Haben Sie sich nicht auch schon mal gefragt, was dieser ganze Hype um Mega- oder Superyachten eigentlich soll? Diese mitunter monströsen in jedem Fall aber meist riesigen Segel- und Motoryachten, die sich nur eine verschwindend geringe Anzahl Menschen leisten kann und will, die mit Luxus nur so vollgestopft sind und deren jährliche Unterhaltskosten einem Lotto-Hauptgewinn gleichkommen?
Das Interesse des Wassersportbegeisterten an Megayachten liegt oftmals in nichts anderem als den Formen und Funktionen eines solchen unerreichbaren Objektes der Begierde verborgen. Denn ja, sogar als Normalverdiener kann man sich an Ästhetik, Design aber auch an technischen Features und funktionellen Leistungen in Yachten erfreuen, die man wohl niemals unterm Weihnachtsbaum wiederfinden wird. Und die sich doch so schön zur Diskussion, zum Polarisieren und gewissermaßen zum sinnlichen Genuss eignen.
Nicht zuletzt, weil in ihren Formen und ihrer angewandten Technik Trends zu erkennen sind, die vielleicht bald in Yachten und Booten auf anderem Niveau eine Rolle spielen werden. Dabei liegt es nahe, dass vor allem die Designer dieser Yachten von Rang und Namen sein sollten. Oder glauben Sie, dass die Sailing Yacht A mit einem anderen Kreateur als Philippe Starck derart polarisiert, aber auch begeistert hätte? Und Bugattis Niniette 63? Die Arrow 460 von Mercedes Benz?
Wem bei dieser Aufzählung spontan der Gedanke kommt, da fehle doch noch ein ziemlich bekanntes Designunternehmen aus der Automobilbranche, der ist in diesem Artikel richtig. Denn die Motoryacht GTT 115, der Star der diesjährigen Monaco Yacht Show, wurde von F.A. Porsche Design kreiert. Und um das gleich vorweg zu nehmen: Die Porsche-Ästheten haben mit dieser Superyacht ein weiteres Meisterstück abgeliefert!
Zählt denn Länge nicht mehr?
Die GTT 115 wurde vom monegassischen Yachtbauer Dynamiq auf Kiel gelegt und nach zweijähriger Bauzeit im Spätsommer 2017 ihrem Element übergeben.
Kurz vor der Eröffnung der MYS überführte man die Yacht in ihren fürstlichen und vorläufigen Heimathafen, wo sie seitdem die besondere Aufmerksamkeit vieler Wassersportfans genießt. Und das nicht etwa, weil sie zu den größten, längsten, teuersten oder ausgefallensten Yachten der Cote d’Azur zählt – ganz im Gegenteil: Wenn es bei einem Basis-Verkaufspreis von 12 Millionen Euro überhaupt erlaubt sein kann, dann möchte man beim Auftritt der GT 115 am liebsten von Understatement sprechen.
Denn tatsächlich ist die GT 115 „nur“ 35 Meter lang, was unter Superyachten eher einem unteren Durchschnitt entspricht. Mit diesen Maßen sei eine große Wendigkeit möglich, ohne dass man das Gefühl verliere, auf einer Superyacht unterwegs zu sein, verspricht Sergej Dobroserdov, Geschäftsführer von Dynamiq. Überhaupt wolle man „eine neue Art von Superyacht auf den Markt bringen“ wie der Dynamiq-Boss weiter beteuert. Mit ihrer abgerundeten Bilge-Rumpfform, einem separaten Antriebsgehäuse, dem speziell entwickelten Stabilisationssystem aus vier Flossenstabilisatoren und Interceptors kann sie dann als Luxusgefährt, das auch auf lange Fahrt gehen will, durchweg überzeugen.
Der schwimmende Porsche will als eine der ersten Superyachten zum einen als schnelle Cruising-Yacht für Daytrips punkten, profiliert sich aber vor allem als eine der ersten Motoryachten dieser Größenklasse, die die Hürde Atlantik-Überquerung nehmen will und wird. Was übrigens auch in der Namensgebung erkennbar ist: Porsche und Dynamiq haben das GT für Gran Turismo zwar aus dem Automobilsport übernommen, jedoch mit dem zweiten „T“ noch ein Transatlantic hinzu gesetzt.
Neuer Trend in der Branche?
