Da liegt sie nun im Hamburger City-Sporthafen, die mit Spannung erwartete neue Bente 39. Immer noch nicht ganz fertig, aber segelbar. Es ist das zweite Modell der „jungen Wilden“ um Yachtkonstrukteur Alexander Vrolijk, die schon mit der kleineren Bente 24 einen beachtlichen Erfolg erzielen konnten. Der Prototyp des neuen Modells wurde erst unmittelbar zuvor von Polen über die Ostsee und den Nord-Ostsee-Kanal zur Hamburg Boat Show gesegelt.
Kaum zu glauben, dass das Schiff bis wenige Tage vor Messebeginn noch hoch und trocken beim Yachtservice in Stettin lag. Dort werden die Rümpfe in einer riesigen alten U-Boot-Halle im Vakuum-Infusionsverfahren hergestellt.
Letzte Arbeiten an Bord
„Wir waren in Polen am letzten Tag mit 18 Leuten gleichzeitig an Bord zugange. Zehn an Deck, sieben Mann unter Deck, und der Werftchef hängt kopfüber drin. Das war schon aufregend.“ erzählt Alexander Vrolijk, Ingenieur und Geschäftsführer von Bente Yachts. „Jeden Tag wurde bis ein Uhr nachts gearbeitet. Und das Wetter hat zum Glück auch mitgespielt.“
Jetzt können sie die Bente 39 zur Hamburg Boat Show im Wasser präsentieren – auch wenn es am ersten Messetag noch recht turbulent an Bord zugeht. Es wird abgeklebt, geputzt, aufgeräumt und noch an der Elektrik gearbeitet. Einige fehlende Sika-Nähte werden gesetzt und Systeme kalibriert. Jemand hat Brötchen geholt, gefrühstückt wird quasi im Vorbeigehen. Die Zeit drängt, bis die ersten Gäste das Deck betreten.
Ganz anders als Großserie
Was macht dieses Boot so besonders, das da frisch geschlüpft am Steg liegt? Schon die äußere Erscheinung ist ganz anders als die ein paar Plätze entfernt liegende schwere Fahrtenyacht aus der Serienproduktion eines Großanbieters.
Wir fragen uns manchmal, ob die Leute vielleicht nicht genug Mut haben.
„Ich habe immer das Gefühl, dass in der Yachtbauszene täglich das Murmeltier grüßt. Da macht man mal das Cockpit ein bisschen anders. Vielleicht eine neue Farbe. Klar sind das alles zeitlose tolle Boote. Aber dass mal ein neues Bootskonzept entsteht, wo jemand ein paar schlaue, witzige Ideen verwirklicht – bislang Fehlanzeige. Wir fragen uns manchmal, ob die Leute vielleicht nicht genug Mut haben.“
Bente Yachts will kühn sein, will woanders hin: „Eher in die Richtung einer schnellen Class 40 französischer Bauart, mit zusätzlichem Wohnkomfort. Das jedenfalls ist unser Anspruch.“ Ein durchaus selbstbewusster Anspruch, der in Sachen Design und Performance auf eine Klientel zielt, die auch die schnellen, französischen Pogo-Yachten oder die von Jean-Pierre Kelbert konstruierten JPK-Yachten kaufen würde.
Bewährtes neu interpretiert
Das riesige Cockpit der Bente 39 besteht aus zwei Bereichen: Im hinteren, tieferen Teil sitzt und steht man sicher. Für die Position am Steuer gibt es eine klappbare Stufe, so dass man 45 Zentimeter höher steht und hier einen perfekt freien Blick hat. Das Cockpit geht vorn in ein festes, transparentes Deckshaus über, das von den Bente-Machern Dodger genannt wird. Das ist als markantes Merkmal schon von der kleineren Bente her bekannt.
