Die Geschichte des Folkeboots beginnt Ende der 1930er Jahre in Skandinavien. Als die legendären Schärenkreuzer im Bau zu teuer werden und das Interesse am Tourensegeln zunimmt, ist es Zeit für die Entwicklung eines neuen Schiffs. Auf der Herbsttagung der Königlichen Segelgesellschaft von Göteborg 1939 entsteht die Idee, eine neue Einheitsklasse zu bauen: geräumiger und breiter als der 1927 entstandene Drachen und mit genug Platz für die Familie beim Fahrtensegeln.
Der schwedische Seglerverband nimmt die Initiative auf und schreibt, gemeinsam mit anderen skandinavischen Ländern und Seglern, die Entwicklung des neuen kleinen Kajütkielbootes aus. Anfang Mai 1941 sind fast 60 Vorschläge eingegangen, aber es ist keiner darunter, der wirklich überzeugt. Als der Schwede Tord Sunden den Auftrag bekommt, die vier besten Entwürfe zusammenzufassen, legt der Schiffbauingenieur und Konstrukteur kurzerhand seinen eigenen Entwurf vor.

Bemerkenswert haltbar und nachhaltig gebaut
Tords Riss zeigt einen mäßig breiten Langkieler mit außen am Heck geführtem Ruder und gefälligem Kajütaufbau in Klinkerbauweise. Die Linien ähneln dem von Aage Utzon 1927 gezeichneten Minifolkeboot, der K.D.Y.-Juniorenklasse aus Dänemark. Der Rumpf ist 0,64 Meter länger als das Vorbild, hat dafür eine verhältnismäßig größere Breite in der Wasserlinie und bietet, verglichen mit dem Juniorboot, eine im Verhältnis größere Segelfläche. Utzon hat damit ein bemerkenswert haltbares Schiff entworfen, das man wegen der Verwendung heimischer Hölzer heute als nachhaltig hergestellt bezeichnen würde. Eiche kommt für den Vor- und Achtersteven zum Einsatz, außerdem bei den Bodenwrangen und für das Totholz des Kiels. Lärche wird für die Beplankung vernutzt, Föhren für das Rigg.
Der gut situierte Präsident des schwedischen Seglerverbands ordert kurzerhand 60 Boote, um die Sache anzukurbeln.
Noch ehe die endgültigen Zeichnungen des Nordischen Folkebootes vorliegen, sind aus Schweden schon 80 Bestellungen eingegangen. Der gut situierte Präsident des schwedischen Seglerverbands – er betreibt außerdem eine Reederei – ordert kurzerhand 60 Boote, um die Sache anzukurbeln. Das erste Folkeboot läuft am 23. April 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, in Göteborg vom Stapel.
Von Skandinavien aus zur weltgrößten Kielbootflotte
Heute gibt es Folkeboot-Flotten überall auf der Welt: in den skandinavischen Ländern, in vielen westeuropäischen Revieren und in Übersee, darunter in den USA, Kanada und Australien. Selbst in Russland gibt es organisierte Folkeboot-Segler. Mit rund 4.000 bis heute gebauten Booten gilt der Klassiker als Klasse mit der größten Kielbootflotte überhaupt.

In Deutschland setzt der Folkeboot-Boom ein, als die Boote ab 1958 als „anerkannte ausländische Klasse“ offiziell bei Verbandswettfahrten segeln dürfen. 1961 wird die Deutsche Volksboot-Vereinigung gegründet, die aufgrund des nach der NS-Zeit krude klingenden Namens 1967 in Deutsche Folkeboot-Vereinigung umbenannt wird. Die größten Flotten sind, außer in den Küstenrevieren, vor allem in Berlin beheimatet. Viele Jahre waren auch auf dem Essener Baldeney-See zahlreiche Folkeboote unterwegs.
Die ganz ausführliche Geschichte des Folkeboots ist auf Folkeboot, der Seite Deutschen Folkeboot-Vereinigung e. V., nachzulesen.
Den 75. mit Folke feiern
Mehrere Veranstaltungen widmen sich in diesem Sommer dem Folke-Jubiläum. Den Auftakt hierzulande machte am 20. Mai mit einer Regatta und großen Party und 16 Booten das 3. Folkeboot-Treffen in Arnis an der Schlei.
Die Hauptveranstaltung, organisiert von der Nordic Folkboat Association, findet am 5. und 6. August mit einer Regatta klassischer und neuer Folkeboote bei der inoffiziellen Weltmeisterschaft, dem Goldcup, im dänischen Kerteminde statt.

