In einem Buch über das Nordische Folkeboot hat der Autor Dieter Loibner seine erste Begegnung mit dem Bootstyp Folke Junior geschildert. Als er das Boot nach einer Folkeboot-Regatta in Eckernförde am Steg sah, habe er nicht gewusst, ob er schon zu viel Bier getrunken hat oder ein Folkeboot zu heiß gewaschen worden war. Schnell wurde er aufgeklärt über den kleineren, aber sehr viel ältere Bruder des legendären Nordischen Folkeboots. Wir lernten den kleinen Klassiker auf der Hamburger Alster kennen.
Name im Geburtsland unbekannt
Folke Junior? In Dänemark, seinem Geburtsland, kennt man das Boot unter einem anderen Namen. Dort heißt der klinker-gebaute Langkieler des Kongelig Danske Yachtklubs (KDY) schlicht „KDY 15 kvm juniorbåd“ oder kurz Juniorbåd – 5,70 Meter kurz, 1,75 Meter breit, mit einer Segelfläche von 15 Quadratmetern.
Es war, der Name ist Programm, seinerzeit für den Segelnachwuchs entwickelt worden. Zusammen mit den Optimist-Jollen war dieser Bootstyp in den 1960er- und 1970er-Jahren die Basis für das explosive Wachstum des Segelsports in Dänemark.
Wie aber hatte es begonnen? 1927 gründete der Kongelig Danske Yachtklub eine Jugendabteilung. Zunächst schaute man in Dänemark über den Tellerrand ins benachbarte Schweden, zum Königlichen Yachtclub in Göteborg. Die hatten sich nämlich für ihre Sprösslinge 1926 das von Konstrukteur Erik Salander entworfene Pøjkbåt (Jungenboot) zeichnen lassen. Die leichte Konstruktion kam mit schmaler Wasserlinienbreite, kurzem Kiel und großer Segelfläche.
Den Schweden abgekauft
Die Dänen kauften eins dieser Boote, baten den Konstrukteur um einige Änderungen, um lebendigere Segeleigenschaften zu erhalten – und erwarben kurzerhand die Zeichnungen und Rechte an diesem Boot. Da die dänischen Eltern der KDY-Jugendlichen etwas knauseriger waren als die Schweden und ihren Söhnen – Mädchen wurden erst 1942 aufgenommen – kein Boot für 1.000 Kronen kaufen wollten, sprangen einige erwachsene Club-Mitglieder ein.
Sie bestellten bei einem Bootsbauer vier Boote, die im Frühjahr 1928 geliefert wurden. Im Sommer wurden sie eifrig und zur vollsten Zufriedenheit auf dem Øresund gesegelt. Seitdem gilt 1928 als Geburtsjahr für diese Klasse.
Das Boot wird bis heute als typisch dänisch angesehen. Dabei ist es von einem Schweden konstruiert worden.
Da sich der neue Bootstyp für die Ausbildung des Nachwuchses als ausgesprochen geeignet erwies, zeigten bald auch andere Clubs Interesse. Ein reger Kontakt zwischen den Jugendlichen aus Kopenhagen und Göteborg entstand. Vereinzelt bauten auch Privatleute Folke-Junior-Boote, so dass sich der Bootstyp schnell über ganz Dänemark verbreitete.
1947, nach dem Krieg, segelten dort etwa 120 Boote. Das Boot wird bis heute als typisch dänisch angesehen. In Vergessenheit geraten ist dabei, dass es von einem Schweden konstruiert wurde.
Von Clubboot zur Privatjolle
Ursprünglich war das Juniorboot ein Clubboot. So ließ man über viele Jahre die clubeigenen und die privaten Boote getrennt Regatten segeln. Als der Anteil der Privateigner immer größer wurde, wurde 1957 eine Unterscheidung beschlossen. Privatboote werden seitdem mit einem Strich unter dem „J“ im Segel versehen. Das „J“ steht für Juniorboot – nicht zu verwechseln mit der gänzlich anders aussehenden internationalen 22-qm-Rennjolle, der J-Jolle, die ebenfalls ein J im Segel führt.
1963 wurde mit dem J-Klubben eine Klassenvereinigung gegründet: Das J wird hier wie I gesprochen. 1965 fand zum ersten Mal eine offizielle dänische Meisterschaft und Klassenmeisterschaft statt, die seitdem ohne Unterbrechung jährlich ausgesegelt wird. Auch einige Segler aus Deutschland treten dort mit an.
Der lange Weg fort vom Holz
Bis 1972 wurden die Folke-Junioren in Dänemark von mehreren Werften in Holz gebaut – mit abnehmender Tendenz. Im Lauf der Jahre gab es immer wieder Anpassungen an aktuelle Entwicklungen im Segelsport und Bootsbau. 1973 hörten die Jugendlichen dann ganz auf, Juniorboote zu segeln. Auf Druck vieler Privateigner erlaubte die Danske Sejlunion, die bis heute über die Klasse wacht, den Bau aus Kunststoff. Seit Herbst 1978 gibt es die Juniorboote auch aus GFK.