Im Dodger kann man wie in einem Pilothouse stehen und steuern – für Vrolijk ein altes Konzept, das hier aber völlig neu interpretiert wird. Der „Geckositz“ genannte Innensteuerstand bietet durch die transparente Konstruktion einen perfekten Rundumblick, selbst nach oben ins Profil des Großsegels. Von hier aus ist die komplette Bordelektrik erreichbar. Integriert ist ein Kartentisch mit Autopilot, Kartenplotter und kleinem Joystick zum Steuern. Zukünftig soll von dieser Position aus selbst das Vorsegel mittels eines elektronischen Winsch-Systems bedient werden können.
Möbel aus nachhaltigem Material
Der Dodger geht nahtlos über in die Innenkabine, das transparente Dach überwölbt wie eine Kanzel fast den kompletten Salon. Die Inneneinrichtung ist vollständig von Green Boats in Bremen gebaut. Dort wird auch die aus nachhaltigen Materialien gefertigte Öko-Variante der Bente 24, die Green Bente, gefertigt. Die Möbel bestehen aus Biocomposit. Das Interieur ist hell und freundlich gehalten. Es fällt im Vergleich zu herkömmlichen Fahrtenyachten bewusst etwas minimalistischer aus.
Das ein oder andere praktische Detail macht das Bordleben komfortabler: Wegen des großen Glasdachs gibt es eine Klimaanlage und – den klimatischen Gegebenheiten auf dem Mittelmeer geschuldet – gleich zwei Kühlschränke. Die Lichtschalter leuchten dezent. So werden sie auch von Crewmitgliedern gefunden, die im Dunkeln kaum etwas sehen. In der Nasszelle haben die Konstrukteure alle Oberflächen mittels Nano-Beschichtung besonders pflegeleicht gemacht: Das Wasser perlt einfach ab.
Die Vorschiffskoje – Vrolijk nennt sie Hafenkoje – ist für zwei Personen ausreichend groß bemessen. Sie bietet so gerade eben genug Standhöhe zum Umziehen. Aus Platz- und Gewichtsgründen wurde auf eine Deckenverkleidung verzichtet und die Fläche lediglich verspachtelt und lackiert. So wie fast alle Wand- und Deckenflächen an Bord. Auch wenn Vrolijk so gar kein Freund von Fenstern im Rumpf ist, wie er sagt, hat die Vorschiffskabine derer zwei. „Damit man sich nicht vorkommt wie in der Segellast.“ Auch der Salon hat seitliche Fenster.
In der Seekoje nah am Geschehen
An der kleinen Pantry vorbei gelangt man, um den Innensteuerstand herum, zur achterlichen „Seekoje“. Dies ist die zweite Doppelkabine, von der aus man eine Luke zum Cockpit öffnen kann. Unter Fahrt kann diese Koje von der jeweiligen Freiwache genutzt werden. Hier kriegt der verantwortliche Skipper immer mit, was gerade im Cockpit passiert.
Diese Koje bietet eine weitere Besonderheit: Am Kopfende hat man viel Luft nach oben und kann dank der schrägen Außenwand bequem angelehnt sitzen und lesen. Zum Schlafen rutscht man dann einfach etwas tiefer. Obwohl mit dem verfügbaren Platz allenthalben sparsam umgegangen wird, lassen solche Konstruktionsdetails einiges an Komfort zu.
Volumenbomber, schwimmende Dixiklos, das hat für mich nicht mehr so viel mit sportlichem Segeln zu tun. Für mich als Segler muss ein Boot auch gut aussehen.
Die Bente 39 wird als Semi-Custom-Boot angeboten. Alle sieben bisher bestellten Einheiten werden in den Details unterschiedlich ausfallen. Durch das Höhersetzen des Cockpitbodens oder das Niedrigersetzen des Salonbodens zum Beispiel lässt sich an bestimmten Stellen Raumhöhe gewinnen. Diese Variabilität in der Konstruktion ist möglich, weil von jedem Bauteil unterschiedliche Formsatz hergestellt wurde.
