Zu einem der größten Motorboot-Testevents der Welt hatte die versammelte finnische Bootsbranche in die Inselwelt des Archipelagos im Südwesten Finnlands eingeladen. 33 neue Boote aus rein finnischer Produktion präsentierte der Branchenverband Finnboat mit gewohntem Understatement im beschaulichen Nauvo. 50 Fachjournalisten aus 22 Ländern Europas, Nordamerika und Japan testen kurz vor Mittsommer drei Tage lang die Neuheiten 2018/2019 von 13 Werften, darunter gut ein Dutzend Jurymitglieder des Best of Boats Awards, der größten europäischen Auszeichnung für Motorboote. Deutschland war durch die Crew des float-Magazins vertreten.
Marktlage und Modelle gut
„Die Anzahl der Neuvorstellungen von Motorbooten ist so groß wie nie“, sagt Geschäftsführer Jarkko Pajusalo zum Auftakt der Testwoche. Trotz der geringeren Anzahl exportierter Boote in die Hauptabsatzländer – das sind Norwegen und Schweden, gefolgt von Russland, Deutschland und der Schweiz – sei der Branchenumsatz in Finnland in diesem Jahr gestiegen. Denn: „Der Durchschnittswert der Boote war höher“, so Jarkko Pajusalo.
Auch die Anzahl der Werften, die auf den unverwüstlichen und populären Werkstoff Aluminium setzen, ist in diesem Jahr noch einmal gestiegen. Das entspricht dem Trend zum Alu, der schon bei der Bootsmesse in Helsinki im Februar sichtbar war: Alu allerorten. Und so ist es auch in Nauvo.
Hier der Überblick von A (AMT Boats) über Q (dem ersten Motorboot des finnischen Elektro-Pioniers Oceanvolt) bis zur neuen Z-Range des Aluboot-Herstellers Silver:
Freie Materialwahl für Anfänger
AMT Boats bietet das mit 5,15 m Länge sehr kompakte – für Anfänger geeignete – neue Modell AMT 175 BR in Aluminium an. Das Boot lässt sich mit bis zu 80 PS zu motorisieren. Es wiegt 30 kg mehr als das aus GFK gefertigte Schwesterschiff. Die Alu-AMT bringt es trotzdem auf 36 Knoten Höchstfahrt. Das macht großen Spaß, solange der Wellenschlag stimmt.

Werftchef Mikael Winquist kündigt im Gespräch mit float an, dass in Zukunft alle neuen Modelle auch aus Marine-Aluminium gebaut werden. So könne der Kunde stets wählen, sagt Winquist. Je nach Einsatzzweck ist entweder Aluminium (Angeln) oder Glasfaser (Cruisen) als Werkstoff die richtige Wahl.
Diversifizieren mit vier Marken
Unter dem Dach von Bella Veneet Oy sind die Bootsmarken Aquador, Flipper und Bella vereint. Seit September 2017 zählt auch die neue Marke Falcon dazu. Mit den neuen Modellen feiern die Bootsbauer eine Premiere in der 51-jährigen Geschichte der Werft: Bella baut jetzt auch Boote aus Aluminium.

Zu den im letzten Herbst neu präsentierten Modellen Falcon BR 6 und Falcon BR 7 sind die in Nauvo die Falcon BR 5 und Falcon BR 8 dazu gekommen. Letztere ist aufgerüstet mit dem nagelneuen, kurz zuvor als Weltpremiere im italienischen Baveno präsentierten Mercury-V6-Motor mit 225 PS.
Das beste Gesamtpaket im Raubvogel-Quartett stellt aus unserer Sicht die Falcon BR 7 mit dem 175 PS starken Mercury V6 dar. Die Kombination von Boot und Motorsystem überzeugt in allen Disziplinen: Durchzugskraft, Geräuschkulisse, Gewicht und Verbrauch unterscheiden sich deutlich wahrnehmbar vom Vorgängermodell und von dem, was Mitbewerber zu bieten haben. Die 7er-Falcon bringt es – in der von uns in der Inselwelt Südwestfinnlands gefahrenen Konfiguration – auf mehr als 45 kn Maximum.

