Die Marke Delphia ist wieder da, im grünen Gewand. Zu verdanken ist die Gestaltwandlung der einst polnischen Werft dem niederländischen Jeanneau-Manager Martin Schemkes. Er überzeugte den Konzernvorstand, dass eine eigene Marke für reine Verdrängerboote ein kluger und zukunftsweisender Schritt sei.
Nun hat man die lange gehütete Marke entstaubt und präsentiert sie wie Phönix aus der Asche. Delphia soll zukünftig das Zugpferd für „Mindful Cruising“ sein – sinngemäß für achtsames Reisen.

Hinter diesem Orakel von Delphia steckt – natürlich – Nachhaltigkeit und eine Serie von Verdränger-Booten mit Elektroantrieb. Richtig gelesen: Es geht um (während der Fahrt) emissionsfreie Fahrtenyachten für küstennahe und Binnen-Törns. Mit einer Länge zwischen 9 und 13 Metern sind sie familientauglich. Und ihr Antrieb von Torqeedo soll entspannte und zugleich umweltbewusste Reisen ermöglichen.
Den Anfang macht die Delphia 11, die wir im Frühjahr 2022 in den Niederlanden fahren. Nur ein halbes Jahr später, am 31. August 2022, stellt die Werft – wiederum in den Niederlanden, am Eröffnungstag der Hiswa Inwater Boat Show in Lelystad – die etwas kürzere Delphia 10 Sedan als Weltpremiere vor. Und weiteres Modell soll in Kürze folgen, dazu aber später mehr.
Ab 2024 rein elektrisch

Aus diesem Grund hat Schemkes bereits Gespräche mit der niederländischen Provinz Friesland aufgenommen. Er glaubt, dass das Angebot von Ladestrom an den Wasserstraßen für sie attraktiv ist. Auch bei Seijsener Recreatietechniek in Zaandam fand der langjährige Jeanneau-Manager ein offenes Ohr. Hier geht es um die Entwicklung und Installation von Schnellladesystemen. Alles in allem bedeutet Mindful Cruising viel mehr, als eine Serie elektrisch betriebener Motorboote auf den Markt zu bringen.
Zurück zur Delphia 11, dem ersten Bootsmodell der neuen Marke. Es ist als geschlossene Sedan mit Innensteuerstand und als Flylounge mit Außensteuerstand auf dem Oberdeck erhältlich. Für beide sind natürlich diverse Ausstattungsvarianten verfügbar. Eine Version wird mit drei Kojen angeboten, die ganz auf den Chartermarkt ausgerichtet ist.
Mit Deep Blue oder Diesel
Je nach Einsatzzweck bietet die Werft drei Varianten unter den Bezeichnungen Life, Cruise und Rapid an. Sie unterscheiden sich in der Batteriegröße (40 kWh oder 80 kWh) und bei der Ladegeschwindigkeit. Auch eine Variante mit Dieselmotor von Yanmar mit 57, 110 oder 150 PS ist erhältlich. Das lässt die Prognose von Martin Schemkes noch ein wenig hypothetischer erscheinen.

Unser Test zerstreut jeden aufkommenden Zweifel. Er findet im malerischen Städtchen Makkum in der niederländischen Provinz Friesland statt. Hier hat der Delphia-Händler Tornado Sailing sowohl eine Delphia 11 Sedan als auch eine Delphia 11 Flylounge für uns vorbereitet. Der Einfachheit halber konzentrieren wir uns in diesem Test auf die Sedan. Sie ist mit einer Brücken-Durchfahrtshöhe von nur 2,75 Metern am besten für lange Fahrten auf Binnengewässern geeignet.
Die von float gefahrene Yacht ist eine der ersten Baunummern. Sie war eigentlich für die Weltpremiere auf der boot Düsseldorf 2022 vorgesehen und ist daher mit allen erdenklichen Extras ausgestattet. Es gibt deshalb eine große Glasscheibe im Salonboden, die den Blick auf die leistungsstarke Torqeedo Deep Blue-Antriebsquelle und die dazugehörige Technik freigibt. Natürlich nur in dieser Version und leider nicht serienmäßig.
Feinste Fertigungsqualität
Das Design und das Finishing können sich sehen lassen. Tony Castro Yacht Design, langjähriger Gestalter für Delphia, war auch für dieses Layout verantwortlich. Das Rumpfdesign ist auf elektrisches Fahren ausgelegt. Daher soll das 11-Meter-Boot eine besonders gute Kursstabilität bei niedrigen Geschwindigkeiten haben. Das wird die spätere Testfahrt noch zeigen.

