Luxus kann vielerlei Gestalt haben: Mal räkelt er sich provokativ und ungeniert im Rampenlicht, mal bleibt er distinguiert im Hintergrund. Jeanneau, Tochter des weltgrößten Yachtbauers Beneteau, nutzt das L-Wort bei ihrem neuesten Modell von der ersten Sekunde an. Und auch auf den zweiten Blick wird das hohe Niveau, auf dem die Werft agiert, beim Anblick der Jeanneau 60 deutlich.
Die 60-Fuß-Segelyacht ist zwar nicht das größte, wohl aber das großzügigste Schiff der neuen Produktlinie. Luxus zeigt sich vor allem dort, woran es auf See immer mangelt: am Platz. Drei Beispiele geben eine Vorstellung von dem, was die 60-Fuß-Yacht größer als das Übliche macht. Zum ersten: Auf Wunsch erhalten Eigner am Bord ein Bad, dass sich über die gesamte Schiffsbreite zieht.
Zum zweiten: Serienmäßig bietet eine Tendergarage am Heck Platz für ein bis zu drei Meter langes Dinghi. Und schließlich, als Tüpfelchen auf dem „i“: Die Sitzoberflächen unter Deck können auf Wunsch in edlem Foglizzo-Leder bezogen werden. Muss sicher nicht sein, aber allein diese Option ist eine Ansage.
Die Abwesenheit von Opulenz
Angesichts dieser Gestaltungsmöglichkeiten gewinnt die selbstbewustte Ansage der Werft Gestalt: „Ein wahres Schmuckstück in edler Fassung“, heißt es auf der Jeanneau-Website. Das Segel-Juwel vereine „beispiellosen Komfort an Bord“ mit den besten Segeleigenschaften seiner Klasse, ist „eingepackt in Luxus“. Große Worte, in der Tat. Kann das Schiff das halten, was das Marketing verspricht?
Bemerkenswert ist auf den ersten Blick die Zurückhaltung, mit der das große Fahrtensegelschiff aufwartet. Anders gesagt: Es ist die Abwesenheit von zur Schau getragener Opulenz, die angenehm auffällt. Schon für die Vorläufer, die 51, 54 und 64, bekam Jeanneau viel Anerkennung. Buchstäblich in diesem Fahrwasser kreuzt auch die Jeanneau 60, wie der Neuheit auf den ersten Blick anzusehen ist. Der Rumpf trägt offenkundig dieselbe Handschrift wie die Schwestermodelle. Erneut waren als Konstrukteur Philippe Briand, als Designer der Brite Andrew Winch tätig.
Platz geht zumeist auf Kosten von Eleganz – nicht so bei der Jeanneau 60: Das jüngste Kind aus Les Herbiers bei Nantes wirkt von der Seite schlank und elegant. Bildprägend ist der gestreckte, flache Kajütaufbau mit seinen langen Salonfenster. Diese und zahlreiche versenkte Dachluken sorgen im Vergleich zu den bisherigen Entwürfen für viel natürliches Licht im Inneren der Yacht. Großzügige Rumpffenster ermöglichen von jeder Koje aus einen Blick aufs Wasser.
Rund ums Schiff schlendern
Und diese Großzügigkeit setzt sich unter Deck auch in der Fläche fort – dort, wo es auf den meisten Segelyachten kurz und knapp wird: Die breite Rumpfform und das hohe Freibord, zusammen mit einer erhöhten Cockpitsohle achtern, kommen deutlich der Stehhöhe und dem Raumgefühl im achteren Unterdecks-Bereich der Jeanneau 60 zugute. Gleichzeitig genießt der Rudergänger eine bessere Sicht nach vorne. Überall segelt man größer auf diesem Schiff, auch unter Deck!
Die praktische Folge des Niveau-Ausgleichs im Heck: barrierefreie Mobilität an Deck. Schon bei den kleineren Sun Odyssey Modellen wie der 410 und 440 hat sich diese Gestaltungsart bewährt. Das so genannte Walk-around-Konzept bedeutet, dass man vom Steuerstand aus ohne Stufen über die Seitendecks auf das Vorschiff und zurück spazieren kann.
So braucht niemand mehr über Sitze oder Süllränder zu klettern, um an Großmast oder Fock etwas aufzuklaren. Oder die Crew kann, bei wenig Wind, ihren Bewegungsdrang austoben und einmal rund ums Schiff schlendern. Ob die niedrige Silhouette auch dazu führt, dass bei schwerem Wetter das Cockpit mehr Wasser nimmt, wird ein Praxistest erweisen.
Auffällig auch der negative Bug mit seinem fest angebauten Bugspriet. An diesem lassen sich asymmetrische Vorsegel wie Gennaker oder Code Zero anschlagen. Auch als Ankerhalterung ist es bestens geeignet. Auf Wunsch kann auch ein abnehmbares inneres Vorstag geordert werden. Ein weiteres unauffälliges Luxus-Attribut: Sitzbänke, Trittstufen, Cockpitboden und die Heckplattform sind serienmäßig mit Teakholz belegt.
Drei Meter langes Tochterboot
Bereits angesprochen haben wir die geschickte Unterbringung des Dinghis: Ein bis zu drei Meter langes Beiboot verschwindet komplett im Heck. Es wird in einer nach Backbord versetzten Tendergarage untergebracht. Über die Badeplattform lässt es sich mit wenig Aufwand ab- und aufslippen, fast wie das Tochterboot eines DGzRS-Rettungskreuzers. Schneller ist ein Dinghi kaum verfügbar und auch wieder verstaut.
Je nach Einsatzgebiet und Wunsch lässt sich das Cockpit mit einem Stoff-Sonnensegel überspannen. Zusätzlich gibt es eine stabile Sprayhood, die am Targabügel über den Niedergang befestigt werden kann. Angeboten und windsicherer wird aber auch ein festes Bimini als solide Cockpitüberdachung.