Entsprechend viel Aufmerksamkeit entfällt auf den Faktor Reichweite. Bei einer Cruising-Geschwindigkeit von etwa 12-15 Knoten dürfte die GTT 115 ca. 3.400 Seemeilen weit mit einer Tankfüllung kommen. Maximal schafft die hauptsächlich von zwei MAN-Dieselmotoren angetriebene Yacht (12.594 PS) eine Geschwindigkeit von 21 Knoten. Was durchaus beeindruckend sein kann – wofür die Yacht aber nur sekundär konzipiert ist. Denn ganz offensichtlich geht es Dynamiq und F.A. Porsche auch um einen neuen Trend, den sie in der Superyacht-Branche einleiten möchten.
„Wir wollen nachhaltige Yachten für die Zukunft bauen,“ sagt Dobroserdov. Auch in einer Branche, in der üblicherweise Hunderte Liter Treibstoff für eine Stunde Fahrt verbrannt werden, macht man sich also Gedanken über die Umwelt. Deshalb wird die GTT 115 optional mit zwei 20.8 kW-Elektromotoren geliefert. Die können alternativ zum Dieselmotor betrieben werden und das Gefährt auf eine Spitzengeschwindigkeit von sechs Knoten bringen. Was einen geräuschlosen und entsprechend sanften, weil emissionsfreien bzw. coolen Auftritt etwa in ökologisch fragilen Buchten oder im Hafenbereich ermöglicht.
Dass eine Superyacht wie die GTT 115 nicht mit einem entsprechend asketischen Innenleben auftritt, ist bei der angepeilten Klientel für diesen schwimmenden Porsche naheliegend. Wenn schon „super“, dann auch „Luxus“. Entsprechend kann das Interieur fast schon als „Standard“ bezeichnet werden.
Obwohl, auf einen kleinen, aber feinen Fingerzeig in Richtung Automobilsport soll noch hingewiesen werden. Zumindest Porsche-Spezialisten werden Kissen, Rollen und Möbelbezüge auffallen, die aus dem selben Material und in den gleichen Farben wie die Sitze des Porsche 911 Targa gehalten sind.
Apropos Targa. Bereits während der Bauzeit der ersten GTT 115 wurde ein äußerer Vergleich zum legendären Porsche 911 Targa aufgestellt. Was selbst mit zusammengekniffenen Augen und einem wohlwollenden Blick auf die äußere Erscheinung des (übrigens auch vollständig in Aluminium gebauten) Schiffes nicht zweifelsfrei nachvollzogen werden kann. Doch was soll’s – die Formen sind mehr als gefällig, wenn nicht sogar zukunftsweisend, wie Roland Heller, Geschäftsführer bei Studio F.A. Porsche klarstellt.
„Superyachten haben in den seltensten Fällen ein durchgehendes Designkonzept, sondern sind vom individuellen Geschmack ihrer Auftraggeber abhängig,“ schreibt Heller in einer Pressemitteilung. „Wir haben die Yacht für zukunftsorientierte Yachtbesitzer entworfen, die die Vorteile von Geschwindigkeit, hochwertigem Design, sowie unsere Philosophie für perfekte Performance schätzen.“
Ein Anspruch, der ästhetisch wie technisch ganz offensichtlich erfüllt wird. Und damit in Zukunft nicht bald schon jede(r) mit dem nötigen Kleingeld in einer GTT 115 über die Wasser rauschen wird, hat man die Serie dieser Superyacht auf sieben Exemplare beschränkt. Die Yacht soll ein richtiges Sammlerstück werden, prognostiziert Dobroserdov.
Schließlich wurde vom Porsche Targa 911 kürzlich das millionste Exemplar ausgeliefert, obwohl man dem Wagen zu Beginn seiner Karriere kaum Massentauglichkeit zutraute. Und als Superyacht-Besitzer will man es mit der Volksnähe dann doch nicht übertreiben.
F. A. Porsches Designchef im Interview
Länge über alles: | 35 Meter / 115’ | |
Breite: | 7,1 m / 23’3’’ | |
Tiefgang: | 1,45 m / 4’9’’ | |
Verdrängung: | 198 t | |
Material: | Aluminium | |
Höchstgeschwindigkeit: | 21 kn | |
Cruising speed (85%): | 19 kn | |
Reichweite: | 3400 Seemeilen bei 10 kn | |
Verbrauch: | 52 l/h bei 9 kn / 550 l/h bei 19 kn / 720 l/h bei 21 kn | |
Dieseltank: | 24.000 l | |
Frischwasser: | 4.000 l | |
Gäste: | 6 in 3 Kabinen | |
Crew: | 6 in 3 Kabinen |