Ich bin Fahrtensegler. Das kommt mir mit einem Mal unglaublich grobschlächtig vor. Dazu bedurfte es nur einer Begegnung, der mit dem Daysailor Flax 27. Im Blut habe ich mein IF-Boot, das Internationale Folkeboot. Die Flax 27 von Greenboats hat ähnliche Abmessungen, ist aber als Kurzkieler um die Hälfte leichter.
Als ich ihr vom Steg des Vereins Seglerhaus am Wannsee auf die edle Nase trete, gerät mein Blut in ungeahnte Wallungen. In ihrer radikalen Aufgeräumtheit und athletischen Eleganz nickt die Flax 27 einem lässig zu: Segeln ist der nobelste Sport, dem ein Mensch sich widmen kann. Wie sehr diese Noblesse nicht nur ästhetisch, sondern auch ethisch gilt, hat float schon im Winter beim Test der Flax 27 ausgeführt.

Die weiträumige Plicht ist funktional leer. Die Leinen sind so verdeckt wie möglich geführt, in Kanälen wie das Großfall oder unter dem Boden wie die Großschot. Zwei (selbstholende) Winschen neben dem Niedergang reichen für Großfall und Fockschoten aus. Der Gashebel für den Torqeedo-Elektromotor mit umgerechnet fünf PS Leistung wird frei beweglich an einem Kabel aus der Kajüte geführt, ein Spielzeug, das man nach Gebrauch unter Deck verschwinden lassen kann.

Ich will unter Fock und Groß ein paar Schläge einhand auf dem Wannsee machen, nur die Flax 27 und ich. Ich entschuldige mich bei ihr, dass ich zu meinen Gummistiefeln keinen Seidenschal kombiniert habe. Klar underdressed. Nach dem Loswerfen der Festmacherleinen trete ich die versenkbaren Klampen nach unten und lege mich flach in die Plicht, um mit den Augen dem ununterbrochenen Schwung der Deckslinie zu folgen. Ich reiße mich aus meiner Träumerei, in der die Welt nach Bauhaus-Idealen gestaltet ist, und steuere per Motor aus dem Hafen.
Die Flax 27 bittet zum Tanz
Gesegelt wird mit dem Daysailor von Greenboats auf Sicht, auf Armaturen wurde verzichtet, kein Kartenplotter, kein Echolot, nicht einmal ein Kompass. Das Großsegel ist mit Winsch und Kurbel schnell gesetzt, das lose Ende des Falls werfe ich salopp unter Deck. Dank der simplen Arretierfunktion für die Pinne – ein einfacher, wegklappbarer Metallkamm – bleibt die Flax 27 im Wind. Ich gehe auf Raumschotkurs und entrolle die Fock.
Sitzt man mittig in der Plicht, hat man Pinne, Großschot und Fockschot gut im Griff. Die Fockschot führe ich über die Leewinsch und setze sie an der Luvwinsch fest. So kann ich sie bedienen, ohne mich nach Lee rüberbeugen zu müssen. Der Block für die Großschot sitzt am Boden, man muss sich wie in einer Jolle bücken, um die Schot zu greifen. Aber schnell lerne ich, dass man sie sowieso besser in der Hand behält. Bei den stark böigen Bedingungen muss man das Boot vor dem Anluven bewahren, indem man durch entschlossenes Fieren Druck aus dem Segel nimmt. Starker Rudereinschlag bremst nur.
Verjüngungskur auf dem Wannsee
Der Wind schwankt zwischen fünf und fünfzehn Knoten, zwischen Ost und Süd. Wenn plötzlich die Fahrt rausgenommen wird, kann es aber auch schlicht daran liegen, dass ich auf Schlick gelaufen bin. Das Boot ist mir fremd, das Revier ist mir fremd. Aber der Spaß ist ganz auf meiner Seite. Die Flax 27 scheint sich geradezu auf die Böen zu freuen, um ihre Reaktionsschnelligkeit zu beweisen. Ich fühle mich zehn Jahre jünger als auf meinem IF-Boot. Der Daysailor schiebt nicht, er gleitet quecksilbrig dahin, als würde er permanent surfen.

Beim Kreuzen auf dem Rückkurs hole ich das Achterstag dicht, ohne meine Sitzposition aufgeben zu müssen. Die Leine tritt mittig aus der Plichtwand. Am Wind muss ich gegen die Krängung meine Füße an der Diamant-förmigen Erhebung in der Mitte der Plicht abstützen – und vermisse Fußschlaufen. So viel Jolle dürfte meinetwegen sein. Zweimal rutsche ich ab und finde erst an der Leewand Halt. Aber ein echter Indianer reitet auch ohne Steigbügel. Selbst bei schmissigen Böen bleibt das Leedeck trocken. Die Arbeit mit der Großschot geht mir immer intuitiver von der Hand.
He, Wannsee, ich segle dir ein paar Locken in die Wellen!

Als ich vor dem Strandbad auflaufe, nutze ich die Verschnaufpause, um mir vorzustellen, wie ich mit Schlafsack, Gaskocher und Galauniform fürs Hafenkonzert auf einen verlängerten Wochenendtörn gehe. Dann hänge ich mich in Lee in die Wanten und weiter geht’s. Beim Einlaufen in den Hafen summe ich den alten Jubelhit von The Dells: „Oh, what a Day(-sailor)…“