Der schwedische Foiling-Bootsbauer Candela hat die ersten Bilder der Candela P-12 Shuttle veröffentlicht, die ab 2023 Pendler zwischen dem weitläufigen Stockholmer Vorort Ekerö und dem Stadtzentrum befördern wird. Das bisher größte Projekt der Stockholmer Bootsbauer bricht nach eigenen Angaben gleich mehrere Rekorde – als das schnellste, reichweitenstärkste und energieeffizienteste Elektroschiff der Welt.
Das für 30 Passagiere konzipierte Elektroschiff fliegt mit einer Geschwindigkeit von 30 Knoten über das Wasser – das ist deutlich mehr als bei allen anderen aktiven Elektroschiffen. Außerdem ist die Candela P-12 schneller als die U-Bahn- und Buslinien, mit denen es in Konkurrenz steht.
Und deutlich energieeffizienter als die mit Diesel laufenden Shuttle-Schiffe, die derzeit die gleiche Strecke bedienen, ist das Konzept auch. Am wichtigsten für die Nutzer ist vielleicht, dass das Schiff in der Hauptverkehrszeit schneller am Ziel ist als ein Auto.
Candela-Prinzip auf den Nahverkehr übertragen
Grund für die hohe Geschwindigkeit und große Reichweite sind die drei Kohlefaserflügel unter dem Rumpf. Diese aktiven Tragflächen, Hydrofoils genannt, heben die Candela P-12 Shuttle aus dem Wasser. Das verringert wie beim preisgekrönten Erstling Candela 7 effektiv den Wasserwiderstand – float berichtete zuerst in Deutschland.
Die Technologie von Candela reduziert nach Werftangaben den Energieverbrauch pro Passagierkilometer um 95 Prozent im Vergleich zu anderen aktuell aktiven Schiffen. Das ermögliche eine Reichweite von 50 Seemeilen. Mit einem Äquivalent von 0,1 kWh Strom pro Passagierkilometer sei das Boot „energieeffizienter als ein Elektrohybridbus“. Zudem lade die Batterie in weniger als einer Stunde auf.

Gegenüber den ersten Entwürfen – float berichtete: Morgens zur Arbeit foilen – für das Pendlerboot fällt auf, dass das Designteam Abschied genommen hat vom Einrunpfkonzept. Die finale Version der Candela P-12 ist ein Mehrrumpfschiff mit deutlich geringerem Wasserwiderstand als bei einem Monohull.
Einsatz dort, wo es sinnvoll ist
Mit der Fähigkeit, selbst die längsten Strecken in Stockholm mit hoher Geschwindigkeit zurückzulegen, soll die Candela P-12 Shuttle die Fahrt für Berufspendler zwischen dem schnell wachsenden Stockholmer Vorort Ekerö und dem Stadtzentrum deutlich verkürzen.
Während die Fahrt mit dem Bus, der U-Bahn oder einer herkömmlichen Fähre (oder sogar mit dem Auto während der Hauptverkehrszeit) zurzeit 55 Minuten dauert, soll das Speedboot auf Foils die 15 Kilometer lange Strecke in nur 25 Minuten zurücklegen.

Das bringt, so rechnet es die Werft vor, Pendlern eine durchschnittliche Zeitersparnis von 50 Minuten pro Tag. „Man kann eine Stunde länger arbeiten oder seine Kinder eine Stunde früher von der Schule abholen“, sagt Erik Eklund, Vizepräsident für kommerzielle Schiffe bei Candela.
Schluss mit der Seekrankheit
Da das Tragflächenboot nahezu keine Wellen erzeugt, bekam es eine Ausnahme von der in Stockholm geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung von 12 Knoten. So kann die foilende Fähre ins Stadtzentrum fahren, ohne andere Schiffe oder geschützte Uferbereiche durch Wellenschlag zu beeinträchtigen. Die selbst erzeugte Heckwelle ist sogar deutlich kleiner als bei konventionellen, langsam laufenden Passagierschiffen.
Auch das Wohlbefinden empfindlicher Passagiere will Candela auf ein neues Niveau heben. Wer zu Seekrankheit neigt, werde die extrem ruhige Fahrt auch bei schlechtem Wetter zu schätzen wissen, heißt es von der Werft.
Der Candela Flight Controller – ein Computer, der die Foils 100-mal pro Sekunde regelt – sorge für gleichmäßig ruhige und entspannte Fahrt. Bei der Candela 7 war dies einer der wesentlichen Aha-Momente.
Testphase beginnt in wenigen Monaten
Die Region Stockholm wird das erste P-12 Shuttle im Jahr 2023 für eine neunmonatige Testphase betreiben. Wenn es die Erwartungen erfüllt, die in das Projekt gesetzt werden, besteht die Hoffnung, dass die städtische Flotte von über 70 Dieselschiffen „irgendwann“ durch P-12 Shuttles ersetzt wird. Aber auch, dass der Verkehr zu Lande auf die Wasserstraßen verlagert werden kann.


