Michael Frauscher und ich sitzen auf der Hafenmole, das Wasser plätschert gegen den Beton. Wir schauen seinem Bruder Stefan zu, der mit der 1212 Ghost auf dem Gardasee bereits die zweite Runde dreht. „Schon wieder ist mein kleiner Bruder schneller!“ beklagt sich Michael, der einen Tag später als Stefan Frauscher bei den Feltrinellis eingetroffen ist, um das neue Frauscher-Boot Probe zu fahren. „Früher bekam er das größere Schnitzel, jetzt fährt er zuerst mit der Ghost. Damit ist schon sehr schwer umzugehen,“ sagt Michael lachend. Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen. Ich war gestern dabei, als Stefan das Boot fuhr.
Die Frauscher 1212 Ghost ist die vierte „Erscheinung“ in Folge, die die österreichische Werft vom Traunsee auf den Markt bringt: Mirage, Fantom, Demon, Ghost. Phänomene, die man nicht vergisst, wenn man ihnen einmal begegnet ist. Sie scheinen flüchtig und täuschen die Sinne. Die Ghost, die wir gerade von der Hafenmole aus beobachten, ist allerdings sehr real und nur flüchtig durch ihre hohe Geschwindigkeit.
Ein ungewöhnliches Fahrgefühl
Die Wellen sind mindestens 1,50 m hoch. Als ich zu Dino Feltrinelli und Stefan Frauscher auf die Ghost steige, bin ich innerlich auf eine ruppige Fahrt eingestellt. Dino war in seinem früheren Leben Rennfahrer, dem kann man schon trauen und den Booten sowieso, denke ich. Ich stelle mich zu Dino und Stefan ans Steuer, das optisch aufgeräumt klassische und digitale Anzeigen kombiniert. Der Steuerstand liegt bei der Ghost exakt auf der Mittschiffslinie. Das macht das Fahrgefühl ungewöhnlich: Man spürt am Steuer die Seitwärtsschwankungen nicht mehr.

„Dino ist einer der besten Mechaniker und Bootsfahrer Italiens,“ findet Michael. Schon der Vater der Feltrinelli-Brüder Dino und Mauro war ein begnadeter Motorbootrennfahrer. Und auch der Großvater. Die Geschichte der Familien Frauscher und Feltrinelli ist bereits zwei Generationen alt. Die Frauscher Brüder fuhren H-Boot am Gardasee und lernten so die Feltrinelli-Werft am See kennen. Die Italiener bauten Motorboote, die Österreicher Segelboote, beide Familien wurden gute Freunde.
Als die Frauschers sich mit der St. Tropez an ihr erstes Motorboot wagten, holten sie die Feltrinellis ins Boot und hatten von da an zu ihrer Freundschaft auch eine Geschäftsbeziehung. Michael und Stefan Frauscher und Dino und Mauro Feltrinelli ergänzen sich seitdem: Die einen bauen die Boote, die anderen testen sie auf dem Gardasee und verkaufen sie in Italien.