Am Heck unseres Testboots ist dieser Buchstabencode: AMT. Woran erinnert mich bloß der Name? Als Werftchef Mikael Winqvist den 300 PS am Heck die Sporen gibt, trifft mich blitzartig die Erkenntnis. Natürlich, es ist die Rockband AC/DC und ihr 1976er Hit „TNT“.
Bei 3.500 Touren im Cruisermodus dreht der V6-Motor ziemlich exakt im Rhythmus des weltberühmten Rocksongs. A-M-T! Mit 27 Knoten pfeilen wir im südfinnischen Archipelago beim ersten Test der AMT 240 DC davon. Die Maschine brummt das – leicht variierte – Thema, und die sechs Zylinder geben das Schlagzeug-Backing. „I‘m A-M-T, I’m dynamite!“
Geht der Gashebel bis zum Anschlag, geht es auch auf der Bühne ab. Völlig mühelos löst sich das Boot vom fluiden Element, bis wir atemberaubende 49 Knoten erreichen. Der Horizont wird rund, die Wasser-Landschaft fliegt vorbei. Und immer spielt im Heck der Hardrock. „I’m A-M-T, and I will win the fight …“ Kämpfen muss man freilich nicht, um mit der AMT 240 DC Spaß zu haben. Und die Heckseen sind dazu das Konzertpublikum, sie tanzen in langen Wellen zu beiden Seiten, bis sie außer Sicht sind.
Motorbootfahren ist wie Musik
Hier oben auf der Bühne ist kein bisschen Zügellosigkeit im Spiel. Die AMT fährt wie auf Schienen, folgt willig der vom Bootsbauer sorgfältig inszenierten Choreografie. Ganz eindeutig: Motorbootfahren ist wie Musik, mit dem richtigen Instrument und einem Könner, der es spielt. „I‘m a Power Load!“ Yeah, endlich gibt Winqvist das Steuer ab an mich.
Vorhang auf, Bühne frei, Tempo jetzt. Ich schieße ins Blaue, biege nach Backbord ab, kreisele ein paar Donuts auf die Bühne. Ideale Testbedingungen unterstützen das ausgelassene Rockkonzert: Auf spiegelglattem Wasser kommt man spielend an die Grenzen. Und im Archipel von Turku gibt es fast nirgendwo Tempolimit. Und in der Weite wird niemand gestört. Die Finnen sind wirklich zu beneiden. „Bei etwas Welle würde man natürlich abheben“, ruft Mikael Winqvist von der Seite. Kein Wunder, bei nur 1,6 Tonnen Verdrängung. „Watch me, Explode!“ Das lassen wir dann mal lieber.

Wie zur Bestätigung von Chefs Ansage kreuzen wir die Hecksee eines kürzlich vorbeigefahrenen Bootes. Und die AMT 240 DC macht einen noch mächtigeren Satz als AC/DC-Leadgitarrist Angus Young in seinen wildesten Zeiten. Der Propeller kreischt für einen Moment schrill auf im Stil von Sänger Bon Scott, noch bevor ich den Hebel zurückziehen kann.


Dann fällt das Boot mit einem einzigen pompösen Schlag zurück auf die blaue Bühne. Das klatscht heftig, doch Mikael Winqvist zuckt dazu nicht mit einer Wimper. Seine Werft hat viele Kunden an der rauen Küste Norwegens. Da müssen AMT-Boote ganz andere Hardrockkonzerte aushalten.
Hitproduzent für die anderen
Jetzt aber Schluss mit den Extremen. Wir verlassen den Highway to Hell, der Werftchef übernimmt wieder das Steuer und geht auf 25 Knoten Reisegeschwindigkeit zurück. Dann zeigt er nach hinten. „Siehst du, die Hecksee wird ganz glatt“, sagt er, „das ist extrem effizient.“ Der Verbrauch fällt schlagartig von 100 Litern auf 27 Liter pro Stunde. Der von Yamaha stammende V6-Motor im Heck brummelt jetzt im Blues-Rhythmus. Das Wellen-Publikum beruhigt sich wieder.

Nun ist auch Zeit, den wahren Ursprung der Abkürzung AMT zu erklären. Winqvist braucht nicht viele Worte. „Advanced Marine Tech“, also fortschrittliche Boots-Technik, lautet die nüchterne Übersetzung. Mit Gitarren-Riffs hatte seine Firma bisher wenig zu tun, aber mit dem Takt der Großserie. Die Geschichte von AMT ist ein bisschen so wie die einer kleinen Vorband, die davon träumte, eines Tages selbst große Konzerte zu geben.
Mit anderen Worten: AMT produzierte 20 Jahre lang für andere Labels. Und nur die kamen in die Charts, nicht die Schöpfer selbst. Das wurmte Winqvist, und er beschloss, die Hits nicht nur zu schreiben, sondern auch selbst aufzuführen. Sprich, eigene Boote zu bauen. Das war 2006.
Davor musste er nach eigener Aussage jahrelang Frust schieben: „Wir haben regelmäßig Verbesserungsvorschläge gemacht, und wir wurden abgefertigt.“ Zu teuer, war die Standard-Antwort. Winqvist legte schließlich eine Liste mit seinen Ideen an, die immer länger wurde. Irgendwann wurde die Liste zum Buch. Und der Druck so stark, alle Geistesblitze selbst in die Tat umzusetzen, dass AMT die Aufträge anderer Werften einfach kündigte und – „The Man is back in Town“ – seine eigene Bühnenshow auflegte.
20 Prozent der Fertigung sind Aluboote
Die ersten erfolgreichen Singles waren GFK-Rümpfe, denn mit Glasfaserverbundstoffen hatte die Werft bereits Erfahrung. Später kamen Aluboote hinzu, die vor allem in den skandinavischen Ländern nachgefragt sind, wo Rock(s) auch unter Wasser schwer in Mode ist.