„Mit dem Boot zu fahren ist das beliebteste öffentliche Verkehrsmittel in der Region, und ich möchte dies ausbauen“, sagt Gustav Hemming. Der stellvertretende Vorsitzende des regionalen Exekutiv-Ausschusses von Stockholm ist offen für Neues. „Wir brauchen bessere Technik, um schneller zu fahren und das Klima zu schonen. Deshalb freuen wir uns, diese neue Technologie für den Schiffsverkehr auszuprobieren.“
Als Politiker sieht er die flotte Fähre auch aus wirtschaftlicher Sicht. „Dieses Projekt kann zu Lösungen beitragen, die wir in Stockholm nutzen können, bietet aber auch Chancen für den Export und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region Stockholm.“
Comeback für den Transport auf dem Wasser
Seitdem die schnelleren und billigeren Dampfeisenbahnen in den 1850er-Jahren die teuren und langsamen kohlebefeuerten Frachtschiffe ablösten, dominieren Landfahrzeuge den urbanen Verkehr – selbst in Städten wie Stockholm, San Francisco und New York, wo die Wasserwege natürliche Querverbindungen zwischen Regionen und Stadtteilen bieten.

Mit der Candela P-12 Shuttle wird dieser Status quo wieder in Frage gestellt. Im Gegensatz zu neuen U-Bahn-Linien oder Autobahnen kann das fliegende Elektro-Superschiff ohne große Investitionen in die Infrastruktur auf neuen Strecken eingesetzt werden. Alles, was benötigt wird, sind ein Dock und elektrischer Strom.
Dank der Effizienz der Hydrofoils kann es auch bei den Kosten pro Kilometer mithalten. Die kompakte Größe für 30 Passagiere ist ein weiterer Vorteil. Denn in Stockholm sind die Passagierschiffe im Durchschnitt zu 17 Prozent ausgelastet. Und das bedeutet, dass ein 300-Personen-Schiff oft nur etwa 50 Personen befördert.
Modell auch für Deutschland
Auch für deutsche Städte und Regionen ließe sich das Konzept adaptieren. So könnte die Candela P-12 Shuttle auf dem Rhein zwischen den Metropolen Köln und der Landeshauptstadt Düsseldorf verkehren, um im Berufsverkehr die notorisch überlasteten Autobahnen zu umgehen.
Als zentrale Verkehrsachse auf dem Wasser lässt sich die Rheinstrecke bis nach Duisburg im Norden und Bonn im Süden weiterführen.

In der Region Hamburg mit seinen weit ausladenden Vororten entlang der Elbe wäre die Candela P-12 den heute verkehrenden konventionellen Fähren in puncto Emissionen überlegen. Gleiches gilt für die Metropolregion zwischen der Finanzmetropole Frankfurt am Main und seinen sich bis zu den Landeshauptstädten Wiesbaden und Mainz erstreckenden Vororten.
Technische Daten Candela P-12 Shuttle
Länge: 11,99 m
Breite: 4,50 m
Gewicht: 8,5 to
Kapazität: 30 Passagiere (sitzend)
Motorisierung: 2 x Candela C-Pod
Batterien: 180 kWh
Höchstgeschwindigkeit: 30 Knoten
Betriebsgeschwindigkeit: 25 bis 27 Knoten
Reichweite: 40 bis 60 nautische Meilen (bei 25 Knoten)
Serienproduktion für den Massentransport
Candela plant die Kiellegung für den Carbon-Rumpf des allerersten Candela P-12 Shuttle gegen Ende 2022 in der neuen eigenen Fabrik in Rotebro außerhalb von Stockholm. Nach der Testphase werden die ersten Stockholmer Pendler noch im Jahr 2023 in das 40-Fuß-Schiff einsteigen.
Mit den bereits für die Herstellung von Freizeitbooten optimierten Produktionsmethoden – auf die Candela 7 folgt in diesem Sommer die Candela C-8, die in Deutschland von VMG Marine verkauft wird – will die Werft in Zukunft „Hunderte von P-12 Shuttles pro Jahr herstellen“. Das Unternehmen um Gustav Hasselskog rechnet mit großer Nachfrage von Städten, Gemeinden, Schiffsbetreibern und Stadtentwicklern.