Immer mehr Werften, Reedereien und Konsortien der Großschifffahrt beschäftigen sich seriös und intensiv mit alternativen, ökologischen Antriebsmöglichkeiten für ihre Flotten. Die bewältigen zwar den Großteil des Güterverkehrs auf der Erde, zählen aber auch zu den größten Umweltverschmutzern unseres blauen Planeten. Denn kein anderes Verkehrsmittel belastet die Umwelt so sehr mit Schadstoffen wie Handels- und Kreuzfahrtschiffe, die weltweit zu über 95 Prozent mit Schweröl angetrieben werden. Kann hier ein elektrischer Schiffsantrieb mit Brennstoffzellen helfen?
Entsprechend suchen Wissenschaftler und technische Forschungsgruppen nach alternativen Lösungen. So sollen neue Filtersysteme die Schadstoffe aus Schiffsdiesel und Schweröl weitgehend zurückhalten und die Nutzungsmöglichkeiten von LNG-Flüssiggas verbessert werden. Zudem sind erste Hybrid- und Elektroschiffe bereits in der Großschifffahrt im Einsatz. Oder sie werden derzeit im größeren Stil gebaut. Wir haben darüber im Artikel Dicke Pötte unter Strom berichtet.

Mutiges Projekt in Schottland
Eines der zukunftsträchtigen Konzepte ist die Brennstoffzellentechnik. Reedereien und deren Forschungsteams haben diese Technik als Alternative längst auf ihrem „Radarschirm“. Denn eigentlich sind Brennstoffzellen die perfekte Möglichkeit zur Stromerzeugung. Die Brennstoffzelle ist ein galvanischer Stromerzeuger, in dem Wasserstoff oxidiert und in Energie umgesetzt wird. Sie hat als „Abgas“ nur Wasserdampf. Die Grundlage des Systems sind modulare Einheiten, die durch Zusammenschalten zu beliebigen Leistungsgrößen erweitert werden können. Für den Antrieb von Schiffen war die Leistung bisher zu gering und viel zu teuer. Eine Brennstoffzelle kostete im Vergleich zum herkömmlichen Schweröl etwa das Hundertfache.
Im Juli, also jetzt, startet ein neues Forschungs-Projekt: Die Fähre „HySeas III“ soll ausschließlich mit „grünem“ Wasserstoff aus ökologisch erzeugtem Strom angetrieben werden und ab 2021 den Verkehr zwischen den schottischen Orkney-Inseln aufnehmen.
Das Projekt ist in mehrfacher Hinsicht mutig. Zum einen werden die Baukosten auf über das Vierfache einer vergleichbaren Fähre mit normalem, also umweltschädigendem Antrieb geschätzt. Auf der anderen Seite stellen die nicht gerade milden Wetter- und Seeverhältnisse zwischen den Orkney-Inseln auch eine große Herausforderung an die Konstrukteure und Erbauer der Brennstoffzellen.
Der Antrieb wird an Land getestet
Die Zellen werden vom kanadischen größten Brennstoffzellenhersteller Ballard Power Systems geliefert, der in der Entwicklung von Brennstoffzellentechnik den riesigen Markt für die Schifffahrt erkannt hat und entsprechend forscht. Ballard-Zellen finden bereits in diversen Fahrzeugen Anwendung und werden weltweit als besonders sicher und stabil erachtet.
Die Spezialisten bei Ferguson Marine Engineering, die die Fähre bauen werden, setzen das Projekt vorausschauend um. Sie bauen zunächst einen Antriebsstrang an Land und testen das System ausgiebig anhand realer Schiffsdaten. Schließlich muss so ein Antrieb später heftige Schiffsbewegungen, Vibrationen und salzhaltige Luft aushalten.
Finanziert wird das Projekt „HySeas III“ von der europäischen Union. Kostenpunkt: 12,6 Millionen Euro. Die Leitung haben die Werft Ferguson Marine aus Glasgow und die nahe St.-Andrews-Universität übernommen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist ebenfalls im Boot. Gebaut wird sie in der schottischen Werft als Auto- und Passagier-Hochseefähre.

Dezentrale Technik, leiser als Diesel
Brennstoffzellen liefern nicht nur saubere Antriebstechnik. Sie arbeiten wie Hybridsysteme mit Generator wie der Deep Blue Hybrid von Torqeedo auch leiser als konventionelle Systeme. Und sie können an verschiedenen Stellen im ganzen Schiff betrieben werden. Das senkt das Risiko bei Haverien, weil nicht das gesamte Energiesystem gleichzeitig ausfällt, und bedeutet mehr Sicherheit an Bord. „Die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie entwickelt sich zu einer echten Alternative für die spezifischen Bedürfnisse der Schifffahrt“, zitiert die Wirtschaftswoche Dr. Klaus Bonhoff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW). „Sie gibt sie eine technologisch innovative Antwort auf Klimaschutz- und Emissionsfragen.“
Wer nun etwas irritiert die Augenbrauen hebt und meint, man höre doch schon seit Längerem von der Brennstoffzellentechnik in der Großschifffahrt, der irrt nur halb. Denn die Methode, mit Wasserstoff Strom zu erzeugen, gilt bereits seit Jahren als besonders vielversprechende, da saubere Alternative zum Schiffsdiesel. Wohlgemerkt: zur Stromerzeugung. Neu an der „Hyseas III“ ist der Einsatz der erzeugten Energie für den Vortrieb des Schiffs. Dazu hat es zwar Forschungsprojekte gegeben. Der Bau eines mit der Energie von Brennstoffzellen angetriebenen Schiffs für den kommerziellen Einsatz ist jedoch ein Novum.

