Der Ostwind empfängt uns eiskalt. Die L 30 One Design liegt in der Spätwintersonne am Werftschlengel im sonst leeren Hamburger Yachthafen: „Herzblut“ heißt die Baunummer 7 aus der SVP-Werft in Slowenien. Hans Genthe von Stockmaritime hat uns eingeladen, das Boot, das er seit Mai 2017 im Vertrieb hat, mit uns Probe zu segeln.
Idee und Konzept stammen von Profisegler Rodion Luca aus der Ukraine, das Design vom Slowenen Andrej Justin. Das Konzept zielt auf eine – bereits gegründete – Einheitsklasse hin. Auch für Segelschulen zur Regatta-Ausbildung im Team ist die L 30 geeignet. Erfolge bei der größten europäischen Regatta, der Barcolana vor Istrien, am Balaton und auf verschiedenen anderen Seen geben den Konstrukteuren recht. Ein schnelles Boot will auch gut gesegelt sein: Meistens saß dabei Luca selbst am Steuer. Der 45-jährige war 2004 Olympia-Silbermedaillengewinner im 49er und Steuermann für Team Russia beim Volvo Ocean Race 2008.

Vorn U-Boot, achtern großzügig
Die Gestaltung der L 30 One Design ist vielversprechend: Mit nur 2,54 m Breite auf knapp 9,60 m Länge wirkt das Boot vor allem von vorne wie ein kleines U-Boot, wenn es auf den Betrachter zufährt. Dazu tragen auch der negativ einfallende Steven und der negative Deckssprung bei. Achtern schaut man hingegen in ein riesiges Cockpit von 3,40 m Länge und auf das zwei Meter breite offene Heck. Das ist genug Platz für eine Regattacrew von vier bis fünf Seglerinnen und Seglern oder eine sportliche Familiencrew.

Am Heck beeindrucken die ausgeprägten Chines (Kimmkanten) sowie zwei kleine angehängte Ruder, die über eine kugelgelagerte Schiene verbunden sind und bewegt werden. Zum Slippen sind sie leicht demontierbar. In der Mitte ist eine ausklappbare Badeleiter für wärmere Tage montiert. Der 1,80 m breite Traveller läuft versenkt im Cockpitboden. Die beiden Steuerräder der Jefa-Ruderanlage lassen einen Durchgang von gut einem halben Meter frei.
Der Cockpitboden ist mit rutschfestem Cer-Deck als Teak-Alternative belegt. In diesen Teppich aus geschäumtem Kunstkautschuk der italienischen Ausrüsters Ceredi ist der Bootsname eingefräst. Ganz achtern hängen die Backstagen an den Cockpitsülls. Sie können durch Direktzug über einen Fallstopper und einen mit 1:32 übersetzten Feintrieb gut bedient werden. Genug Platz ist hinter dem Steuermann vorhanden.
Das knapp 30 Quadratmeter Groß lässt sich bei knackiger Kreuz gut kontrollieren. Dafür sorgt die 1:4 / 1:16 Übersetzung der Großschot. Blöcke, Curry-Klemmen und zwei selbstholende Winschen für Fock und Gennaker gehören zur Serienausstattung und sind von Harken. Ebenso Standard ist das Carbon-Rigg des ungarischen Mastenbauers Pauger. Der Masttopp steht 13,15 m über der Wasserlinie. Stark gepfeilte Salinge erlauben das Segeln ohne Backstagen.
Über den Klappbeschlag an Deck lässt sich der leichte Mast über eine Jütt-Vorrichtung ohne große Mühe von zwei Personen setzen und wieder legen. Alle Schoten und Fallen aus Dyneema sind im Grundpreis enthalten. Der 710 kg schwere Kiel kann über eine Umlenkung auf eine Winsch mit 1:8-Übersetzung im Kielkasten von 1,80 m Tiefgang auf 58 cm aufgeholt werden. Damit lässt sich die L30 fast überall slippen.
Innovative Flautenschieber
Nachdem die Februar-Sonne das Eis vom Deck geleckt hat, geht es los. Der Lombardini-Motor mit Saildrive und Zwei-Blatt-Faltpropeller bringt uns Richtung Hafeneinfahrt, während wir die schwarzen Elvström-Segel klarmachen. Das Tuch ist aus Technora, einer modernen knickfesten Aramid-Faser.
Die Diesel-Maschine kann auch durch einen innovativen Elektro-Ringmotor von FMT ersetzt werden, den der Ingenieurbetrieb Floren Marine Technik vom Niederrhein anbietet. Als weitere Elektromotoren stehen außerdem der 6 kW starke Oceanvolt SD 6 zur Verfügung. Dessen Reichweite mit vier Lithium-Ionen-Batterien und 65 kg Gewicht beträgt nach Angaben der Werft 21 Seemeilen bei 4,5 kn bei glattem Wasser. Das Cruise-Pod-Motorensystem von Torqeedo mit Energieerzeugung per Propeller beim Segeln ist für das Einheitsklassen-Boot ebenfalls erhältlich und bereits im Einsatz.

