Rettung in letzter Minute: Der wohl meistverkaufte Jollenkreuzer wird auch 52 Jahre nach seiner Entwicklung weiter gebaut werden. Nach jahrelanger Ungewissheit hat sich eine norddeutsche Werft gefunden, die das vielseitige Boot in Zukunft betreut.
Muss die FAM sterben? So begann 2019 auf float ein Bericht zum 50-jährigen Jubiläum des Jollenkreuzers, von dem im Laufe der Jahrzehnte rund 2.500 Stück gebaut wurden. Nun scheint die Zukunft der nationalen Klasse gesichert zu sein: Die Hein Bootswerft aus dem schleswig-holsteinischen Kölln-Reisiek nahe Elmshorn hat die Formen von Gruben Bootsbau aus Markdorf am Bodensee übernommen.

„Ich bin froh, dass wir das so hinbekommen haben“, sagt Karl-Heinz Rieck, zweiter Vorsitzender der Klassenvereinigung, zu float. Nach einer Spendenaktion und einem tiefen Griff in die Clubkasse waren die FAM-Freunde in der Lage, das Schicksal ihres Bootes in die eigenen Hände zu nehmen.
Die Antwort für viele Familien
Die FAM steht für eine lange Erfolgsgeschichte: Von Anfang an sowohl als Regatta- und Fahrtenjolle gleichermaßen konstruiert, sprach sie viele Familien in den 1970er- und 80er-Jahren an. Sie war die Antwort für viele, die vom Breitensport auf dem Wasser magisch angezogen wurden. Was machte den Reiz dieses nur 5,40 Meter langen und recht einfach ausgerüsteten Bootes aus?
Ende der 1960er-Jahre konstruierten die seinerzeit international bekannten und erfolgreichen Segler Uwe Mares und Hubert Raudaschl die FAM. 1969 begann die Produktion in der Klepper-Werft in Rosenheum. Klepper ist berühmt geworden für die gleichnamigen Faltboote. Die Werft produziert seit 1907 und ist bis heute weltweit dominierend in diesem Bootssegment. Elf Jahre baute Klepper die FAM, 1980 übernahm Gruben Bootsbau aus Markdorf am Bodensee die Produktion. Über Jahrzehnte baute sie tausende Boote.
Die Klassenvereinigung hebt stolz hervor, dass die FAM vor allem vielseitig ist. Auf Regatten und Ausfahrten treffen sich die Mitglieder im In- und Ausland. Dank ihres geringen Gewichts von 450 Kilogramm können auch Mittelklasse-Pkw die FAM ziehen. Sie ist einhand segelbar, doch es finden bis zu vier Personen an Deck Platz.

Der Tiefgang mit dicht geholtem Kielschwert beträgt nur 25 Zentimeter, damit kann die FAM nahezu jedes Revier befahren. Zuletzt bietet ihre Schlupfkajüte Schlafplatz für zwei Personen, es gab auch eine Ausführung der FAM namens „LS“ mit einer zusätzlichen Backskiste.
Produktionsende am Bodensee
Schon seit längerer Zeit gingen die Aufträge für neue Boote aber immer mehr zurück. Schließlich stellte die Werft am Bodensee die Produktion der FAM gänzlich ein. So standen die Formen des GFK-Backdeckers bereits eine Weile zum Verkauf. Allein, es schien sich niemand dafür zu interessieren, die Geschichte der über 50 Jahre alten nationalen Klasse fortzuschreiben.
Und es ging nicht nur um die FAM: float erfuhr von Agnes Gruben, der Ehefrau des ehemaligen Werftchefs, dass die Besitzer der Jollenwerft vom Bodensee selbst einen Nachfolger suchen.

Für die Bauformen der tausendfach produzierten Gipsy Star und Gipsy Sprint sucht die Werft aktuell immer noch Abnehmer. Alle anderen Einheiten hat Gruben aufgegeben. Die großen Hallen werden nun hauptsächlich als Lagerraum genutzt.
Erfolgreiche Kontaktaufnahme
Seitens der Werft wurde jedenfalls intensiv der Kontakt zum Technischen Obmann der FAM-Klasse gesucht. Aber offenbar gingen die Preisvorstellungen von Anbieter und Interessent zu weit auseinander. Die KV allein wollte sich die Übernahme der Formen nicht leisten.
Auch die Kalkulation, das Boot durch die Klasse selbst als Kleinserie produzieren zu lassen, war nicht wirklich wirtschaftlich abbildbar. Das endgültige Ende schien 2019 nahe.
Aber die Klassenvereinigung gab nicht auf. Zunächst wurde ein Spendenaufruf zum Ankauf der Formen gestartet. Dann schaltete sich die Hein Bootswerft bei Elmshorn an der nördlichen Elbmündung ein. Dort blickt man auf eine über 100-jährige Tradition im Bau von Jollen zurück. Hein hat sich seit Jahrzehnten einen Namen beim Bau der Piraten-Klasse gemacht und baut permanent neue.

Weitere Jollen aus Hein-Produktion sind Korsar, Seggerling, OK Jollen, Europe, Jeton, Vaurien, DYAS und einige mehr. Nun also noch ein kleiner Jollenkreuzer? „Wir wollen ja nicht selbst produzieren“, sagt Karl-Heinz Rieck, der seit fast 30 Jahren im Vorstand der KV sitzt. Sondern lediglich die Form für die Zukunft sichern. Es gebe bereits Anfragen für Bestellungen, sagt er. Mit aktuell 450 Mitgliedern ist die FAM-Familie stark wie lange nicht mehr. „Während Covid-19 hatten wir 120 Neuaufnahmen – unglaublich.“
Bau nur noch auf Nachfrage
Die norddeutschen Werfteigner konnten schließlich erfolgreich zwischen Familie Gruben und der Klassenvereinigung vermitteln. Schließlich rückte Gruben von seiner überhöhten Forderung ab. „Wenn sie nicht akzeptiert hätten, wäre nie wieder eine FAM gebaut worden“, sagte Wolfgang Saß von der FAM-Klassenvereinigung.

Die Bootsbaufirma in Schleswig-Holstein wird den kleinen Jollenkreuzer, so Geschäftsführer Steffen Radtke gegenüber float, allerdings nur auf Nachfrage bauen. Radtke rechnet mit maximal einem Neuauftrag im Jahr. „Der Markt ist voll mit alten Booten, anders als vor 30 Jahren“, sagt der Bootsbauer. Wichtig sei aber auch die Bereitstellung von Ersatzteilen. Gruben hätte kaum noch etwas vorrätig gehabt; die KV habe sich zuletzt viele Teile selbst fertigen lassen. Zunächst aber müssten die Formen, die mit den Jahren doch sehr gelitten haben, gründlich aufgearbeitet werden.

Sie konnten erst vor kurzem aus dem Süden geholt werden. Man plant, den kleinen Kreuzer etwas „aufzupeppen“. So soll das Fenster eine neue, elegantere Formgebung erhalten, ebenso der Bugkorb. Ingesamt stellt sich Radtke vor, die FAM „gefälliger“ aussehen zu lassen. Und sie soll besser segeln: Die Positionen der Beschläge werden überdacht, der Mast sowie Größe und Schnitt der Segel modifiziert. Aber alles im Rahmen der Klassenvorschrift: „Die KV will ja noch Regatten segeln, sodass ältere Einheiten nicht gleich benachteiligt sind“, so Radtke. „Wir bedanken uns jedenfalls bei Frau Gruben für Ihre Geduld!“