Wenn erwachsene Männer Tränen in den Augen haben, dann muss schon etwas Besonderes passieren. An diesem Samstag in Flensburg ist offenbar nicht die frische Brise schuld daran, dass der eine oder andere zwinkern muss. Es ist der pfeilspitze Bug, der sich da aus der Halle schiebt. „Ergreifend schön“, findet das einer der etwa 200 Gäste. Da ist er bestimmt nicht allein.
Zum Quäken zweier Dudelsäcke kommt gegen 10 Uhr auf der Werft Robbe & Berking Classics der klassisch geschnittene Rumpf mit weißem Unterwasserschiff und darüberliegendem Tartan-Muster ans Licht der Welt: die Jenetta, eine 12mR Segelyacht aus der Feder des schottischen Yachtkonstrukteurs Alfred Mylne.
„Ein großer Tag für unsere ganze Werft“
Ende 2008 war sie im Pitt Lake im Westen Kanadas versunken. „Als wir davon hörten, sind wir hingereist, haben uns das Wrack durch die Taucherbrille erst einmal angeschaut. Wir haben ein paar Fotos unter Wasser gemacht und uns am Ende entschlossen, es zu bergen“, erzählt Werfteigner Oliver Berking im Gespräch mit float. „Dann haben wir sie nach Flensburg gebracht, neue Eigner gesucht, die Yacht restauriert und heute vom Stapel laufen lassen.“
Was so schnell erzählt ist, dauerte im Detail 20.000 Arbeitsstunden. Doch natürlich geht es nicht einfach um Arbeit – wenn Stück für Stück in Zeitlupe so ein Stück Geschichte wiederbelebt wird, dann geht das ans Herz; spätestens wenn alles fertig ist.
„Ich habe vorhin in die Augen meiner Werftmitarbeiter, der Bootsbauerinnen und Bootsbauer, die bei Robbe & Berking arbeiten, geguckt und ich habe diverse Tränen gesehen“, erzählt der Werftchef später float. Er fügt hinzu: „Das ist ein großer Tag für unsere ganze Werft.“
Einige Ansprachen später bewegt sich die elegante Yacht, wiederum begleitet von den Dudelsackspielern, in Richtung Wasser. Auf dem Gelände des Industriehafens steht ein 40-Tonnen-Kran bereit, um das Boot in sein Element zu hieven. Kein klassischer Stapellauf, aber ebenso feierlich.
„Ein erhebendes Gefühl. Ich freue mich unheimlich“, sagt Sven Dose, einer der drei Eigner, im Gespräch mit float, während die Jenetta für das Kranen vorbereitet wird. Die Form der klassische Yachten sei es, die ihn begeistere, auch wenn eine solche Yacht, wie er zugibt, nicht gerade ein Familienboot ist.
Man braucht 15 Mann an Deck
Alleine hätte er sie auch nicht kaufen wollen, „weil mir der Aufwand zu groß wäre“, sagt er. „Die größte Aufgabe ist nachher, dieses Schiff zu segeln. Da braucht man eben 15 Mann an Deck, und man braucht gute Segler, weil auf diesem Schiff auch extreme Kräfte entstehen. Da muss jeder Handgriff gut sitzen. Ganz alleine würde ich das nicht machen.“