Direkt hinter dem klassisch an Steuerbord gelegenen Fahrstand sind der riesige Kühlschrank und ein separater Weinkühler unter der großen Arbeitsplatte platziert. Links hat die eigentliche Pantry in L-Form ihren Platz. Kochen links, Getränke bunkern rechts. Na und? Das links per Scharnier direkt am Durchgang angebrachte Brett lässt sich hochklappen.
Die so entstehende Verlängerung der Arbeitsfläche verbindet beide Küchensektionen miteinander. Wie eine Tresenklappe trennt die Platte dann den Salon vom Steuerstand. So kann man zu dritt Tomaten schnippeln und gleichzeitig der Pilotin beim Navigieren zuschauen. Kinder, die vorn was wollen, können unterm Brett durchtauchen.
Da scheppert nix mehr
Das einzige, was an diesem Boot scheppert, ist der Grillrost im Backofen. „Wenn Du den herausnimmst, dann scheppert gar nichts mehr“, sagt Thomas Lahtz. Der Hamburger, der uns das Boot zeigt, ist sozusagen auf dem Wasser geboren. Er kommt aus einer alten Seefahrerfamilie, ist auf einem Wohnschiff groß geworden und seit zehn Jahren Experte für Marex.

Seit 2013 verkauft er die Marke bei Aquamarin in Werder – allein im letzten Jahr waren es 20 Boote. Sein Herz hat er an die norwegischen Boote schon viel früher verloren, als er in der Schweiz den Werftchef Espen Aalrud und dessen Boote kennenlernte. Lahtz lächelt verschmitzt und packt einen Gummistropp um die rasselnde Brötchenauflage. Still ruht der Ofen, nur der Diesel murmelt irgendwo.
Reiseschiff für Familien
Denn statt weiland 20 Ruderer bringen heute 400 Pferde die Marex auf Trab: Wäre jetzt Zeit, mal den Hebel auf den Tisch legen. Ehrlich jetzt? Kein feindlicher Wikingerdrache in Sichtweite, also wozu die Flucht? Die zwölf Meter lange Marex 360 CC ist ja ein Reiseschiff für Familien, kein Rennboot für aktive Wassersportler.
Und bis nach Grönland oder noch weiter – das Boote hat die Lizenz für Küstenfahrt – zieht es uns nicht, jedenfalls vorläufig nicht. Denn heute gleitet der schlanke, in der Seitenansicht sportlich-schnittig wirkende Rumpf mit uns elegant über den winterlichen Zernsee.

Die Marex 360 CC ist zwar nicht mit dem Handbeil aus Eichenholz gehauen, aber doch ein bisschen schwerer als vergleichbare zeitgenössische Modelle, denn bereits die Ausstattung wiegt mehr. Massivholz und andere hochwertige Materialien machen die Marex beim Antritt gewichtiger, vulgo: schwerfälliger. Das zeigt der Tempo-Test, der für alle Motorboote von der leichten Open bis zum schweren Flybridge-Riesen gleich ist.
Aussicht in alle Richtungen
Vom Start bei Null bis zur Gleitfahrt vergehen zwölf Sekunden. Beim Beschleunigen senkt das Boot die Nase bei einer Drehzahl von 3.500 Touren pro Minute. Dann, nach 13 Sekunden, liegt das Cabrio bretteben auf dem Wasser. Doch auch bei niedrigerer Marschgeschwindigkeit bietet der Platz des Piloten genug Aussicht in alle Richtungen. Norwegen achtern, Grönland voraus, Käpt’n Erik hat von hier aus alles im Blick.

Bis zum Maximum sind es 26 Sekunden aus dem Stillstand. Dann ist die Marex 360 CC mit 29 Knoten bei 3.500 U/min unterwegs. Die beste Reisegeschwindigkeit, um gut vom Fleck zu kommen, liegt bei 2.800 U/min und 22 Knoten. Nur 200 Umdrehungen mehr, und wir fahren bereits zwei Knoten schneller.
Binnen genügt ein Motor
Alle Manöver, auch bei Fahrt achteraus, absolviert das Boot direkt, präzise und ohne erkennbaren Kraftaufwand. Die Maschine, ein Volvo Penta des Typs D6, ist ausreichend stark für das Binnenrevier, in dem wir unterwegs sind.

Alle Marex-Modelle lassen sich unterschiedlich konfigurieren. Man kann sehr gut zwischen Z-Antrieb und Wellenantrieb wählen, nimmt nur einen Motor oder zwei – je nachdem, in welchem Gebiet das Boot läuft.
Viele Besitzer haben ihr Boot fest im Revier stationiert, andere legen es an die Ostsee. Manche Eigner machen in der brandenburgischen Region Urlaub und fahren dann mit dem Boot hoch bis Norwegen oder Schweden – auf den uralten Routen.
Zehn Liter pro Stunde
Im Binnenbereich reicht die Einzelmotorisierung klassisch mit Welle sowie Bug- und Heckstrahlruder. Für die See sollte es besser die Doppelmotorisierung sein. Lediglich Außenborder fehlen im Angebot.
Der Trimm auf minus 4 sorgt bei steiler Kurvenfahrt dafür, dass der Propeller nicht kavitiert. Aber wer will das schon? Wesentlicher ist uns, dass der Verbrauch des großen Schiffs bei acht Knoten entspannter Langsamfahrt bei zehn Litern pro Stunde liegt.

Die Geräuschentwicklung an Bord ist mit 78 dB bei Marschfahrt und 86 dB bei maximaler Geschwindigkeit sehr gut. Bei einem halboffenen Boot sind Aussagen zur Geräuschentwicklung ohnehin mit Vorsicht zu genießen, da Wind und Welle ihren Anteil haben.
Den Raum verdoppeln
Hatte ich schon erwähnt, dass mir Mittschiffskajüten grundsätzlich ein Graus sind? Normalerweise schon: Ich kann die – fast immer zu niedrigen – Kammern direkt unterhalb des Salons einfach nicht leiden.
Bei unserem Testboot ist alles anders: Tritt man aufrechten Hauptes durch die Tür und steht im kleinen Vorraum der Mittel-Kajüte, glaubt man, einen Ballsaal zu betreten. Man muss dafür nicht einmal den gehörnten Helm abnehmen…
Der Raum unter Deck wirkt doppelt so groß wie er wirklich ist, und dafür sorgt ein einfacher, sehr effektiver Trick. Die Ursache für die Weitläufigkeit ist der große Spiegel, der an der hinteren, achterlichen Wand fast über die gesamte Breite des Schotts läuft.
Simples Raumkonzept
Abgesehen davon, dass sich durch diesen optischen Effekt eine beeindruckende Großzügigkeit ergibt, ist das Raumkonzept selbst bestrickend simpel: Es gibt einfach nur eine große Matratze in der Mitte, die für eine riesige Liegewiese von – gefühlt – 200 x 200 cm Länge sorgt.
An Steuerbord und Backbord sind jeweils in den Rumpf eingelassene Fenster, die auf der richtigen Höhe Licht ins Boot hineinlassen. Da stört es kaum, dass die mit Alcantara belegte Zimmerdecke kaum mehr als 60 Zentimeter von der Matratzenoberseite entfernt ist. Alles ist hell, nichts bedrängt.
Will der frisch erwachte Bordgast sich vom ziemlich bequemen Doppelbett wieder erheben, ist rechts ein großer Handgriff, mit dem man sich flink wieder in eine vernünftige Position bewegen kann. Ab aufs Deck.