Keiner steigt mit einer Rettungsweste in die Badewanne. Warum also sind wir mit einer ozeantauglichen Grand Soleil auf die Ostsee unterwegs? Schließlich ist die LC-Baureihe der italienischen Werft für ihre Langfahrten-Qualiäten bekannt. Wer hinter dem Doppelsteuerstand eines solchen Kreuzers steht, mag das baltische Meer wie einen Binnensee empfinden. Wie sich die Grand Soleil 42 LC, der kleinste Long Cruiser in der Flotte des Cantiere del Pardo, auf der Kurzstrecke segelt, wollten wir bei einem kürzeren Schlag in der Kieler Bucht herausfinden.
Da leuchtet sie in der Sonne: gewaltiger Rumpf, flacher langer Aufbau, eine Schönheit mit der Optik einer 50-Fuß-Yacht. Wenn da nicht dieser steil aufragende Bügel quer über dem Niedergang wäre, der das wohlwollende Auge irritiert. Der prominent platzierte Targabügel hat das Potenzial, eine Debatte zu entfachen über die alte Rivalität zwischen Ästhetik und Nützlichkeit. Eine Ambivalenz, die schon Generationen von Designern zur Verzweiflung brachte.

An den Anblick dieses Aufbaus musste zumindest ich mich erst einmal gewöhnen. Abgesehen von Grand Soleil kennt man diese Querstrebe eigentlich nur von Beneteau und Jeanneau. Aber der Targabügel ist ein durchaus ernst zu nehmender Sicherheitsaspekt. Denn das Boot ist ja hauptsächlich für Langstrecken gemacht. Alle Fallen und Strecker sind nach hinten geleitet, sodass man das Cockpit zur Bedienung nicht verlassen muss. Auch die Großschot wird über den Carbonbügel gefahren.
Wo die Großschot nicht im Cockpit stört
Bei stärkerem Wind und Welle befördert es die Sicherheit ungemein, wenn die Großschot aus dem barrierefreien Cockpit weg ist und man nirgends stolpern kann. Außerdem lassen sich am Bügel eine große Sprayhood und Bimini anbauen. Bei warmem Wetter könnte man auf den Duchten, oder sogar auf dem dafür vorbereitetem Platz auf dem Vorschiff, die optionalen Sonnenpolster ausbreiten und es sich „richtig gemütlich“ machen. Heute also nicht.
Doch mit dem Rücken angelehnt an der Kajütscheibe sitzen wir auch am Testtag unterwegs entspannt. Im Hafen kann man sich dazu überdies lang hinlegen. Mit Polster sogar so hoch, um alles gut im Blick zu haben. Die Ducht ist lang genug, um sogar die Arme abzulegen, und breit dazu.

Doch erst einmal heißt es, an Deck zu kommen. Besser noch als über den Bugspriet gelingt das auf der Kehrseite der Grand Soleil: Über die Badeplattform gelangt man mühelos ins Cockpit. Sie lässt sich auch gut zum Beladen des Beiboots nutzen, für Reparaturen aller Art, Klarmachen des SUP etc. Von dort bekommt man auch das Dinghi gut zu Wasser. Und im Staufach dahinter ist Platz für eine optionale Rettungsinsel.
Mit Vorschusslorbeeren an Bord
An Bord werden wir empfangen mit einer Lobeshymne auf die Tugenden der neuen Grand Soleil. Der Eigner ist mit an Bord, und er sagt Dinge, die skeptisch, aber auch neugierig machen: „Einfach zu handhaben … tolle Leistung.“ Knapp dreizehn Meter Bootslänge sollen also „einfach zu handhaben“ sein, noch dazu solo? Mit der Familie als Gästen? Und auch bei wenig Wind? Das alles unter einen Hut zu bringen, verlangt schon einiges von den Konstrukteuren.