2017, mit der Premiere der Delphia BluEscape 1200 – ohne Fly –, mischte das Segment der Charter- und Wanderboote ordentlich durch. Mit der Entwicklung der mehrfach preisgekrönten BluEscape-Modelle sind die polnischen Bootsbauer offensichtlich gut zufrieden. Mit der neuen, in Werder vorgestellten Flybridge-Version geht die Werft nun auf ein neues Level – nicht nur, was den Steuerstand betrifft. Zusammen mit der Werftcrew wagten wir einen Ausblick.
Trotz der Vorherrschaft holländischer Bootsmarken in den Charterrevieren Mitteleuropas kommen die Komfort-Modelle von Delphia gut an – nicht nur bei den Charterkunden. Mit der neuen Serie BluEscape strebt die polnische Werft in Richtung gehobenen Yachtbaus.

An dieser Strategie hat auch die Übernahme der Werft durch Beneteau bisher nichts geändert. Der Anteil der Eignerschiffe macht rund die Hälfte der für das Mietgeschäft produzierten Motoryachten bei Delphia aus, so die Marketing-Chefin Honorata Wasowicz.
Unverwechselbares Tourenschiff
Die vor allem für Binnen- und Küstengewässer gemachten Motoryachten aus dem Hause Delphia sind seit 2015 entweder als Finalisten oder Sieger beim Best of Boats Award vertreten. Die 12,75 m lange und 4,25 m breite Flybridge-Version des größten Wanderboots der polnischen Werft soll den Erfolg der BluEscape-Serie im heiß umkämpften Charter-Markt bis 40 Fuß Länge fortsetzen.

Von außen betrachtet, haben die Bootsbauer aus Olecko mit dem nur 2,67 m hohen „Original“ der Delphia BluEscape 1200 ein unverwechselbares Tourenschiff entwickelt. Und das nicht nur wegen der geringen Durchfahrtshöhe, sondern auch mit einem spektakulären Verhältnis von Länge zu Breite.
Von innen betrachtet, bietet sich Pilot und Passagieren ein fast rahmenloses Panorama. Dafür sorgen die abgedunkelte Verglasung und eine negativ geneigte Windschutzscheibe. Doch nicht nur durch den flachen Aufbau punktet das Schiff, das 2017 den Best of Boats Award in der Kategorie Travel für sich entschied. Sondern mit dem geringen Tiefgang von nur 0,88 m.

Höher, großzügiger, komfortabler
Die Delphia BluEscape 1200 Fly hat eine Durchfahrthöhe von 3,63 m. Damit ergibt sich eine etwas andere, für Delphia Yachts neue Klientel: Anstelle derer, die auf den letzten Zentimeter Kopfraum bei Kanalfahrt Wert legen, geht der Fokus hin zu Binnenbootfahrern, die gerne naturnah auf der Brücke stehen. Und die den Komfort eines zweiten Steuerstands schätzen.
Das dritte Deck der neuen 1200 Fly nimmt fast ein Drittel der Fläche des Hauptdecks direkt darunter ein, und die Übersicht am Außensteuerstand ist grenzenlos. Das 8,78 Tonnen verdrängende 40-Fuß-Boot ist deutlich breiter und dabei wesentlich leichter als die zahlreichen Wettbewerber klassischer Stahlboote.

Gegenüber den GFK-Yachten aus französischer oder deutscher Produktion ist es sogar eines der breitesten aktuell verfügbaren Modelle. Und das von einer Werft, wo traditionell auch zahlreiche Boote anderer Hersteller entstehen. In Zukunft werden es wohl vermehrt Schiffe der Werftgruppe Beneteau sein.
Kursgenau durch Konturkiel
In der Marina Havelauen, dem Austragungsort der Boot & Fun Inwater, am Großen Zernsee in Werder liegt nahezu die gesamte Delphia-Flotte bei der Yachtagentur Palme zum Chartern bereit. Bei wechselhaftem Wetter, drei bis vier Beaufort und neun Grad Celsius legen wir hier zur Testfahrt ab.

Mit Bug- und Heckstrahlruder lässt sich das große Boot leicht aus der engen Box manövrieren. Zentimetergenau lässt sich die Delphia dabei steuern. Von der Fly aus habe ich alles im Blick. An Bord sind fünf Personen, der Dieseltank ist zu drei Vierteln gefüllt, der 300 Liter große Wassertank zu einem Drittel.
Auf dem Großen Zernsee läuft das Boot dank des deutlich ausgeprägten Kiels stur geradeaus. Für Vollkreise benötigt der Rumpf rund zwei Bootslängen Raum. Beim Einsatz der Querruder kann ich natürlich auf der Stelle drehen.
Erstaunlich ist, dass die Abdrift sehr gering bleibt. Denn die BluEscape ist, von Hause aus, ein sehr flach gehaltenes Boot. Und so ist, trotz der Fly, die Windangriffsfläche gering.