Als wir die Nase aus der Hafeneinfahrt stecken, empfängt uns ein zickiger Nord-Ost-Wind zwischen 15 und 20 kn. Warm angezogen erleben wir zu viert einen herrlichen Segeltag in der Sonne. Durch das kombinierte Kugellager- und Gleitrutschersystem von Harken lässt sich das Groß leicht setzen. Bei der Fock ersetzen Gurtband und Steckschnallen die Stagreiter. Bei unseren klammen Fingern ist das sehr hilfreich. Mühelos lässt sich das flotte Bötchen an der Kreuz an der Windkante halten. Gut ausgetrimmt: Man kann den Lenker auch mal loslassen.
Fahrwassertonnen sind magnetisch. Hier erweist sich das zweite Steuerrad in Lee sehr nützlich.
Trotz strammem Gegenstrom kommen wir dank sieben Knoten Boot-Speed an der Kreuz zügig die Elbe hoch in Richtung Blankenese. Der Wendewinkel ist mit knapp 40 Grad wirklich klein, und die Böen lassen sich mit dem Großschotsystem bestens parieren. Fahrwassertonnen sind magnetisch, egal ob das Boot aus Holz, GFK oder Stahl ist. Hier erweist sich das zweite Steuerrad in Lee sehr nützlich, genau wie bei der Regatta.

Gut für etwas mehr Wind
Überhaupt lässt sich die L 30 One Design sehr komfortabel steuern, entweder im Stehen oder auf der hohen Kante sitzend. Dabei ist bequem, dass sich der hintere Teil des Dyneema-Seezauns per Karabiner öffnen lässt. Am Wind kommen mit der 23 Quadratmeter großen, auf 7/8 getakelten Fock, etwas über 50 qm Segelfläche zusammen. Raumschots geht der 85-qm-Gennaker hoch. Downwind wird auch gekreuzt. Nach ein paar Halsen klappt das auch bei einer ungeübten Crew. Jetzt fängt das „Herzblut“ an zu fliegen. Bei jeder Böe schnellt die Logge auf 10 bis 12 kn.

Bei etwas mehr Wind und eingespielter Crew lassen sich mit dem kleinen Racer mit flachem Unterwasserschiff und Bleibombe auch gerne 20 Knoten und mehr erreichen. Das zeigt das Video beim Probesegeln auf dem Balaton. Hin und wieder will das flinke Boot bei einfallenden Böen aus dem Ruder laufen. Hier müssen die Crew und der Steuermann auf Zack sein, die Gennaker Schot rechtzeitig fieren und den Baumniederholer griffbereit haben. Dann lässt sich jede Bö in Speed umsetzen.
Schnell sind wir wieder in Wedel. Die Sonne steht schon tief. Aber wir haben noch keine Lust, wieder in den Hafen zu fahren – so viel Spaß macht die L 30. Also düsen wir noch ein gutes Stück die Elbe runter, bis das schwindende Licht uns wieder nach Hause zwingt. Ohne Sonne an der Kreuz ist es trotz Thermowäsche doch lausig kalt.
Fast bereit fürs Fastnet Race
Die L 30 One Design hat aber zum Glück auch ein Innenleben, in das man sich gut zurückziehen kann. Mit 1,70 m erreicht das Boot im Mittelteil und in der Nasszelle sogar Stehhöhe. Licht kommt durch die beiden Fenster im flachen Kajütaufbau, die beiden Rumpffenster sowie das Lewmar-Luk über dem vorderen Salon herein. Hier gibt es eine Doppelkoje von zwei Metern Länge, die vorne 70 cm und hinten 1,70 m breit ist. Ein optionaler Klapptisch bietet vier bis sechs Personen einen Platz ohne störenden Mast. Die Nasszelle, wahlweise mit Porta-Potti oder Pumptoilette, misst 1,10 m auf 1,10 m – die Schräge abgezogen.


