In der Plöner Segelschule hängen Kleinode der Bootsbaukunst unter der Decke – aber unserem Bootsschnüffler Michael Krieg sind sie nicht entgangen. Die Eiderjollen hätten das Zeug zur Antiquität. Die geplankten Mahagoniboote sind Zeugnisse der späten Holzbaukunst, so edel wie selten. Es bräuchte nur zupackende Geister, um sie wieder in ihr Element zu bringen.
Der Segellehrer und ehemalige Marine-Ausbilder Werner Braunert ist einer dieser Geister, der noch heute eine Eiderjolle segelt, die „Jule“. Sein Exemplar „ist beste Qualitätsware“, ist er überzeugt. Keine Frage, die Jolle ist sauber gebaut, es wurde bestes Mahagoni eingesetzt, nichts ist gepfuscht, die Planken sind exakt genietet. Das gilt sicher auch für die Einheiten, die noch unter dem Hallendach der Segelschule gelagert sind.

Ursprünglich wurden die Eiderjollen als Schulungsboote konzipiert. Aufwendig genietete und geklinkerte Jollen in einem Segelschulbetrieb? Die Zeit, als diese im Einsatz waren, so sollte man meinen, müsste lange zurückliegen. Gebaut, wenn schon nicht aus der Vorkriegszeit, dann aber zumindest aus den 1950er- oder allenfalls frühen 1960er-Jahren. Weit gefehlt, wie der Kaufvertrag für zwei der Jollen verrät – datiert auf 1972 und 1973. Kaum zu glauben, sind diese noch bestellt und gebaut worden, als die meisten Rümpfe anderer Jollenklassen längst in Kunststoff hergestellt wurden oder auch in formverleimter Bauweise. Ihre ersten Eiderjollen hat die Segelschule 1969 erhalten.
Vorbild Rettungsboot?
Den Auftrag vergab Heinz Wiederich, der Gründer der Plöner Segelschule, an die Husumer Werft von Hans Kröger. Heinz Wiederich kannte den Besitzer noch aus Vorkriegszeiten. Der Name Eiderjolle ist weder geschützt noch einer bestimmten Revierklasse zuzuordnen. Nun musste man dem Kind ja einen Namen geben. Da bot es sich wohl an, die lediglich 4,95 Meter langen und 1,83 Meter breiten geklinkerten Jollen mit Bermuda-Takelung nach der nahe gelegenen Eider zu benennen.


Beim Entwurf der Schulungs-Jolle orientierte sich die Werft möglicherweise an gängigen Rettungsbooten. Der Vergleich mit einem im „Schifffahrtsmuseum Nordfriesland“ in Husum ausgestellten, etwas kürzeren Rettungsboot legt das nahe. Das Rettungsboot wurde allerdings nicht in Husum gebaut. Denkbar ist aber auch, dass man sich an einem in der Segelschule schon vorhandenen geklinkerten Boot ausgerichtet hat. Es ist circa 15 Jahre älter als die Eiderjollen, im achteren Bereich voluminöser gebaut und stammt von der Scharstein-Werft in Strande bei Kiel.
Klinkerbauweise
Bei der Klinkerbauweise werden die Planken nicht Kante an Kante, sondern dachziegelförmig überlappend gefertigt. Dabei überlappt jeweils die obere Planke die untere. Die freie Kante wird bei jeder bereits verlegten Planke etwas angeschrägt. So liegt die nächstfolgende Planke besser an. Die vergrößerte Kontaktfläche verleiht dem Klinkerrumpf viel Stabilität und Dichtigkeit. Die Planken werden untereinander vernietet.

Eingebogen sind bei der Eiderjolle kräftige Spanten aus Eiche mit angepasster treppenförmiger Aussparung. Nach längerer Zeit des Trockenliegens sind diese Boote übrigens schneller wieder dicht, wenn sie ins Wasser kommen als kraweelbeplankte Boote. Im Winter verschieben sich die Planken beim Trocknen lediglich etwas untereinander und es öffnet sich keine Fuge. Ein Grund, warum man früher vor allem Rettungsboote so baute – und halt auch diese Schulungsboote. Die Klinkerbauweise ist auch hydrodynamisch interessant. Man erreicht durch die längsschiffs verlaufenden Kanten, die die überlappenden Planken bilden, ein erhöhtes Maß an Seitenführung.

Von den Segeleigenschaften seiner Jule ist Werner Braunert ganz begeistert. „Sie kann einen guten Stiefel Wind vertragen, ist aber trotzdem gutmütig. Kein Renner, aber ein munteres Boot. Es macht Spaß, damit zu segeln. Es ist recht steif, man muss sich schon Mühe geben, damit umzukippen. Sie ist halt als Schuljolle gebaut worden …“ Aber sie ist schmuck wie eine Kaiseryacht – nur in der Bonsai-Version.