Während an Land ein Diesel-Skandal den nächsten ablöst und Diesel-Fahrverbote in Städten mittlerweile die Gerichte in Deutschland beschäftigen, blasen 99,9 Prozent aller Seeschiffe weiterhin munter überproportional viele Schadstoffe in die Luft.
Dabei erzeugen die Schiffe gesundheitsschädliche Feinstaub- und Stickoxid-Emissionen, die weit über den Grenzwerten liegen, die etwa für Automobile gelten. Fast schon dramatische Ausmaße nimmt der Ausstoß von Schwefeloxiden an – ein Schadstoff, der im Zusammenhang mit dem sauren Regen zu zweifelhaftem Ruhm gelangte, als Ausstoß in Automobilen mittlerweile faktisch aber keine Rolle mehr spielt: den Umweltauflagen, die den Automobilproduzenten und der Industrie gestellt wurden, sei Dank.
Im Schweröl der Seeschiffe dürfen nach internationalen Regeln immer noch 3,5 Prozent Schwefel enthalten sein – 3.500 mal mehr, als im Benzin und Diesel der Automobile erlaubt ist. Zwar sind in europäischen und nordamerikanischen Küstengewässern nur noch Schiffe erlaubt, deren Treibstoff lediglich 0,1 Prozent Schwefel enthalten darf (was tatsächlich 100-mal mehr ist als im Straßenverkehr erlaubt wäre). Doch gibt es erhebliche Probleme bei der Kontrolle fragwürdiger Schiffe. Und im Gegensatz zu fast allen Dieselmotoren, die an Land im Einsatz sind, gibt es kaum ein Seeschiff, das einen Stickoxid-Katalysator oder einen Diesel-Rußpartikelfilter einsetzt.
Lichtschimmer am verrußten Horizont
Die meisten Schiffsneubauten – zumindest die aus europäischen Werften – werden mittlerweile zwar mit Filtern ausgerüstet. Einige wenige werden sogar mit alternativen Kraftstoffen wie Marinediesel oder Flüssiggas angetrieben, doch ist man noch weit davon entfernt, der Seeschifffahrt eine „grüne Plakette“ zu erteilen. Kleine Peinlichkeit am Rande: Kaum eines der mehr als 700 Schiffe, die im Auftrag von deutschen Ministerien, Behörden und Forschungseinrichtungen Flüsse und Seen, Kanäle und Küstengebiete sowie Ozeane und Polargebiete befahren, ist mit moderner Abgas-Nachbehandlungstechnik ausgestattet, so der NaBu.
Doch es sind auch Lichtschimmer am verrußten Horizont der Meere auszumachen. Allen voran sind die Skandinavier, die für bestimmte Einsatzbereiche ihrer See- und Küstenschifffahrt vermehrt auf Hybrid- und sogar E-Technik setzen.
Elektrisch in polare Regionen
Kürzlich lief ein wahrer Hybrid-Riese in Ulsteinvik (Norwegen) vom Stapel: Die „MS Roald Amundsen“ muss zwar noch ausgebaut werden, doch schon Ende dieses Jahres soll die Jungfernfahrt des Hurtigruten-Expeditionsschiffs Richtung Antarktis-Region beginnen. Seine Hybrid-Technologie soll nicht nur in besonders geschützten Gebieten eine leise Fahrt ermöglichen, sondern in erster Linie bis zu 20 Prozent Treibstoff sparen und – unter zusätzlichem Einsatz moderner Filtertechnologie – den Emissionsausstoss um bis zu 40 Prozent verringern.
Nicht nur Hurtigruten wartet gespannt auf erste Auswertungen im praktischen Einsatz des 140 Meter langen Kreuzfahrtschiffs, das bis zu 530 Passagieren Platz bieten soll. Auch die Konkurrenz zeigt sich höchst interessiert. Nicht zuletzt, weil Hurtigruten bereits das E-Schwesterschiff „MS Fridtjof Nansen“ bauen lässt, das ebenfalls polare Regionen wie die Antarktis, Grönland, Spitzbergen, Island, Neufundland und Labrador ab 2019 befahren soll.
Dicke E-Pötte
Bleiben wir noch ein wenig bei den richtig dicken Pötten. Und zwar solche, die ausschließlich elektrisch angetrieben werden. Ja, richtig gelesen, das gibt es bereits: Die schwedische HH Ferries Group hat zwei ihrer 238 Meter langen Autofähren vom klassischen Schiff mit Verbrennungsmotoren zu E-Schiffen umbauen lassen, die ausschließlich elektrisch angetrieben werden. Fähren eignen sich für den Einsatz von Elektromotoren in besonderer Weise. Sie fahren auf verhältnismäßig kurzen Routen, meist in geschützten Gewässern und verbringen relativ viel Zeit am Kai, wo ihre Batterien wiederum zwischendurch aufgeladen werden können. Da sie häufig in der Nähe von Siedlungen, wenn nicht sogar Metropolen agieren, sind E-Schiffe mit null Emission per se für diesen Einsatz prädestiniert.