Gegenüber dem Bad gibt es ein Küchenmodul mit Waschbecken von der Optionsliste, 45-l-Frischwassertank und Einbaukocher. Backbord und Steuerbord vom Cockpit finden sich zwei 85 x 260 cm große Lotsenkojen. Die Maschine ist hinter der Niedergangsleiter gut zugänglich. Unter dem Cockpit gibt es zwei große Stauräume (90 x 100 x 40 cm) für den Dieseltank oder E-Motor-Batterien respektive 130 x 190 x 40 cm cm für Fender und Leinen hinter dem Steuerstand.
Mit der L 30 One Design ist Kiel-Kopenhagen ein Katzensprung.
Rumpf und Deck sind über einen Schaumkern mit Vinylesterharz im Vakuuminfusionsverfahren gefertigt. So erreicht das Boot die CE-Kategorie B für Fahrten auch außerhalb von Küstengewässern. Bei Erhöhung des Einstiegs von derzeit 15 cm über Cockpithöhe kann die L 30 auch Kategorie A erreicht werden, also Seetauglichkeit für Hochsee bei Wellenhöhen über vier Metern und Wind von mehr als 8 Beaufort.
Damit wäre für ambitionierte Segler mit dem kleinen Performance-Racer die Teilnahme am Fastnet Race oder der Regatta Rund Skagen möglich. Für alle anderen ist die L 30 einfach ein tolles Boot für den Regattaspaß als Daysailer. Aber auch für schnelle Touren für bis zu vier Segelrinnen oder Segler. Mit der L 30 One Design ist Kiel-Kopenhagen ein Katzensprung.
Preislich kein Klacks
Der Einstiegspreis von rund 85.000 Euro ist kein Klacks, und mit der passenden Garderobe und einem Hänger kommen dann noch leicht 30.000 Euro dazu. Genthe hat in seinem Yacht-Performance-Center in Schenefeld bei Hamburg neben einem Bootsbaubetrieb, der die Endfertigung und Ausrüstung der Boote übernimmt, auch einen Elvström-Sailpoint und kann verschiedene Segelqualitäten passend zum Anspruch und Geldbeutel anbieten.
Im Vergleich mit der Seascape 27 oder der schweizerischen Saphire 27 One Design bekommt man hier viel Schiff fürs Geld. Der reine Regatta-Racer Farr 280, ebenfalls im Vertrieb bei Stockmaritime und zurzeit das Top-Regattaboot der Stockmaritime-Crew, liegt preislich weit über dieser Marke.
Technische Daten
Länge über alles | 9,58 m | |
Länge Wasserline | 9,20 m | |
Breite | 2,54 m (straßentauglich) | |
Masthöhe über Wasserlinie | 13,15 m | |
Segelfläche | Groß (29,8 qm), Fock (22,7 qm), Gennaker (83 qm) | |
Gewicht | 1.820 kg |
2 Kommentare
Hallo Herr Loewe,
schöner Artikel. Haben sie schon mal an einem Fastnet oder einer vergleichbaren Offshore-Regatta Teilgenommen?
Das man mit dem Boot Fastnet fahren soll kann doch nur ein Witz sein, oder?
Bei entsprechender Modifikation könnte man mit der L30 Kategorie A erreichen und damit eine Zulassung für die Teilnahme an Hochseeregatten wie z. B. dem Fastnet Race bzw. Pantaenius Rund Skagen Race. Ob man sich darauf einlässt, ist einem selbst überlassen. Die Veranstalter behalten sich die Zulassung vor. Es gibt immer wieder Segler, die sich großen Herausforderungen mit kleinen Booten stellen.
Rund Skagen wurde schon mit einer Pogo 30 sowie einer Figaro II – beides der L30 vergleichbare Boote – gesegelt und beendet. Die Beneteau Figaro I und II One Design ist für Hochseeregatten konzipiert worden und hat mit über 150 Einheiten (Figaro I) in Frankreich eine große Fangemeinde.
Vom Fastnet Race konnte ich keine Teilnahme von 30-Fuß-Yachten recherchieren. Ich selbst habe das Fastnet Race noch nicht mitgesegelt, habe aber viele Freunde, die dabei waren und weiß, dass es ein sehr hartes Rennen sein kann, genauso wie Rund Skagen. Die L30 kann viel Wind und Welle ab.