Für uns ist die Falcon BR 7 das beste Boot der diesjährigen Finnboat Floating Show und ein heißer Kandidat für den diesjährigen Best of Boats Award in der Kategorie Familienboot. Verkaufsleiter Tapio Ekola ließ im Gespräch mit float keinen Zweifel daran, dass in den kommenden Monaten weitere Modelle der Falcon-Serie aufgelegt werden.
Sieben Neuheiten bei Buster
Der Platzhirsch beim Stelldichein der finnischen Bootsbauer ist die Marke Buster Boats. Der größte Aluboot-Hersteller in Finnland präsentiert insgesamt sieben neue Modelle. Als Flaggschiffe der Werft ist die 2017 vorgestellte Buster Phantom mit zwei Außenbordern des Typs F-350 von Yamaha dabei. Dieses Boot überzeugt uns bereits während des float-Bootstests bei der hanseboot ancora Boat Show. Und erstmals zu sehen ist die im Februar in Helsinki vorgestellte Buster Phantom Cabin mit zwei Yamaha F-200 am Heck.

Seit der Übernahme von Buster durch Yamaha werden die Boote werftseitig mit Außenbordern des japanischen Konzerns ausgerüstet. Die gesamte Motorenüberwachung ist in das Buster-Q-System integriert. Sehr unterhaltsam ist die neu entwickelte Buster-App. Die Smartphone-Software informiert zusätzlich über Routen, Verbrauch, hält Bedienungsanleitungen parat und dergleichen mehr.
Zwei ganz unterschiedliche Phantome
Beide Phantom-Modelle sind sicherlich nix für Anfänger. Sie basieren auf dem exakt gleichen 9,47 m langen und 2,84 m breiten Rumpf. Einziger Unterschied im Unterwasserbereich ist die Verdrängung, die beim Kabinenmodell – mit 435 kg mehr – naturgemäß etwas höher ist. Dass beide Boote mit der gegebenen Motorisierung deutlich über 50 kn schnell laufen können, versteht sich von selbst. Die offene Version erlaubt sogar mehr als 60 kn. Beide Modelle laufen dabei äußerst kursstabil – bei glatter und rauer See und auch bei extremen Manövern.

Ein Beispiel dafür gefällig? Bei Sonne, leicht bewegter See und 50 kn Fahrt schlage ich am Steuer der offenen Phantom das Ruder hart ein und leite damit eine 180-Grad-Kehre ein. Die Fliehkräfte sind enorm, doch das Boot läuft wie auf Schienen. Ohne erwähnenswerte Seitenneigung verliert es bei diesem Manöver gerade einmal 2 kn Tempo gegenüber der Fahrt geradeaus. Diese außergewöhnliche Gutmütigkeit dokumentiert eindrucksvoll die Erfahrung der ältesten finnischen Alu-Werft beim Rumpfbau.
Ebenfalls eindrucksvoll zeigte sich die Kabinenversion der Phantom während der Testfahrten. Sehr positiv aufgefallen ist uns der niedrige Geräuschpegel in der Kabine. Das schlank konstruierte, mit großen Fenstern versehene Deckshaus lässt eher einen großen Resonanzkörper erwarten – und damit einen hohen Lärmpegel. Doch nichts dergleichen: Sprechen bei Zimmerlautstärke ist auch bei 50 kn Fahrt möglich.

Silver startet GFK-Bootsbau
Eine weitere Überraschung gibt es bei Silver Boats. Der Produzent klassischer Aluboote wartet in Nauvo mit einer neuen Baureihe aus GFK auf. Der klassische Daycruiser Silver Raptor DC ist das erste Modell und Flaggschiff der neuen Z-Serie. Es geht also auch andersherum: Aluwerften bauen in GFK.

Das 8,05 m lange Boot basiert auf einem Rumpf von Yamarin. Entsprechend treffen wir an Bord einen alten Bekannten: Peter Krusberg war bereits beim Vorbesitzer Konekesko, der komplett aus dem Bootsgeschäft ausgestiegen ist und die Marke verkauft hat, für die Produktentwicklung zuständig. 2014 hatte Krusberg für Yamarin den Best of Boats Award entgegen genommen.
Die Silver Raptor DC wird durch einen maximal 350 PS starken Außenborder angetrieben. Das Boot ist ein echtes Familienboot mit einem Deckslayout, wie man es eher von Jeanneau vermuten würde. Es bietet genügend Komfort für ein Wochenende auf dem Wasser. Für das kommende Jahr sind weitere Modelle der Z-Range angekündigt: ein Eagle Bowrider und Daycruiser sowie der Grizzly Daycruiser.