Für Puristen schmerzlich, aber entscheidend für den Erhalt der Klasse.
Für Puristen war das wohl schmerzlich, doch für den Erhalt der Klasse war es die Rettung. Seitdem die Segeljugend andere Boote segelt, hat sich der Altersdurchschnitt beim Folke Junior grundlegend verändert: Das Gros der Besatzungen sind heute Seglerinnen und Segler im gesetzteren Alter.
Eigene Regatta für Folke Junior
Und in Deutschland? Hier hat es mit Dänemark vergleichbare Verhältnisse nie gegeben. Nach 1945 tauchten an der Ostseeküste vereinzelt Folke-Junior-Boote auf. Nur neun Boote waren in den 1960er-Jahren in Eckernförde beheimatet. Kontakte zu anderen Clubs oder Revieren waren meist nur von kurzer Dauer. Die heute übliche Mobilität gab es noch nicht.
In den 1970er-Jahren kommt Hamburg ins Spiel. Mit einem Schwerpunkt beim Hamburger Segel-Club war mehr als ein Dutzend Boote auf der Alster beheimatet. Bis Mitte der 1990er-Jahre gab es sogar eine Folke-Junior-Klassenregatta mit dänischer Beteiligung. Die Dänen brachten als Gastgeschenk ein Halbmodell mit. Dieses ist jetzt die Trophäe, um die bei den am kommenden Wochenende stattfindenden Hamburg Summer Classics gesegelt wird.
Eine offizielle Folke-Junioren-Regatta auf der Alster wurde mit Seasons End ins Leben gerufen, und die Klasse startet auch bei der Max-Oertz-Regatta im Frühjahr vor Neustadt in Holstein.
Überleben steht auf dem Spiel
Der Ex-Eckernförder Hartwig Sulkiewicz macht sich Sorgen um die Junior-Folkes. Er segelte schon als Jugendlicher diesen Bootstyp. Im Hamburg entdeckte er seine Liebe zum Folke Junior neu. Er registriert und „sammelt“ seit Jahren Eigner der hyggeligen dänischen Klassiker – deutschlandweit und auch in den Niederlanden. Im Hafen seines Clubs, dem Hamburger Segelclub (HSC), liegen noch sechs der Folke-Junioren, zwei weitere sind an anderen Bootsstegen an der Alster beheimatet. Dann wird es dünn.
Gegenwärtig stellt sich erneut die Frage nach dem Überleben der Klasse. Der Grund: Der Bestand der Holzboote schrumpft wegen ihres zunehmenden Alters immer stärker. „Im Bootsregister sind die Werften noch verzeichnet, sofern sie bekannt sind.“ weiß Sulkiewicz. Rip, Rap und Rup heißen drei der ältesten Boote – sie stammen aus dem Jahr 1928. Die neuesten Bauten sind von 2007, wie die Ahnengalerie aller Folke Junior-Boote zeigt. Seit mehr als zehn Jahren wurde keines der Boote mehr gebaut. Für einen Neubau müsste man heute „um 25.000 bis 30.000 Euro“ veranschlagen, schätzt Sulkiewicz.
Ob und wie weiter gebaut wird, darüber berät zur Zeit die dänische Klassenvereinigung.
Zwar hatte vor 15 Jahren der Folke-Junior-Segler Kaare Weber auf seiner Werft im dänischen Skive wieder mit dem Bau von Neubauten begonnen. Kurz darauf wurde die Form durch den Bootsbauer und Segler Arne Jensen aus Frederikshavn übernommen. Der baute sogar einige Boote mit einer ansprechenden Kombination von GFK-Rumpf und Holzdeck. Doch im Mai 2018 ist Jensen gestorben. Ob und wie es mit den Neubauten weitergeht, darüber berät zurzeit der J-Klubben.
Steckbrief Folke Junior
Der kleine Klassiker ist 5,70 Meter lang, 1,75 Meter breit und hat einen Tiefgang von 0,90 Metern. Mit rund 700 Kilogramm lässt sich das Boot problemlos trailern. Ein Heißstropp erleichtert das Kranen. 15 Quadratmetern Segelfläche sorgen für Vortrieb. Ein Spinnaker ist nicht vorgesehen. Grund dafür ist die Takelung mit einem Vorstag, aber ohne Achterstag.
Dank Schlupfkajüte und mit Hilfe einer Kuchenbude eignet sich das Boot gut für Tagestouren oder Urlaubsfahrten im Küstenbereich. Als Langkieler dreht der klinkergebaute Folke Junior zwar nicht auf dem Teller. Die Rumpfform verleiht dem Boot aber alle Vorteile der klassischen Linienführung. Auf den Querduchten sitzt man bei moderaten Winden tief und geschützt im Cockpit und kann bei auffrischender Brise dort auch sitzen bleiben. Eingebaute Auftriebskörper sorgen für Unsinkbarkeit.
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Diese Woche findet in Svendborg die Jubiläumsregatta zum Neunzigsten der Klasse statt. Eine eigene Klassenvereinigung gibt es in Deutschland nicht, aber eine deutschsprachige Website.