Sie kennen sich seit Jugendtagen – und bauen jetzt gemeinsam Boote für Jugendliche. Schauspieler und Segler Simon Licht und Nachhaltigkeits-Unternehmer und Segler Holger Ambroselli stießen überall auf Schulterzucken, als sie sich um nachhaltige Ausrüstung für ihr Segelhobby kümmern wollten. Es fehlte nicht nur an Produkten. Selbst das Bewusstsein für den Bedarf war nicht geschärft.
Die beiden schlossen sich zusammen. Sie gründeten die Aktionsplattform Khulula, um der Bewusstseinswende im Segelsport den Pfad zu pflastern. Denn: Menschen lassen sich am besten prägen, je früher man sie abholt. Und Segeln beginnt im Kindesalter mit einem Optimisten. Die Plattbugkiste ist seit den 1950ern das Einsteigerboot schlechthin.

Die frühen Holz-Optis sind längst von GFK-Modellen abgelöst worden, jeder von ihnen Sondermüll in spe. Auf Kinderspielplätzen verhindern TÜV-Vorschriften den post-maritimen Einsatz eines ausgedienten Optis, und als Beetschale sind sie auch nicht mehr en vogue. Khulula hat zum Saisonstart 2022 die Lösung präsentiert, damit der Segeleinsteig ohne moralischen Wermutstropfen auskommt: Flaxxi, der recyclebare Opti.
Technik im Dienste der Natur
Den Rahmen ihrer Präsentation haben sie mit Bedacht gewählt. Ihr Flaxxi-Rohling steht beim Berliner Verein Seglerhaus am Wannsee (VSaW). Deutschlands zweitältester Segelverein hat sich schon früher mit einem geschärften Auge für Nachhaltigkeit hervorgetan. Er rollte 2020 der Flax 27 von Greenboats den Steg aus. Der Daysailer macht mit seinem Mix aus Flachsfasern und Leinöl-Epoxidharz einen gewaltigen Innovationssprung im Öko-Segeln. Die schnittigen Segeleigenschaften der Flax 27 hat float beim VSaW testen können.
Simon Licht und Holger Ambroselli haben sich für Flaxxi mit den italienischen Konzeptern von Northern Light Composites zusammengetan. Die Werft nutzt für ihre Boote EcoRacer und EcoPrimus einen Materialmix aus Flachs, wiederverwendeten Kompositmaterialien und Elium-Harz. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern auch recyclebar.
Bisher ließen sich verklebte Verbundstoffe nur mit enormem Aufwand wieder in die Einzelbestandteile trennen. Aber nur dann sind sie wiederverwertbar. Das Elium-Harz macht den Unterschied. Es lässt sich nachträglich herauslösen und gibt die Einzelstoffe frei.
Zu 98 Prozent wiederverwertbar
Der 2020 eingeführte EcoPrimus ist eine Lernjolle für Kinder. Licht und Ambroselli konnten das Know-how und die Werft-Verbindungen von NLC nutzen, um ihren Öko-Opti umzusetzen. Er ist zu 98 Prozent recyclebar, sein CO2-Fußabdruck ist um 85 Prozent geringer als bei Serien-Optis aus China, so Simon Licht. Voilà, ein kleines Boot mit großer Signalwirkung.
In Deutschland sind rund 1.200 Vereins-Optis gemeldet. Die GFK-Varianten werden von einer Handvoll namhafter Marken hergestellt. Für 1.200 Euro kann man mit einem chinesischen Rumpf einsteigen, für 3.000 Euro gibt es das Premiummodell der dänischen Marke Winner. Der Flaxxi-Rumpf liegt momentan bei rund 3.800 Euro.

Aber günstig Ding braucht Stückzahl. Das erste Mobiltelefon war auch nur für Börsenmakler erschwinglich. Je mehr der Absatz des Flaxxi steigt, desto mehr wird der Preis purzeln. Licht und Ambroselli kalkulieren für dieses Jahr mit einer Produktion von 50 Stück. Schon in den ersten Tagen nach dem Launch kamen auf der Projektseite Anfragen für 30 Flaxxis zusammen. Jetzt müssen nur die Produktionskapazitäten mitziehen.
Über die Bordkante hinausgedacht
Flaxxi ist nur ein Baustein in der Khulula-Offensive. Die Website soll zum Tummelplatz für Sustainable- Outdoors-Produkte werden. Die Espandrillos von Seads, ebenfalls eine Ambroselli-Initiative, machen neben Flaxxi den Anfang. Der österreichische Seilhersteller Robline liefert Leinen aus 100 Prozent recyceltem Polyester für den Opti.

Vor allem aber wollen Licht und Ambroselli Firmen, Vereine und Institutionen auf dem Sprung in eine ökologisch und sozial achtsame Zukunft begleiten. Und die muss sich zwei Kernforderungen stellen: nachhaltig und inklusiv zu sein. In den 1950ern hätte es „sauber und komfortabel“ geheißen, in den 1980ern „rasant und ironisch“.
Ermöglicher, nicht Macher
Früher hätte man sich auch noch als „Macher“ tituliert. Das klingt heute verdächtig übergriffig. Sie seien keine Macher, sondern Ermöglicher. „Wir verstehen uns als Enabler“, definiert Holger Ambroselli ihre Rolle. Simon Licht lässt seinen Sweater sprechen: „Because there is no Planet B“.
Khulula ist erst 2021 gestartet, zieht aber schon mächtig an seinen beiden Fäden. Produkte und Organisationsformen für eine nachhaltige Gesellschaft, die auch die Marginalisierten mitnimmt. Wenn die Transformation abgeschlossen ist, wird man sich nur noch dunkel an GFK-Optis erinnern so wie heute an Haarspray mit FCKW.