Von außen fallen sofort die großen, dunkel getönten Fenster im Salon ins Auge. Sie sind zur Vermeidung von Spiegelungen komplett vertikal angeordnet. Im Achterbereich schließt der Salon mit einer großen durchgehenden Schiebetür ab. Das Layout wirkt sachlich und modern.
Viele Räume an Bord
Um das Reisen möglichst bequem und für alle Altersgruppen gut handhabbar zu machen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, an Bord zu gehen – je nach Steganlage. Erstens mit gutem Durchstieg über den Bug, zweitens über die Badeplattform an Steuer- oder Backbord. Oder sehr bequem über eine Seitentür an Steuerbord, wo sich auch die Tür zum Fahrerstand befindet. Das ist Anlegen leicht gemacht.
Fangen wir am Heck an: Fahrräder sind ein Muss in den Niederlanden und auch in Deutschland eine tolle Ergänzung beim Reisen zu Wasser. Delphia Yachts hat dafür eine Halterung auf der Badeplattform angebracht, an der man seine (elektrischen) Fahrräder, passend zum Boot, einfach befestigen kann.
Im Achterbereich ist die U-förmige Sitzbank am Heck ein schöner Aufenthaltsort. Hier weht der Wind nur wenig während der Fahrt, und man hat das gesamte Schiff und die Umgebung gut im Blick. Fast das gesamte Achterdeck ist überdacht und kann bei Regen durch eine Persenning geschlossen werden. Sie ist hinter Plexiglastüren im Holm direkt griffbereit.


Wer von achtern zum Bug oder zurück geht, freut sich über eine breite Gangway und den soliden Handlauf aus Edelstahl. Der gibt entlang dem Salondach Halt. Vorbei am Steuerstand – praktisch mit Schiebetür! – steigen wir drei Stufen hoch und betreten das Vorschiff mit der üppig dimensionierten Sonnenliege. Zurück geht es wahlweise auch an Backbord.
Ein Floating Office als Option
Der Innenraum ist ebenso traditionell wie funktional eingerichtet. Es gibt ein bequemes Sofa auf der Backbordseite. Es bietet durch die umlaufenden Fenster uneingeschränkten Blick auf die Umgebung. Gegenüber an Steuerbord befindet sich die gut ausgestattete Pantry mit Schiebefenstern.
Davor liegt der Steuerstand. Der Platz zwischen dem großen Steuerrad und der Steuerbank könnte breiter sein. In der Praxis passen dort nur eineinhalb Personen nebeneinander. Das Armaturenbrett ist übersichtlich und alle wichtigen Bedienelemente befinden sich in Reichweite. Über den Niedergang geht es in die Schlafräume und zum Bad.

Die Delphia 11 kann auf der Backbordseite mit einem kleinen Büro oder einer Doppelkabine ausgestattet werden. Im Vorschiffsbereich ist die Eignerkabine, die größenmäßig vom breiten Bug profitiert. Die Vorschiffskajüte kann auch in zwei separate Kabinen unterteilt geordert werden. Folgerichtig ist die Zwei-Kabinen-Version entweder mit einer oder zwei Nasszellen lieferbar.
Kursstabil auch bei Bummelfahrt
Vom Steg schnurren wir im Konvoi mit drei Delphia-D11-Modellen quer durch das Zentrum von Makkum. Es geht für uns in Richtung des ebenso malerischen Allingawier. Dabei müssen wir mehrere Brücken und eine Schleuse passieren – ideale Bedingungen, um eine solche Binnenyacht zu testen. Und natürlich eckt die Delphia 11 nirgendwo an.

Bemerkenswert ist die hervorragende Kursstabilität bei minimalen Geschwindigkeiten. Auch beim Manövrieren im engen Schleusen- und Hafenbereich kommen wir gut herum. Die Bug- und Heckstrahlruder von Side Power vervollständigen das Gefühl von Leichtigkeit bei der Bedienung. Nur das Geräusch der Seitendüsen ist auf einer ansonsten geräuschlosen Yacht geradezu störend. Wir würden hier lieber die leisen und proportional steuerbaren Vetus-Pro-Strahler sehen.
Die Torqeedo-Doppelsteuerung fühlt sich ergonomisch angenehm an und lässt sich präzise steuern. Die Rundumsicht am Steuerstand ist hervorragend. Und mit Hilfe der Schiebetür an Steuerbord lässt sich die Motoryacht noch leichter manövrieren.

