Um für Beneteau Segelyachten konstruieren zu dürfen, reicht es nicht, ein sehr guter Designer oder Navalarchitekt zu sein. Wer für die französische Werftgruppe Boote entwickelt und gestaltet, ist im permanenten Wettbewerb mit Kolleginnen und Kollegen. Für das neueste Modell der Oceanis-Baureihe zeichnet Lorenzo Argento verantwortlich: die Beneteau Oceanis 60. Hält das größte Schiff der Langfahrten-Flotte von Beneteau, was Argentos illustres Oeuvre als Yachtdesigner verspricht?
Der Norditaliener schuf 2020 für die Franzosen bereits die Beneteau Oceanis 54. Das führt nicht automatisch zum nächsten großen Auftrag, denn der weltgrößte Yachtbaukonzern hat keine Haus- und Hof-Designer. Die Namen der beauftragten Bootsbaubüros wechseln. So entstand die Oceanis 51.1 unter Federführung von Berret/Racoupeau, die von float getestete große Freiheit auf 46 Fuß folgt Plänen von Finot-Conq.
Und was zeichnet Argento aus, die ganz großen Boote der Serienwerft zu bauen? Er begeisterte sich schon als junger Designer für die Ideen von Luca Bassani. Und er entwarf, zusammen mit Luca Brenta, die erste Wallygator. Es folgen neben vielen anderen Projekten vier weitere Yachten für Wally. Argento zeichnet dabei für das Außen- und Innendesign der 17,64 Meter langen Yacht verantwortlich.
Wie schon bei der Oceanis 54 ist sein Kollege Roberto Biscontini für die Performance zuständig, er gestaltet nämlich das Unterwasserschiff. Und diese 54er gilt als Vorreiter einer neuen Generation von Segelyachten – mit besten Segeleigenschaften, maximalem Komfort, hochwertiger Ausstattung und barrierefreien Übergängen.
Gleich und doch anders
Hat der Italiener mit der Neuen lediglich sein erfolgreiches Konzept noch einmal gezeichnet und etwas aufgeblasen? Diplomatische Antwort: Das soll durchaus so sein. Denn laut Werft ist das zeitgemäße und doch zeitlos elegante 18-Meter-Rumpfdesign der Oceanis Yacht 60 tatsächlich als Echo auf das ihrer 54-Fuß-Schwester zu verstehen.
Die Ähnlichkeit zur kleineren Schwester spiegelt sich vor allem im Deckslayout wider. Die größten Unterschiede sind unter Deck zu finden. Das ist verständlich, denn ein mehr als eineinhalb Meter längerer und gut 0,30 Meter breiterer Rumpf bietet einfach mehr Möglichkeiten, einen stilvollen Innenraum mit viel Volumen und ausgewogenen Proportionen zu schaffen.
Das Walkaround-Konzept
Das Cockpit ist groß und bietet Platz für viel Bewegungsfreiheit. Breite Seitendecks verlaufen wie bei der Oceanis 54 um die Steuerstände herum. Sie bieten einen hindernisfreien Zugang zum Vordeck und zu den Sonnen-Liegeplätzen vorm Mast oder aufs Kajütdach. Zentraler Punkt ist das zentrale Cockpit mit „geteilten Aufenthaltsflächen“, wie es die Werft nennt. Das ist sinnvoll und erfreut das Auge.
Ganz so einzigartig ist das Konzept allerdings nicht. Jeanneau hat das vielbeachtete Walkaround-Konzept bei gleich mehreren Segelyachten der Reihe Sun Odyssey umgesetzt. Schon bei der Sun Odyssey 440, später dann auch bei der Jeanneau Sun Odyssey 490, der 410 und der jetzt brandneuen, der Presse in Cannes vorgestellten SO 380 musste niemand mehr mühsam aus dem Cockpit über Süllränder klettern, um mittschiffs am Mast werkeln zu können.
Dank des Walkaround-Cockpits ist der Durchgang vom Cockpit aufs Vordeck auch bei der Oceanis 60 barrierefrei und sicher. Ob das Konzept zur äußeren Schönheit der Beneteau-Yacht von Lorenzo Argento passt, muss jeder und jede selbst entscheiden. Es ist zumindest praktisch.
Ein großer Arbeitsplatz
Der Rudergänger kann hinter den zwei Steuerständen sowohl in Luv oder Lee alle Schoten, Fallen und Trimmleinen einhand bedienen, noch dazu ohne das Ruder zu verlassen. Sehr vorteilhaft bei einem großen Boot, um es auch mal mit nur kleiner Besatzung oder gar allein zu führen. Das Heck der neuen Oceanis 60 ist breit und hat einen flachen Spant. So empfehlen sich doppelte Ruderblätter.
Je größer eine Segelyacht, umso besser passt sich auch ein Targabügel der äußeren Silhouette an. Schon vor drei Jahren haben wir bei der kleineren Beneteau Oceanis 46.1 seinen Nutzwert auf dem Wasser erkannt. Er verhindert, dass die Großschot in der Plicht zur Fußangel wird, auch dient er als Fundament für eine große Sprayhood.
Vom Boot ins Meer gelangt man über eine große Badeplattform. Sie bietet auch den Zugang zur Tender-Garage, in der unter dem Cockpit immerhin ein bis zu 2,60 Meter langes Schlauchboot gelagert werden kann.
Vernetzung für Kontrolle
Die angebotenen Kiele der Oceanis 60 stechen 2,65 Meter oder optional 2,20 Meter tief. Wählen können zukünftige Eigner auch zwischen verschiedenen Masten, entweder mit klassischem höheren Rigg und mehr Segelfläche oder Rollmast, aber auch mit Selbstwendefock oder einer überlappenden 109-Prozent-Genua.
Auch große Segelyachten wie die Oceanis 60 lassen sich heute mit kleinster Crew führen – Automatisierungstechniken fürs Segeln und komfortable Steuersysteme machen das möglich. Doch das ist längst nicht alles – wie kürzlich Raymarine mit seinem Yachtsense Eco System zeigte.