Vom Material nur das Beste
Hinsichtlich der Bootsperformance haben die Bente-Konstrukteure aus dem Vollen geschöpft und bei der Materialqualität nicht gespart. Das neue Modell ist mit seinem Gewicht von 6,5 Tonnen ein relativ leichtes Boot für ein 39-Fuß-Schiff. Davon entfallen allein 2,5 Tonnen auf den Kielballast. Gebaut wird die Bente 39 im Vakuum-Infusionsverfahren.
Der Dodger ist eine komplett freitragende Kohlefaserstruktur mit Scheiben aus 12 Millimeter starkem Macrolon, die 3,5 Tonnen Wasserlast aushalten und so die CE-Kategorie A für den Hochsee-Einsatz erfüllen. Ein Novum ist der vergleichsweise lange Bugspriet, den die Firma Green Boats aus Flachfasern hergestellt hat. Dieses Leichtgewicht muss seine Segeltauglichkeit noch unter Beweis stellen.
Der Mast des Prototyps besteht aus Kohlefasern und ist mittels eines Lümmellager-Beschlags aus Aluminium direkt auf dem Deck befestigt. Der große Vorteil: So bleibt der Rumpf an dieser Stelle 100 % wasserdicht. Auch wenn die Segelperformance ein wenig darunter leidet, dass der Mast nicht im Deck versenkt ist.
Der Prototyp ist mit einem 3D-Holepunktsystem mit Innen- sowie Außen-Barberholer ausgestattet. Aber auch eine Charterboot-Variante mit Schienen, normalen Spinlock-Klemmen und Alumast wurde bereits geordert. Am ausgestellten Boot sind ein Squaretop-Großsegel, eine große Fock und ein Staysail angeschlagen. Ein Gennaker und ein Code Zero zur Montage am Bugspriet liegen bereit.
Schnell segeln auf langen Strecken
Sportlich up and down zu segeln ist nicht das, was Vrolijk für die Bente 39 im Sinn hat: „Dieses Boot ist für große Sommertörns bestimmt, für schönes Langstreckensegeln, eher mit Raumschotskursen. Und da wendest Du zwei Wochen lang nicht. Aber Du bist mit Dampf unterwegs. Mit richtig Dampf. Dafür hat dieses Boot das richtige Feuer.“
Ein fest verbauter, schwerer Anker am Bug mit starker Winsch und Kettenkasten ist dafür da, dass die Bente 39 dann an ihrem Zielort vor Anker liegen kann. Auf ein Bugstrahlruder wollten die Konstrukteure ebenfalls nicht verzichten. Das ist für ein Boot dieser Größe eher ungewöhnlich. Die Erklärung dafür ist einfach: Fährt das leichte Boot langsamer als zwei Knoten, ist es schwer steuerbar. Mit dem starken Bugstrahlruder allerdings lässt es sich ohne Kontrollverlust rückwärts an den Steg manövrieren.
Was kostet Individualität?
Die Macher der Bente sind überzeugt, dass es in Deutschland einen Markt für gute Semi-Custom-Boote gibt, die der Eigner individualisieren kann. Die Bente 39 wird in diesem Segment nicht die günstigste Yacht sein, aber wohl auch nicht die teuerste. Der Grundpreis ohne Steuern liegt momentan noch bei etwa 150.000 Euro. Mit der in Hamburg gezeigten hochwertigen Ausstattung der Baunummer 1 landet man schon eher bei einer Summe von 300.000 Euro – inklusive Mehrwertsteuer.
Ich verlasse die Yacht mit dem sicheren Eindruck, dass auch dieses zweite Bente-Projekt ein Erfolg werden wird.
Technische Daten Bente 39
Länge über alles: 11,99 m
Breite: 4.05 m
Tiefgang: 1,95 m (Standard, Performance 2,55 m, Schwenkiel 1,20/2,80 m
Gewicht: 6.575 kg
Besegelung: 96 qm (am Wind), 194 qm (vorm Wind)
CE-Kategorie: A (Hochsee)
Datenblatt als PDF auf der Werft-Website