Gegen diese Technologie sehen andere Motorboote ziemlich alt aus: Die Candela Seven ist der erste Daycruiser, der fliegen kann. Am 21. November gab es dafür beim Best of Boats Award den Preis für das innovativste Boot 2019.
Gustav Hasselskog hatte es geschafft: Nach einem Maschinenbau-Studium in Stockholm und München leitete der Schwede ein Chemieunternehmen. Doch Hasselskog ist ein unruhiger Geist, ihm fehlte die „echte Herausforderung“. Eine weitere saftige Rechnung nach dem Betanken des Boots auf dem Weg zum Sommerhaus brachte die Erleuchtung: Er wollte Bootfahren energieeffizienter machen.
Hasselskog wollte etwas technologisch Neues entwickeln, etwas, dass die Welt voranbringt.

Und zwar ganzheitlich, vom Rumpf bis zum Antrieb: Ein energiesparendes Boot muss leicht sein und wenig Reibungswiderstand haben. Seit den 1960ern haben sich Rümpfe aus Glasfaser-verstärktem Kunststoff durchgesetzt – die sind zwar meistens leichter als Holzrümpfe, benötigen aber weiterhin starke Verbrennungsmotoren. Um ein energieeffizientes Boot zu bauen, muss man also anderes, leichtes Material verwenden. Carbon zum Beispiel.
Wasserwiderstand schluckt Energie
Bleibt noch der Reibungswiderstand. Um ein Boot von sieben, acht Metern Länge anzutreiben, wird etwa 15-mal so viel Benzin benötigt wie bei einem Auto. Grund ist der hohe Wasserwiderstand. Nur wenn der Bootsrumpf aus dem Wasser kommt, kann der Vortrieb reduziert werden.

Dieses Prinzip setzen Tragflügelboote um: Ab einer bestimmten Geschwindigkeit hebt sich der Rumpf aus dem Wasser, dann fährt das Boot nur noch auf den Tragflügeln, den Foils. Die haben natürlich einen dramatisch niedrigeren Wasserwiderstand und das führt zu signifikant geringerem Energieverbrauch.
Wird das mit einem elektrischen Antrieb kombiniert, ist die Wirtschaftlichkeit noch höher. Elektromotoren geben fast 90 Prozent der eingesetzten Energie weiter, während ein Verbrennungsmotor nur etwa 25 Prozent der thermischen in mechanische Energie umsetzt.

Hasselskog gab sich ein Jahr Zeit
2014 war Gustav Hasselskog mit seiner Entwicklung so weit fortgeschritten, dass er eine Entscheidung traf: Er kündigte, verkaufte sein Sommerhaus und und gab sich ein Jahr Zeit. Zeit, um auf die Suche nach den richtigen Leuten zu gehen: solche mit Wissen, zum Beispiel zum Thema Hydrofoiling, und solche mit Geld, die seine Idee finanzieren würden.
Ein Glücksfall war für ihn das schwedische Online-Magazin Hamnen: Als es einen Artikel über die Pläne des Ingenieurs veröffentlichte, meldete sich ein privater Investor bei ihm. Der Mann war so begeistert von Hasselskogs Konzept, dass die Finanzierung des Projekts nun gesichert war. 2015 startete Gustav Hasselskog in die erste Projektphase.
Ohne neues Wissen geht es nicht
Unterstützung fand der Tüftler in ganz Europa: Er sprach mit Hunderten von Experten. Inzwischen ist das Know-How aus zwölf Ländern in sein Projekt eingeflossen. Zur Mannschaft gehören Fachleute aus den Bereichen Verbundwerkstoffe, Engineering, Steuerungselektronik in Kampfjets, Hydrodynamik beim America’s Cup, Lkw-Getriebe und Hydraulik, dynamische Modellierung und Drohnenkontrollsoftware.
Das geballte Wissen floss in die Entwicklung des ersten Prototypen ein, den Hasselskogs Team im August 2016 zu Wasser ließ. Sieben Monate später waren sie in der Experimentierphase so weit, dass die Pre-Candela abheben konnte.

Die Tragflügeltechnik im Wasser funktioniert ähnlich wie bei einem Flugzeug in der Luft: Das System besteht aus dem großen „Inverted π-Foil“ nahe am Schwerpunkt, das während der Fahrt unter Wasser bleibt, und einem kleineren T-Foil am Heck, direkt am Antrieb vor dem Propeller. In Wechselwirkung heben sie das Boot aus dem Wasser. Gesteuert werden beide Foils elektronisch.
Motorboote müssen kurvenstabil sein
Anders dagegen funktionieren die V-Foils, die man von den Quadrofoilern der schnellen Imocas kennt oder von Seabubbles. Auch SeaAir verwenden V-Foils. Bei diesem System ist die Kurvenstabilität ein Problem, und die autostabilisierten Foils können hohe Wellen nicht ausgleichen. Deshalb entschied sich das Candela-Team für T-Foils und die elektronische Lösung. Denn ein schnelles Motorboot muss besonders kurven- und wellenstabil sein.

Die Tragfläche, also das tragende Foil, ist an zwei Holmen mit verstellbarem Anstellwinkel montiert. Ihre Anstellwinkel werden permanent elektronisch nachgeregelt, so dass die Flächen immer voll eingetaucht bleiben. Am Flügel, der im Querschnitt wie ein Flugzeugflügel gewölbt ist, entsteht an der Unterseite ein Überdruck, an der Oberseite ein Unterdruck.