Michael Krieg ist vor zwölf Jahren das Folkeboot ausführlich probegesegelt. Das klingt wie eine Ewigkeit, ist im Verhältnis zu 75 Jahren Bootsgeschichte aber wenig.
Statt eines klassischen Holz-Folkeboot segle ich an einem windigen Sommertag in Strande bei Kiel eine GFK-Version des Boots von 1976. Der massive GFK-Rumpf ist im Handauflegeverfahren hergestellt und in der Form – ein Anachronismus – immer noch geklinkert: Längsverleimte naturlackierte Douglasfichte, wie im Falle meines Testobjekts. Nicht zu verwechseln ist das Boot mit dem glatten IF, dem Internationalen Folke.
Das „Schlapp, Schlapp, Schlapp“ der Fallen am Mast anstelle des nervtötenden „Ding, Ding, Ding“ sorgt für eine entspannte Grundstimmung.
Das durch den Wind hervorgerufene „Schlapp, Schlapp, Schlapp“ der Fallen am Mast baut gleich eine entspannte Grundstimmung in mir auf. Viel besser als das eher nervtötende „Ding, Ding, Ding“, der Alumasten. Wer auf weitere Holzoptik nicht verzichten möchte, kann auch ein Teakstabdeck ordern. Das Totalgewicht des Boots von knapp zwei Tonnen wird dadurch nicht beeinträchtigt.

Holz, wohin das Auge blickt
Im Cockpit verstärkt sich der positive Eindruck: Hier unten bist Du sicher, auch wenn es noch so stark blasen sollte. Das Süllbord reicht mir fast bis zur Brust. Das viele Holz – beim Fußboden der Plicht, der geschwungenen Bank für den Steuermann und den großen Backskisten an Steuerbord und Backbord – vermittelt ein Gefühl von Behaglichkeit. Alle Holzteile sind sauber und liebevoll gearbeitet. An jeder Stelle ist die handwerkliche Tradition zu spüren. Die in Reichweite des Steuermanns angebrachte (und ebenfalls hölzerne) Flaschenhalterung mit integriertem Öffner entlockt mir ein leises Schmunzeln. Ebenso der Toilettensitz samt Eimerhalterung in der Kajüte zwischen den Kojen – natürlich ebenfalls aus Holz gefertigt. Es ist schon klar, dass bei der Länge von 7,64 Metern über alles und 2,20 m Breite kein separater Toilettenraum abfällt.
Nach dem ersten Eindruck von draußen ist es nicht anders zu erwarten, dass es auch unter Deck gemütlich zugeht. Auch hier Holz rundum: von den Kojen über den kleinen Schrank mit drei Schubladen und das Schwalbennest bis zum Kajütdach. Wer es edel mag, kann die Schwalbennester verglasen lassen. Unter Deck geht es zwar etwas beengt zu, aber der Platz reicht für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Die Lütten würden wohl in der 1,80 m x 1,50 m breiten Spitze nächtigen, während die regulären Kojen mit 2,00 m x 0,65 m respektive 1,80 m x 0,65 m als Maße für die Erwachsenen reichen.

Der Wohnraum lässt sich natürlich durch eine „Kuchenbude“, ein Cockpitzelt mit großen Seitenfenstern, erheblich erweitern. Dann kann man sich entscheiden, wo man kochen möchte: Ob lieber unter Deck mit dem im Schrank eingebauten Spirituskocher oder im Cockpit mit dem in einer Backskiste verstauten Kocher. Gegessen wird unter Deck oder am im Cockpit aufgestellten Tisch.
Ein Törn bei richtigem „Folkebootwetter“
Als Wohnraumwunder ist das Folkeboot nicht berühmt geworden. Nach einer draußen etwas unruhigen Nacht an Bord – ein authentisch klassicher Holzrumpf hätte das Plätschern der Wellen an der geklinkerten Bordwand natürlich etwas anheimelnder, dumpfer klingen lassen – hat der Wind tags noch etwas zugelegt. Richtiges „Folkebootwetter“, wie der Eigner meint. Mir soll es recht sein. Der Flautenschieber, gewöhnlich unter dem Heck verstaut und oft gar nicht eingesetzt, weil das Boot sich auch in engeren Häfen problemlos manövrieren lässt, schiebt uns mit 5 Knoten in die Kieler Förde. Als die Segel stehen, ist der Jockel an der leicht abnehmbaren Motorhalterung schnell hochgeholt.