Angenehm bei 5,1 Knoten Fahrt
Sobald der Gang bei Leerlaufumdrehung von 700 U/min eingelegt ist, bewegt sich das leichte Schiff mit fast zwei Knoten voran. Die Höchstfahrt liegt bei 3.150 U/min mit neun Knoten an. Die angenehmste Reisegeschwindigkeit, ist ein Kompromiss aus Komfort und Ökonomie. Bei 1.500 U/min machen wir 5,1 Knoten Fahrt, was einer Reichweite von akzeptablen 425 nautischen Meilen entspricht.
Wir haben dann einen Schallpegel von lediglich 60 dBA am Steuerstand – nach der Definition ist dies Zimmerlautstärke und ebenfalls akzeptabel. Das sind gute Werte für ein Wanderboot, mit dem es möglich ist auf Langtörn zu gehen.
Kopf frei auf allen Decks
Das Deckslayout ist großzügig. Der notwendige Bewegungsraum an Bord ist gut bemessen. Die Ergonomie passt. Kopffreiheit ist auf allen Decks gegeben. Die Flybridge trägt zwar zum Gesamtgewicht bei, doch der zusätzliche Lebensraum ist gerade in Binnenrevieren gefragt.
Aber nicht nur auf der Fly, sondern auch im übrigen Schiff gibt’s ein gutes Platzangebot. Der zentrale Salon – mit Pantry an Steuerbord und der gegenüber liegenden Sitzgruppe für acht Personen – lässt sich durch die vierteilige Achtertüre in Richtung Natur erweitern. Die auf gesamter Breite zu öffnende Türe macht den Raum auf zum großen überdachten Cockpit – und zur dort anschließenden Badeplattform.
Vom Cockpit aus gelangen alle sicher und gut geschützt auf die breiten Gangborde. Von dort geht es über zwei Stufen auf das Vorschiff mit Bugspriet und der erhöht montierten Ankerwinsch. Die umlaufende hohe Schanz hat eine aufgesetzte Reling und bietet Sicherheit auf den großzügig bemessenen Außendecks.
Unter Deck befinden sich die Eignerkabine im Bug und die Gästekabine an Backbord. Sie sind jeweils mit Doppelkojen und eigenem WC-Abteil ausgestattet. Das separate Duschbad liegt an Steuerbord. Im gesamten Vorschiff ist es erfreulich hell – selbst an einem bedeckten Tag wie unserem Testtag. Denn das natürliche Licht dringt über große Decksluken und die seitlichen Scheiben ungehindert ins Boot.


Ein moderner kleiner Diesel reicht aus
So großzügig wie das Raumangebot ist auch das Angebot an Motorisierungen, wahlweise mit Einzel- oder Doppelanlagen. Das Leistungsspektrum reicht von 1 x 80 PS bis 2 x 140 PS. Das reicht, um das große Schiff in Verdrängerfahrt sicher über Küsten- und Binnengewässer zu bewegen.
Angeboten wird der bewährte Volvo Penta D3 mit 110 oder 220 PS Leistung. Von Yanmar ist der 110 PS starke Common-Rail-Diesel 4JH110 im Angebot, von Nanni der N4 mit 80, 115 oder 140 PS – alle wahlweise als Einzel- oder Doppelanlage. Als Antrieb dient ganz klassisch eine starre Welle.
Beim Testschiff, das wir gemeinsam mit Maciej Kot, dem Sohn des Wertgründers fahren, verliert sich der 115 PS leistende N4-Diesel von Nanni förmlich im Kellergeschoss.
Das bietet viel Raum für zusätzliche Tanks und Aggregate oder vielerlei Helferlein aus der Optionsliste.


Eigner werden sicher in zusätzliche, bis zu 600 Liter große Dieseltanks für die Langfahrt investieren. Die serienmäßigen, 200 Liter fassenden Treibstofftanks sind vor allem fürs Chartern interessant. Sind die größeren Tanks aus der Optionsliste eingebaut, steigt die Reichweite auf 1.700 nautische Meilen.
Was verbraucht eine Wanderyacht dieser Größe?
Nach Abschluss des Testwochenendes haben wir die Zählerstände ausgelesen. Der Nanni N4 unserer Delphia BluEscape 1200 Fly ist 24,4 Stunden gelaufen und hat dabei 85 Liter Diesel verbrannt. Während der Tests ist kein Drehzahlbereich ausgelassen worden. Das Ergebnis: 3,5 Liter Diesel hat das 40 Fuß lange Wohnschiff pro Stunde gebraucht. Das ist ein Topwert für eine Wanderyacht dieser Größe.

Ebenfalls ein Topwert ist der Einstandspreis für das Schiff: 255.255 Euro sind es laut Liste für eine Motoryacht, mit der man auch in der Basisversion ablegen kann – sofern Anker und Kette aus der Optionsliste montiert sind. In der von uns gefahrenen Version sind es knapp 380.000 Euro, die das Boot kostet.
Technische Daten Delphia BluEscape 1200 Fly
wie gefahren
Länge | 12,75 m | |
Breite | 4,25 m | |
Tiefgang | 0,88 m | |
Gewicht | 8.750 kg | |
Motorisierung | Nanni N4 mit 115 PS | |
Maximale Passagierzahl | xx Personen | |
Schlafplätze | für 4 + 2 Personen | |
CE-Kategorie | B (küstenferne Gewässer) | |
Preis | ab 255.255 Euro (wie gefahren: 379.000 Euro) |
Fahrleistungen und Schallmesswerte
5 Personen an Bord
Drehzahl (U/min) | Tempo (Knoten) | Verbrauch (l/h) |
700 | 1,8 | Standgas |
1.000 | 3,5 | 1,3 |
2.000 | 6,4 | 5,5 |
3.000 | 8,7 | 16 |
3.150 | 9 | 17 |