Dank des effizienten, auf Elektroantrieb ausgelegten Rumpfs braucht man sich auch mit dem kleinsten Akku keine Reichweiten-Sorgen zu machen. Und Tatsache ist, dass die reale Höchstgeschwindigkeit auf Binnengewässern in der Regel ohnehin nur bei sechs bis neun km/h liegt.
Mit den größeren Akkus ergibt sich eine Reichweite von 80 km oder zehn Stunden bei 4,3 Knoten. Die Akkus können über Nacht mit einem Standard-16A-Landstromanschluss aufgeladen werden. Mit dem Schnelllader können die Batterien in drei Stunden auf 80 % aufgeladen werden.
Technische Daten Delphia 11 Sedan
Länge: 10,77 m
Breite: 3,85 m
Tiefgang: 0,80 m
Gewicht: 6.815 kg
Kojen: 2 Standard, optional 4 oder 6
Motorisierung: Torqeedo Deep Blue mit 55 kW Leistung (80 PS)
Batterie: Lithium-Akkus BMW i3, 360 V, mit 80 kWh Kapazität
CE-Kategorie: B (küstenferne Gewässer)
Maximale Passagierzahl: 14 Personen
Preis: ab 320.529 Euro
Sechs Solarpaneele auf dem Dach
In den Niederlanden arbeiten zahlreiche Häfen an der elektrischen Infrastruktur, damit zukünftige Delphia-Eigner ihre Batterien am Steg schnell und einfach wieder aufladen können. Ein bisschen weniger Strom benötigen sie, weil sechs Solarpaneele auf dem Dach installiert sind. Sie erzeugen zusammen 690 Watt für den Hausgebrauch. Das kompensiert zwar keinen Ladestopp, unterstützt aber das Aufladen beim Ankern und unterwegs.

Dem Team von Delphia Yachts ist es gelungen, mit der Delphia 11 eine ansprechend gestaltete Verdrängeryacht auf den Markt zu bringen. Es ist ein geräumiges Boot, das sich perfekt dafür eignet, um die Binnengewässer Europas in aller Ruhe zu erkunden.
Eine Werft mit Geschichte
Delphia ist in der Bootswelt ganz gut herumgekommen. 1990 von den Brüdern Pjotr und Wojciech Kot gegründet, entwickelte sich die Werft schnell zu Polens größtem Segelboot-Hersteller. 2012 erwarb das Familienunternehmen sogar die schwedische Maxi-Werft und startete den Motoryacht-Bau. Schnell gewann man hierfür externe Auftraggeber, darunter auch den Beneteau-Konzern.
Mit der Premiere der Delphia BluEscape 1200 mischte die Werft 2017 das Segment der Charter- und Wanderboote für Binnengewässer ordentlich auf, gewann sogar den Best of Boats Award. Doch anstelle des Generationenwechsels verkauften die Gründer 2018 die Werft an ihren langjährigen Partner Beneteau aus Frankreich. Lange war, mit den verbliebenen drei Modellen, seitdem Ruhe.
In Deutschland bieten mehrere Händler die neue Delphia-Baureihe an, unter anderem Gründl aus Bönningstedt bei Hamburg.
Größere Version kommt
Auch eine 12-Meter-Version ist bereits angekündigt. Die Werft hat gut daran getan, mehrere Einrichtungs-Optionen anzubieten. Bei der Wahl der Bug- und Heckstrahlruder sehen wir allerdings noch Verbesserungspotenzial.
Der Einstiegspreis ist attraktiv. Man legt aber schnell etwas drauf, vor allem dann, wenn man eine größere Batterie oder Ladekapazität wählt. Andererseits garantiert der Elektroantrieb deutlich geringere Wartungskosten. Denn Torqeedo bietet neun Jahre Garantie auf die Leistung der i3-Batterie. Und schlussendlich profitiert davon auch die Umwelt. Damit sollte man an Bord der Delphia 11 ordentlich weit herumkommen.