Die innerhalb der Wanten geschotete, nur 7 Quadratmeter große Fock ist schnell dichtgeholt – mit Hilfe der beidseitig außerhalb des hohen Sülls angebrachten Nirosta-Winschen und der festen Kurbel unter Deck. Fürs 17 Quadratmeter messende Groß gilt das Gleiche – der vierfach untersetzten Großschot sei Dank. Beide Segel sind die Racing-Ausführung von Schultz aus Kiel mit bestem Stand. Ein Zug noch am Achterstag und an den – vor allem fürs Regattasegeln notwendigen — in Reichweite der Crew geführten Streckern, und schon schieben wir mit 20 Grad durch die kabbelige Förde.

In der Außenförde werden die Bedingungen bockiger
Dort machen 54 % Kielanteil (genau: 1.050 kg) das Schiff „steif“. Die Crew sitzt in der tiefen Plicht fast trocken und sehr geschützt vor Wind und Spritzwasser. Die wenigsten Eigner ordern übrigens bei Neukauf eine selbstlenzende Plicht. In der Außenförde werden die Bedingungen noch bockiger, aber nie kommt ein unsicheres Gefühl auf. Weich setzt der Rumpf in die Wellen ein. Dies hier seien erst die Bedingungen, bei dem ein Folkeboot so richtig in seinem Element sei verrät mir der Eigner. Er nippt an seiner Mug (ohne Rum) und erzählt von Törns, bei denen es im Vergleich zu unserem heute mächtig mehr geweht haben muss. Gerefft wird nicht, wird mir versichert, obwohl jeder eine derartige Option ordern könnte. Sogar ein Großsegel-Reffsystem in den Großbaum mit voll durchgelattetem Groß wäre zu haben – am ehesten interessant für den reinen Tourensegler. Vielleicht.

Als wir auf einen Raumschotkurs abfallen, verschwindet der zweite Mitsegler aufs Vorschiff, baumt die Fock aus… und bleibt gleich dort sitzen. Das bringt das Heck ein bisschen aus dem Wasser und macht das Boot ein paar Zehntel Knoten schneller. Während einer Regatta muss auch der zweite Schotte nach vorn. Zudem wird der Kurs so angelegt, dass bei widrigen Bedingungen das Boot nicht vollschlagen kann. Es scheint also doch Situationen zu geben, wo auch ein Folkeboot bei Fahrfehlern in Schwierigkeiten zu kommen kann. Keiner vermisst einen Spi, und der ist auch nur in England bei Regatten erlaubt. Aber diesen „Stress“ macht sich hier im Norden Deutschlands keiner. Und wenn doch, dann nur Fahrtensegler. Sagt mein Boots-Chef.
Auf Reisen
Zurück im Hafen will der Eigner das Schiff gleich aus dem Wasser nehmen, da es zu einer Regatta außerhalb gehen soll. Im näheren Umkreis reist er natürlich gern auf eigenem Kiel an. Der Mast, durchgesteckt bis auf den Kiel, wird mit einem Kran gezogen. Die Yacht selbst hängt wenig später an zwei in den Kiel eingelassenen Heißaugen und anschließend satt im Trailer. Das gesamte Gespann wiegt dann rund 2.500 kg, was ein größeres Zugfahrzeug voraussetzt.
Bleibt die Frage nach den Kosten. Wer Mühe und Arbeit an einem Holzboot nicht scheut, wird auf dem Gebrauchtbootmarkt schnell fündig werden. Für ein gut gepflegtes Kunststoffboot ist schon etwas mehr hinzublättern. Das Folkeboot wird in drei Ausstattungs-Varianten angeboten, wobei jedes Zubehör individuell ausgewählt werden kann. Der heutige Neupreis für ein voll ausgerüstetes Folkeboot beläuft sich auf etwas mehr als 50.000 Euro. Soll es gar ein klassisch in Vollholz gebautes sein, ist mindestens das Doppelte fällig.
Mit einem Folkeboot besitzt man ein wertstabiles, haltbares und legendär seetüchtiges Schiff zum Regatta- und Tourensegeln, das für Jung und Alt, Familien und Aussteiger geeignet ist. Ein wirkliches Volksboot.
Wer ein neues Folkeboot bestellen möchte, kann das über die Folkboat Central FBC GmbH in Hamburg oder Haubold Yachting GmbH in Berlin tun. Das Original-Folkeboot wird seit einigen Jahren in der Polar Yacht Manufactory gebaut.
Technische Daten
Länge | 7,64 m | |
Breite | 2,20 m | |
Wasserlinie | 6,00 m | |
Tiefgang | 1,20 m | |
Verdrängung | 2 t | |
Kielanteil | 53 % | |
Segelfläche | 24 qm | |
Masthöhe | 10,80 m |
2 Kommentare
Der Konstrukteur des KDY 15/Juniorfolke war der Schwede Erik Salander. Und das Folkeboot ist mit 7,64 m fast 2m länger. Danke für den Artikel.
Schön!