit einer transparenten Musterfolie die passenden Bohlen für die Spanten heraus. Nur das Kernholz darf verwendet werden – bei möglichst wenig Verschnitt.
Artur teilt als Werkstattleiter die Truppe für die 100 Jahre alte Bandsäge von Fay & Egan ein, die mit dem Motor eines alten Motorrades samt Fahrgestell und Lenker betrieben wird. Hier werden die Bohlen passgenau für die U-förmigen Spanten zugesägt. Mit dem Trecker wird das Holz von Station zu Station transportiert, am liebsten von Farmerssohn Lynx selbst. Erst beim letzten Schritt, dem Zusammensetzen der Bohlen zum Spant auf der „Stage“ direkt am Heck des Schiffes, merkt man, dass man sich nicht in einem Sägewerk, sondern auf einer Werft befindet. Das Arbeiten mit dem warmen, lebendigen Material Holz mag romantisch sein, die Geräuschkulisse ist es nicht. Gearbeitet wird unter Gehörschutz.
Der Laie wundert sich

Von 6:30 Uhr bis zum zweiten Frühstück um 9 Uhr beziehe ich Station am Hackklotz. Gekocht wird mit Holz, ich hacke die Scheite dafür zurecht – und kassiere meine ersten Lektionen: Wer nicht spürt, in welche Richtung die Adern durch den Stamm laufen, hackt sich unnötig den Rücken krumm. Und wer nicht beachtet, dass man Bäume nur bei abnehmendem Mond fällt, darf sich nicht über feuchtes Holz wundern. Was für den Laien nach verspulter Esoterik klingt, ist Zimmermännern und Bootsbauern professionelle Selbstverständlichkeit.
Bei einem der werfteigenen Motorräder mache ich mich an die Reparatur des abgebrochenen Blinkers. Ich versuche ihn mit zugespitzten Holzstiften im ehemaligen Schraubenloch zu fixieren. Negativ. Also greife ich doch lieber auf Kabelbinder zurück. Roland schüttelt den Kopf mit der Zimmermanns-Melone: Kabelbinder? Einwegmittel sind verpönt!
Ein Kommentar
Das ist ja mal eine tolle Idee. Ich denke auch, dass Costa Rica das perfekte Land dafür ist, jedenfalls hatte ich den Eindruck bei meinen zahlreichen Costa Rica Reisen.