Angetrieben durch die Elemente Wind, Wasser und Luft will die Crew des energieautonomen Katamarans Energy Observer sechs Jahre lang um die Welt fahren. Seit knapp zwei Monaten ist das Team aus dem französischen Offshore-Racer Victorien Erussard und dem Filmemacher Jérôme Delafosse jetzt unterwegs. Sie wollen mit ihrem Projekt zeigen, dass es möglich ist, Schiffe auch über lange Strecken vollkommen emissionsfrei zu betreiben. Dafür werden sie ohne fossile Energiequellen auf dem Meer unterwegs sein.

Energieträger Wasserstoff
Angesichts der immer dringlicheren Notwendigkeit, die Treibhausgase zu reduzieren, ist der Ausbau der Nutzung von erneuerbaren Energien der einzige Weg in die Zukunft. Davon sind die Macher des Projekts überzeugt. Erste Hybrid- und Elektroschiffe bereits in der Großschifffahrt im Einsatz. Oder sie werden derzeit im größeren Stil gebaut. Wir haben darüber im Artikel Dicke Pötte unter Strom berichtet.
Wasserstoff, das am häufigsten vorkommende chemische Element auf der Erde, hat großes Potenzial als zukünftiger Energieträger. Auf Fähren mit klar definierter Strecke ist die Großschiff-Fahrt per Brennstoffzelle schon in Planung. Für die weltweite Fahrt ist es Neuland.
Wasserstoff enthält bis zu dreimal mehr Energie pro Masseeinheit als Diesel und zweieinhalbmal mehr als Erdgas. In der Brennstoffzelle kommt Wasserstoff mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft in Verbindung. Es wandelt die im Wasserstoff gespeicherte Energie in Elektrizität um, die dann einen Elektromotor antreibt. Als „Rückstand“ entweicht lediglich Wasser.

Derzeit ist für die Gewinnung von Wasserstoff noch ein Extraktionsverfahren mit fossilen Brennstoffen erforderlich. Aber viele forschen eifrig an neuen Herstellungsmethoden. Eine davon wird in der Hydrosol Plant in Almeria entwickelt. Wissenschaftler verwandeln hier Sonnenenergie in Wasserstoff. In diesem Forschungs- und Entwicklungskontext verortet sich auch das Projekt Energy Observer. Als „Labor für Zukunftsenergien“ wollen die Forscher die Leistungsfähigkeit von Wasserstoff nachweisen. Auf ihrer Reise wollen sie zeigen, dass Energieautonomie möglich ist.

Brennstoffzellen werden an Bord gefüllt
Das Besondere: Die acht Wasserstofftanks des „Energiebeobachters“ werden nicht an Land nachgefüllt. Der Wasserstoff wird mit Hilfe von selbst produziertem Solarstrom und einer bordeigenen Meerwasser-Entsalzungsanlage direkt aus dem Meer gewonnen. Der so gewonnene Wasserstoff wird mit 350 Bar Druck in die Tanks gepresst.
Bei fehlendem Sonnenlicht dient der Wasserstoff dann als Energiequelle. Damit können zwei Lithium-Ionen-Batterien mit 400 Volt Spannung das Boot antreiben. Der Antrieb des Katamarans selbst erfolgt – wie auch beim Hybridsystem Deep Blue von Torqeedo – durch einen Elektromotor. Der Motor wird beim Energy Observer mit Strom aus Solarzellen, Windturbinen oder über die Brennstoffzelle betrieben.

Der Energie-Kat der Zukunft
Mehr als 50 französische Aktivisten haben mitgewirkt, um den Energy Observer in ein Schiff der Zukunft zu verwandeln: Navigatoren, Schiffsarchitekten, Ingenieure und Designer haben den 1983 gebauten Sport-Katamaran für das Projekt aus- und umgerüstet.
Mit Ihrer Reise wollen die beiden Franzosen Alternativen auch für die Energieversorgung an Land aufzeigen. Das Boot sei ein Modell für die vernetzte Energie der Zukunft. „Auf dem Meer an Bord der Energy Observer brauchen wir genauso viel Sonne wie wir Wind, Batteriestrom und Wasserstoff benötigen“, sagt Initiator und Kapitän Victorien Erussard. An Land sei die Situation nach seiner Überzeugung ganz ähnlich. „Energie- und Speichersysteme ergänzen sich gegenseitig. Wir müssen lernen, wie sie zusammen funktionieren.“ Es gebe keine Universallösung angesichts des Klimawandels, sondern „viele verschiedene Möglichkeiten“.
101 Stopps bis 2023 geplant
Seit ihrem Start Ende Juni im französischen Saint Malo, wo die beiden Projektleiter leben, hat die Energy Observer bereits fast 9.000 Seemeilen zurückgelegt. 50 Länder sollen es im Lauf der nächsten fünf Jahre noch werden. Insgesamt 101 Stopps wollen Erussard und Delafosse einlegen und dabei ihr Projekt der interessierten Öffentlichkeit präsentieren. Vom Mittelmeer geht es 2019 weiter nach Nordeuropa. Und von dort aus führt der Weg brennstofffrei nach Amerika, Asien und Afrika.
Mit dem Tracker lässt sich die genaue Position des Energy Observers abrufen.