Schadstoffe, die auf Städte rieseln
Bisher wurde die Brennstoffzellentechnik vor allem für die Energieversorgung großer Handelsschiffe und Kreuzfahrtriesen in Häfen angewendet. Der Hintergrund: Seit der Jahrtausendwende wurde durch vermehrte Schadstoffmessungen in Großstadthäfen wie Hamburg, Rotterdam, New York und Stockholm deutlich, dass auch während der Liege- und Löschzeiten der Riesenschiffe enorme Schadstoffmengen auf die Städte rieseln.
Zum Beispiel in Hamburg: Vor einigen Jahren hatte dort der Kapitän eines Containerschiffs beim Ablegen im Hafen zu früh von Diesel (zur Stromgewinnung) auf Schweröl (für den Vortrieb auf See) umschalten lassen. Die Motoren stießen gewaltige Mengen Schadstoffpartikel aus, die auf Kuchen, Sekt und Matjesbrötchen der Elbebesucher niederrieselten. Menschen in heller Kleidung wurden schlagartig grau, Asthmakranke mussten im Krankenhaus behandelt werden. In diesem Extrem wohl ein Einzelfall – im Gesamtkontext aber Alltag in einer Hafenstadt.
Auch bei der Energieversorgung für den Bordstrom während der Hafenliegezeiten mit dem gängigen Schiffsdiesel kommen enorme Emissionswerte zustande. Dies belegte kürzlich der Naturschutzbund Deutschland mit einem Datenvergleich in Hamburg. An der Außenalster maß man 5.000 Feinstaubpartikel pro Kubikzentimer Luft, was für eine Großstadt als normaler Wert bezeichnet wird. An den Landungsbrücken, also dort wo die Kreuzfahrtriesen beim Besuch in der Hansestadt anlegen, waren es 50.000 Partikel.
Auch im Hafen brummt der Diesel
Über 200 Mal per anno wird eine Stadt wie Hamburg von Kreuzfahrtschiffen angelaufen. Während der oft tagelangen Liegezeiten muss ein komplexes Bord-Energiesystem weiter betrieben werden. Mangels Möglichkeiten, Strom direkt von Land einzuspeisen, versorgen sich die meisten Kreuzfahrtschiffe mit selbst produziertem Strom. Die Schiffsdiesel garantieren ein autonomes Stromnetz, und im Durchschnitt braucht so ein Schiff vier Megawatt Leistung.
Wenn allein die beim Hafenliegen benötigte Energieleistung über ein sauberes System wie der Brennstoffzellentechnik zur Verfügung gestellt würde, wäre dies eine enorme Entlastung speziell für Stadthäfen, die von großen Kreuzfahrtschiffen angelaufen werden.
Als vorbildlich wird dabei immer wieder die Meyer-Werft in Papenburg zitiert. Deren Einsatz für die Brennstoffzellentechnik schlägt sich vor allem im Bau der Schiffe der Royal-Carribbean-Klassen Quantum und Icon nieder. Wenn diese neuen Ozeanriesen mit Brennstoffzellen in Stadthäfen anlegen, soll kein Ruß mehr rieseln. Die Jungfernfahrten sind zwischen 2022 und 2024 geplant.

Wasserstoff für den Wassersport
Auch in der Wassersportindustrie ist die Brennstoffzellentechnik etabliert, wenn auch als absolutes Nischenprodukt. Immer mehr Yachteigner beziehen einen Teil der Bordenergie aus Wasserstoff. Und einige Bootswerften haben sich bereits an Brennstoffzellen für den Antrieb ihrer Motor- und Segelyachten versucht. Das bekannteste Beispiel ist Technologie-Pionier Frauscher mit seiner Frauscher 600 Riviera HP sein.
Bisher scheiterte die im Prinzip bestechende Idee – Energie aus dem Wasser für Vortrieb auf dem Wasser – schnöde an den Kosten. Denn noch ist die Brennstoffzellentechnik eine teure Angelegenheit – und nahezu unbekannt unter Wassersportlern. Die Riesen der Meere dürften hier schneller sein.
Ein Kommentar
Nicht ganz so vorbildlich scheint die im Artikel auch erwähnte Meyer-Werft aus Papenburg bei den Arbeitsbedingungen zu sein. Im aktuellen Spiegel ist von einem „einem Heer von Billiglöhnern“ und Lohnbetrug die Rede: http://www.spiegel.de/plus/meyer-werft-schuftende-phantome-a-00000000-0002-0001-0000-000158383176