So fahren die „Tycho Brahe“ und „Aurora“ zwischen Helsingborg (Schweden) und Helsingör (Dänemark) auf vier Kilometer kurzen Strecken und laden das gleiche Volumen wie zuvor mit den Verbrennungsmotoren: Immerhin 7,4 Millionen Passagiere und 1,9 Millionen Fahrzeuge transportieren die 8.414 Tonnen verdrängenden Schiffe jährlich. 640 Batterien mit je 6,5 kWH Leistung wurden auf den Fähren positioniert: Sie erzeugen eine Leistung, die 70 Elektro-Autos entspricht. Allerdings gibt es derzeit noch Probleme mit den Lade-Vorrichtungen an Land, so dass die beiden E-Fährschiffe nur bedingt zum Einsatz kommen.
Mutterschiff aller E-Fähren ist die „Ampere“
Ein wahrer Klassiker, sozusagen die Mutter aller E-Fähren, ist die „Ampere“ auf dem norwegischen Sognefjord. Die erste ausschließlich elektrisch betriebene E-Fähre der Welt ist seit 2015 im Einsatz und hat in den vergangenen drei Jahren eine wahre Erfolgsgeschichte geschrieben. Mit 80 Metern Länge und 20 Metern Breite kann die Fähre bis zu 120 Autos und 360 Passagiere transportieren.
Die CO2-Emissionen wurden mit der „Ampere“ im Vergleich zu herkömmlich angetriebenen Fähren dieser Größenklasse um 95 Prozent gesenkt, die Betriebskosten um 80 Prozent, denn Strom ist in Norwegen deutllich preiswerter als fossile Brennstoffe. Zudem kann bei dieser Fähre sogar von einer korrekten Nachhaltigkeit gesprochen werden, da der Strom in Norwegen größtenteils mit Wasserenergie gewonnen wird. Zum Vergleich: Eine konventionelle Fähre dieser Größenklasse braucht pro Jahr etwa eine Million Liter Diesel und bläst 2.680 Tonnen Kohlendioxid sowie 37 Tonnen Stickoxide aus.
Siemens hat zusammen mit der norwegischen Werft Fjellstrand die Technologie für die Elektrofähre geliefert, und auch das Schwesterschiff „Elektra“ versieht seit nunmehr einem Jahr in Finnland problemlos und effizient seinen Dienst. Sage und schreibe 53 dieser E-Fähren wurden zwischenzeitlich in Auftrag gegeben. Wer sagt da noch, E-Schifffahrt habe keine Zukunft?
https://www.youtube.com/watch?v=a6Lp-qV9ZJU
Elektrisierende Zukunft
Apropos Zukunft. Die niederländische Werftengruppe Port-Liner lässt derzeit ein ebenfalls voll elektrisch betriebenes Container-Lastenschiff mit dem Arbeitsnamen „Tesla Ship“ bauen. Das 100 Millionen Euro teure Projekt (von der EU mit sieben Millionen Euro unterstützt) soll hauptsächlich auf Binnen-Schifffahrtstraßen eingesetzt werden. Die Werft geht davon aus, dass besonders im Binnenbereich schon in Kürze viele Reedereien auf elektrische Antriebe setzen werden – vorausgesetzt, es werden entsprechend viele Aufladestationen entlang der Schifffahrtswege eingerichtet.
Derzeit gibt es rund 7.300 Binnen-Transportschiffe für Container in Europa, allein 5.000 verkehren in den Niederlanden und Belgien. Das erste vollständig emissionsfreie „Port Liner Tesla Ship“ (der Strom-Mix in Holland besteht zu großen Teilen aus Windenergie) soll zwischen Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam verkehren.
Offenbar sind bereits vier weitere dieser E-Container-Binnenschiffe geordert worden. Mit den ersten sechs dieser Schiffe will Port Liner das Äquivalent von 23.000 Lastwagen jährlich „von der Straße“ holen. Angesichts der deutlich niedrigeren Unterhaltskosten zeigen sich die Reeder und Verkehrsministerien höchst interessiert. Port Liner geht davon aus, dass in Zukunft zumindest für den Binnen-Handelsverkehr nahezu ausschließlich E-Containerschiffe gebaut werden.
Ein Optimismus, der fast schon elektrisierend wirkt, oder?