Das Kerngeschäft von Silver Boats sind weiterhin Boote aus Aluminium. Beim Finnboat Floating Event fahren wir die beiden jüngsten Neuheiten Silver Fox BR und die Silver Fox Avant. Beide Weltpremieren sind für Flüsse und Seen konzipiert. Mit ihrer sparsamen Motorisierung machen sie auch im Archipelago eine gute Figur. Wellen wettern sie tapfer ab, und auch das Maximaltempo überrascht positiv.
Ausrüstung wird immer wichtiger
Veränderungen finden statt auch abseits der reinen Bootsentwicklung statt, etwa in Bezug auf die Ausrüstung. Elektronische Assistenzsysteme dominieren inzwischen die Steuerstände und die Navigationseinheit der in Finnland gezeigten größeren Motoryachten mit Steuerhaus. Egal ob Targa, Nordstar oder Sargo: So genannte Glas-Cockpits mit großen Bildschirmen dominieren, die mit virtuellem Tastendruck und Wischgesten die komplette Elektronik steuern.

Was die Bootstypen betrifft, sind bei der Leistungsschau der finnischen Werften Bowrider-Modelle am häufigsten vertreten. Die ehemals auch bei kleineren Booten populären Kabinen-Versionen werden heute erst ab neun Metern Länge angeboten. Der Boom der Alu-Rümpfe ist kleinen Booten unter zehn Metern Gesamtlänge vorbehalten. Bei den Pilothouse-Motoryachten ist GFK als Baumaterial nach wie vor das Nonplusultra.
Grandezza mit Europas große Marken im Blick
Die Boote von Grandezza orientieren an den Modellen europäischer Großserienwerften. Grandezza gehört wie Finnmaster zum Werftenverbund Finnmarin Oy. Markenchef Martin Kortell ist mit drei Modellen angereist, darunter der Grandezza 28 OC und der Grandezza 34 OC. Diese klassisch eleganten Motoryachten werden es gegen die Konkurrenz aus Frankreich, Italien und Großbritannien nicht leicht haben.

Ganz anders präsentiert sich die offene Grandezza 25s, die als Daycruiser voll überzeugen kann. Martin Kortell kündigt während der Finnboat Floating Show an, dass das neue Flaggschiff Grandezza 37 CA im August auf der Inwater Boat Show in Helsinki am Steg liegen werde.
Sargo macht keine Kompromisse
Erfrischend ist die Wiederbegegnung mit Sargo, den Gewinnern des Best of Boats Awards in der Kategorie Best for Family 2016. So überzeugt die neue Sargo 31 Explorer durch ihre absolute Seefreundlichkeit und den seidenweichen Lauf. Die Familienwerft baut ihre extrem soliden Boote nur mit Wellenantrieb oder Z-Antrieb. Selbst der preisgekrönte Forward Drive von Volvo Penta ist als Motorenoption nicht im Angebot, weil dies negative Einflüsse auf die Gestaltung des Rumpfs haben könnte.
Die Bootsbauer von Sargo machen keine Konzessionen an den Zeitgeschmack. Sargo-Boote werden weltweit gekauft – in Nordamerika bis in den fernen Osten. Die Auftragsbücher seien voll, berichten Johannes und Thomas Sarin im Gespräch mit float.

Das neue Modell, die Sargo 31 Explorer, kann mit ein oder zwei Diesel-Motoren von Volvo Penta – mit maximal 600 PS – motorisiert werden. Unser Testschiff verfügt über einen Volvo Penta D6-370 und läuft damit 35 kn schnell. Das ist meiner Ansicht nach völlig ausreichend. Wer sieben Knoten schneller sein will, muss rund 44.000 Euro auf den Netto-Einstandspreis von 223.696 Euro drauflegen.
Elektrisches Loungeboot als Exot
Der einzige Exot der Werftschau ist das schmale Loungeboot Q 30. Initiator des Projekts ist die Elektroschmiede Oceanvolt, eigentlich bekannt als Hersteller innovativer Elektroantriebe für Segelyachten. Das puristisch gestaltete Loungeboot von Q Yachts mit großen Sitzflächen ist der einzige Vertreter mit Elektroantrieb beim diesjährigen Finnboat Floating Event. Es ist gut dafür geeignet, um auf ruhigen Gewässern bei Sonnenschein zu relaxen.



Um bei der Kraftentfaltung und Reichweite gegenüber Hochvolt-Antriebssystemen wie denen von Torqeedo nicht ins Hintertreffen zu geraten, werden die 48-Volt-Motoren im Q 30 in Reihe geschaltet. Die Produzenten peilen die Vermarktung zunächst in urbanen europäischen Boom-Regionen mit wenig Wellengang und viel Kaufkraft an.
Wir sind gespannt, welche der in Finnland vorgestellten Modelle wir in Deutschland wiedersehen werden.
