Es begeistert noch immer! Auch nach über einem Jahrzehnt mit Elektromobilität bleibt es ein faszinierendes Erlebnis: an Bord gehen, den Knopf drücken und ebenso lautlose wie brachiale Leistungsentfaltung spüren.
Bei dem offenen schwedischen Elektro-Daycruiser X Shore Eelex 8000 sind es umgerechnet 230 PS, die durch einen lässigen Dreh zum Leben erwachen. Und ab geht sie! Es rauscht wie am Trevibrunnen in Rom, und von jetzt auf gleich peitscht mir eine heftige Brise Fahrtwind gegen die Stirn.
230 PS an einem 2,6 Tonnen schweren Boot, das klingt jetzt einmal gar nicht so üppig. Aber auch das ist Teil des Elektro-Zaubers. Kein Sprit läuft durch Einspritzdüsen, keiner Zündkerze glüht das Köpfchen, und kein Turbolader raunt. Stattdessen flitzt die Energie fast ohne zeitlichen Versatz aus der Batterie zum Motor.
Im November wird die X Shore Eelex 8000 erstmals in Berliner Messehallen auf der Boot & Fun Berlin gezeigt. Allert Marin bringt sie zusammen mit der soeben vorgestellten X Shore 1 mit. Wir gingen vorher schon einmal aufs Wasser, auf dem Großen Zernsee nahe der Hauptstadt.
Das Boot lag eben noch friedlich im Wasser, nun geht es im Nu in Gleitfahrt über. Aus dem gemütlichen, etwas klobigen Ding wird ein Renner. Der Kontrast könnte kaum größer sein. Dieser Moment, wo das augenblickliche Drehmoment losbolzt, lässt Erwachsene wie Kinder lächeln. Alexander Nelgen freut sich genauso, auch wenn er diesen tollen Dreh-Moment sicher schon hundertemal genossen hat.
So, wie Kinder ein Boot malen würden
Alexander Nelgen ist bei X Shore, dem schwedischen Hersteller, der Botschafter für Deutschland. Und er hat offenbar häufig Anlass zur Freude: „Ich bereue nicht einen Tag, hier angeheuert zu haben“, ruft er, und nur der Fahrtwind konkurriert mit seiner Aussage. Mit an Bord ist auch Marcel Ranke, der X Shore als neue Marke in Werder anbietet, wo wir uns zur Probefahrt verabredet haben.

Die X Shore ist ein knuffiges Boot: ungefähr so, wie Kinder ein Boot malen würden. Rumpf mit klaren Kanten, hoch aufragend, fertig. Kein Zierrat, keine Rallye-Streifen oder anderer Zickzack-Schnickschnack zum Selbstzweck. „Skandinavisches Design“, sagt Nelgen dazu. An einer Naht jedes Sitzpolsters grüßt ein kleines schwedisches Fähnchen. Da hat X Shore sich von Volvo inspirieren lassen, verrät der Manager. Es ist die einzige Spielerei an diesem sonst sehr klaren Entwurf.
Und genauso klar der Antrieb: ein Propeller, starre Welle. Und statt eines Fahrhebels gibt es einen Drehknopf! Er ist seitlich an der Konsole platziert. Das macht X Shore aus Sicherheitsgründen, erklärt Alexander Nelgen. „Man hört ja im Stand nicht, ob der E-Motor eingeschaltet ist. Bei einem Hebel bestände die Gefahr, dass ihn versehentlich jemand an Bord umlegt oder hängenbleibt“ Denn das Drehmoment hat es in sich.
Jeder Dreh-Moment ist ein Erlebnis
Die vernünftige Modifikation lässt den Elektroantrieb noch beiläufiger wirken. Mit der Beiläufigkeit ist es natürlich vorbei, wenn man den Knopf richtig durchdreht. Jeder Dreh-Moment ist erneut ein sinnliches Erlebnis. Binnen Bruchteilen von Sekunden erwacht das Voltmonster aus tiefem Schlaf. „Jesus!“, ruft der niederländische Kollege entgeistert ob der raketenartigen Beschleunigung.

Wer so schnell fährt, sieht allerdings dem Akku beim Leerlaufen förmlich zu. Auch das ein Phänomen, dass Elektroauto-Nutzer kennen. Nur noch 18 Seemeilen „Reichweite“ wird angezeigt. Dabei ist die Batterie nicht gerade klein: Mit einer Kapazität von 126 kWh hat der Energiespeicher noch um einiges mehr Kapazität als derjenige des Mercedes EQS mit 108 kWh, des derzeit schnellsten Serien-Elektroautos.
Bei sechs Knoten 100 Seemeilen Reichweite
Doch der Vergleich hinkt, der Wasserwiderstand liegt bekanntlich um ein Zigfaches über dem Rollwiderstand der Straße. Bei 20 Knoten prognostiziert der Bordcomputer, der ununterbrochen abgleicht und alle Daten sehr übersichtlich auf einem riesigen 24-Zoll-Display von Garmin ausbreitet, bereits eine Reichweite von 22 Seemeilen.
