Ein nautischer Kellerfund: Von der bewegten Geschichte der historischen Holzjolle „Windspiel“ in Plön hat float kürzlich berichtet unter dem Titel: Das Boot, das 66 Jahre im Keller lag. Die Jolle wurde als Kriegsbeute 1945 von englischen Soldaten beschlagnahmt und anschließend von den deutschen Eignern bei Nacht und Nebel zurückgeholt. Nach Jahrzehnten hatte der Plöner Karl-Heinz Knobbe (89) Anfang Dezember 2021 das Boot im Keller unter der Hochterrasse wiederentdeckt.
Nun hat die „Windspiel“ neue Besitzer. Sie wollen das Boot fachgerecht restaurieren – und baten mich, als Experten für klassische Jollen mehr über den Ursprung des Bootes herauszufinden. Mehrmals tauchte insbesondere die Frage auf, ob es sich eventuell um eine alte H-Jolle handelt. Der Befund war nach dem Ortstermin schnell gemacht – und negativ. Schon die Länge des Boots von 7,10 Metern schloss diese Vermutung aus.
Ob es sich bei dem Kellerfund eher um eine 15er- oder gar 20er-Rennjolle handelt, war zunächst nicht herauszufinden. Dazu fehlten zu viele Daten: neben dem tatsächlichen Baujahr auch die zugrundeliegenden Baubestimmungen von Rennjollen jener Zeit. Hilfreich für die Bestimmung einer historischen Jolle ist unter anderem die Größe der Segel, weil diese zumeist von den jeweiligen Klassenvereinigungen klar definiert wurden. Aber bei meinem ersten Ortstermin waren die Segel nicht zugänglich.
Gebaut in Lübeck
Was aber zu sehen war: das am Achterschapp angebrachte Messingschild. Ein Lübecker Tischler hatte die Windspiel gebaut. Wann und nach welchen Plänen? Das ist leider nicht mehr zu ermitteln. Der erste Besitzer war wohl der Plöner Kurt Remien. Er besaß ein Kaufhaus, das heute nicht mehr existiert. 1937 verkaufte Remien sein Boot an die späteren Schwiegereltern von Karl-Heinz Knobbe. Den Kaufvertrag gibt es noch, von ihm unterzeichnet.

Dann beginnt das Detektivspiel für mich. Ich durchstöbere mein Archiv – und Bingo! Die erste Spur: In der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Plöner Segler-Vereins taucht zweimal der Name Windspiel auf. Aber mit ganz anderen Besitzern! Bei den Regattaergebnissen im Plöner Tageblatt von 1928 wird „Windspiel“ von einem Herrn Köck geskippert. Erst zehn Jahre später, 1938, taucht der Bootsname wiederum in einer Ergebnisliste auf. Diesmal sitzt – richtig! – Kaufmann Remien an der Pinne.
Sollte er also gar nicht der Erstbesitzer gewesen sein? Das hieße, dass die Jolle älter ist. Dann könnte Windspiel bereits in den 1920er-Jahren gebaut worden sein. Nun nehme ich das einzige vorhandene Foto unter Segel zur Hand und vergleiche den Segelriss mit denen von Rennjollen aus den späteren Jahren. Tatsächlich sieht der Stil der Segelgarderobe älter aus.
Was sagen die Segel?
Man muss das wissen, sonst fällt es einem nicht auf: Die Takelage, obwohl von den Klassenvorschriften freigestellt, war traditionell eine Steilgaffel. Das Großsegel wurde mit durchgehenden Spreizlatten bestückt. Die Windspiel ist traditionell gaffelgetakelt, das wurde auch später noch so gemacht. Allerdings „hängt“ ihre Gaffelspiere sehr deutlich, und das Großsegel ist auch nur im Toppbereich durchgelattet. Also ein 1920er-Jahre-Bau?

Da ich bei meinem ersten Besuch die Gesamtsegelflächen noch nicht ermitteln konnte, nehme ich das alte Foto in Augenschein. Es erscheint jedoch zu klein für eine 20er. Das liegt vor allem auch am Schnitt des Tuchs.