Ob sie 1908 auch hier gestanden haben und das erste elektrische Schubschiff auf den Namen Elektra tauften? Heute tun sie es jedenfalls. Gekommen sind der Minister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing, und Berlins Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey, um das Schiff mit den Entwicklern Prof. Dr. Holbach und der Erbauerin Dr. Corinna Barthel von der gleichnamigen Werft zu taufen. Eingeladen in den Berliner Westhafen hatte Petra Cardinal, die Geschäftsführerin der Berliner Hafenbetriebe Behala.
Hier steht die Elektra nun, nach sechs Jahren Entwicklung, giftgrün wie die Hoffnung in eine bessere Zukunft. Als weltweit erstes Schubboot mit einem hybriden Konzept aus batterie-elektrischem Antrieb in Kombination mit Wasserstoff und Brennstoffzellen-Technik löst sie die Hoffnung ein.

In der Eröffnungsrede spricht Bundesminister Volker Wissing über die Bedeutung der Wasserstoffmobilität für das Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung: „Die Elektra ist ein Leuchtturm-Projekt. Sie hat die Zukunft der klimafreundlichen Binnenschifffahrt an Bord.“
Bei einem Gesamtvolumen von rund 14,6 Millionen Euro wird das Projekt durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit etwa 9,1 Millionen Euro gefördert. „Das gesamte Projekt“, so Wissing, „ist eine Blaupause für die klima- und umweltfreundliche Binnenschifffahrt – und nicht nur technisch, sondern auch regulatorisch eine echte Pionierleistung.“
Berliner Ingenieurs- und Unternehmergeist
Auf dieses Lob kann insbesondere Gesamtprojektleiter Prof. Dr.-Ing. Gerd Holbach stolz sein. Er ist der geistige Schöpfer des Projektes Elektra, das 2016 startete und das Ergebnis guter Kooperationen, wissenschaftlicher Expertise und großer Berharrlichkeit ist. Allein die Anträge waren ein Marathon durch die europäischen Verwaltungsmühlen, und auch Corona hat zusätzlich Zeit und Geld gekostet.
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Aber nun liegt die Elektra hier im Hafen vertäut, und Gerd Holbach reiht sich ein in die Tradition hoher Berliner Ingenieurskunst. „Die Elektra ist viel mehr als nur Hochtechnologie“, sagt er in seiner Rede. „Sie basiert auf altem Berliner Ingenieurs- und Unternehmergeist und verbindet diesen mit den unstrittigen Notwendigkeiten zum Überleben der Menschheit auf unserer Erde.“
Fürwahr! 1908 gab es in Berlin 120 rein akku-elektrische Lastkähne, die mit regenerativer Energie aus Turbinen und Staustufen in der Spree getrieben wurden. Und E-Ladesäulen für Schiffe gab es damals schon mehr als heute, berichtet Gerd Holbach.
Und er verweist mit dem Zitat von Antoine de Saint-Exupéry – „Wenn du ein Schiff bauen willst …, lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer“ – darauf, dass die Wissenschaft immer auch eine Herzensangelegenheit ist. Die Elektra ist ganz klar seine.
Das Schiff der Superlative
Mit einer Kapazität von 2,5 Megawattstunden hat die Elektra eine Akkukapazität von 60 Mittelklasse-Elektroautos. Drei Brennstoffzellen mit grünem Wasserstoff auf dem Deck erzeugen zusammen mit dem Sauerstoff der umgebenden Luft elektrischen Strom. Sie haben eine Leistung von je 100 kW.
So erzeugen sie die Grundlast für die 420 kW starken wassergekühlten Antriebsmotoren und das Bordnetz. Mit einer 2,1-kW-Photovoltaikanlage wird als Energiequelle zusätzlich die Sonne angezapft, die heute zum Tauftag strahlend vom Himmel scheint.

Die Elektra ist ein echter Pionier, made in Berlin, sagt Gerd Holbach. Mehr als 3.000 Meter Kabel auf 20 Meter Schiffslänge verteilen die Energie und notwendigen Informationen in dem 130 Tonnen schweren Schiff. Mit 750 Kilogramm nutzbarem gasförmigem Wasserstoff bei einem Druck von 500 bar an Bord und einer Batteriekapazität von circa 2.500 Kilowattstunden kann das Schiff im Schubverband 1.400 Tonnen schieben.
Dabei hat es eine Reichweite von rund 400 Kilometern. Es schiebt demnächst Gasturbinen von Siemens von Berlin nach Hamburg – ohne jede Energieaufnahme!
Technikdichte, die ihresgleichen sucht
Standards für die Ladeleistung gibt es bisher keine. Deshalb sind auf der Elektra eine Vielzahl von Wechselstrom- und Gleichstrom-Anschlüssen vorhanden. Der Wasserstoff wird in Wechselbehältern an Bord gelagert, die über den bordeigenen Kran getauscht werden können. Beides ermöglicht der Elektra eine extrem hohe Flexibilität bei der Energieversorgung. Das macht sie bereits heute europaweit einsatzfähig. Insgesamt wurde eine Technikdichte auf der Elektra realisiert, die für Binnenschiffe ihresgleichen sucht.
„Glauben Sie mir: Das war nicht einfach, aber machbar, auch in Deutschland“, ruft Gerd Holbach über den Westhafen. Hoffentlich hört man ihn weit. Denn der lange Atem dieses Mannes und die Unterstützung seiner Idee durch die Partner haben heute in Berlin Geschichte geschrieben. Die Elektra zeigt, dass wir nach über 100 Jahren wieder an einem Punkt angekommen sind, wo emissionsfreie Schifffahrt endlich Zukunft hat.

Die schönste Aufgabe hatte auf der Veranstaltung ganz klar die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey. Ihr oblag es, das Schiff zu taufen. „Ich taufe dich auf den Namen Elektra, wünsche der Besatzung allzeit gute Fahrt und dir immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!“
Für Giffey ist die Elektra ein beeindruckendes Ergebnis der Zusammenarbeit von allen Beteiligten aus dem Bereich des Schiffbaus und der Energie- und Antriebstechnik und auch ein Ergebnis des Berliner Erfindergeistes. Sie betonte, dass Berlin Vorreiter sein will, um langfristig eine Klimaverbesserung auf unseren Wasserstraßen zu erreichen. Wir nehmen sie beim Wort.
Baldiges Wiedersehen an Bord
Jetzt kann die Langzeiterprobung des innovativen und emissionsfreien Schubboots beginnen. In Kürze werden wir zusammen mit Prof. Gerd Holbach bei der Elektra an Bord gehen und von dort berichten.