Normalerweise fahre ich nicht mit dreimal 300 PS durch die Gegend. Und nicht mit einem Tempo oberhalb von 40 Knoten, was auf dem Wasser ganz schön viel ist. Und doch: Ich hab’s wieder getan, an Bord der Axopar 45 XC Cross Cabin, einen Tag vor der Weltpremiere auf Mallorca. „Wiesel“ und „wohnlich“, wie geht das zusammen?
Die wesentlichen Daten zur Axopar 45 haben wir im Premierenbericht Fünfzehn Meter finnisches Abenteuer schon vorgestellt. Hier und heute soll es um die Fahreigenschaften des Familienschiffs gehen. Und um einige technische Details, die wir noch nachtragen wollen. So ist die neue Axopar standardmäßig mit dem Sicherheitssystem 1st Mate von Mercury Marine ausgerüstet.
Trimmschalter sucht man dagegen vergeblich. Sie sind ins Steuerrad integriert. Von diesem „intelligenten Steuermodul“, das das Bugstrahlruder, die Trimmklappen und die Audioanlage regelt, bis zum doppelten Touchscreen-Display von Simrad mit speziell angepasster Axopar-Benutzeroberfläche erfreut uns das Boot durch Reduktion aufs Wesentliche.
Noch ein freundlicher Riese
Auf dem Testparcours zeigt die Axopar 45 Nehmerqualitäten. Auch mit 45 Fuß Bootslänge kann ein Boot sehr, sehr enge Kurven ziehen. Die Fahrt im immer enger werdenden Kreis ist zwar keine Alltagsanwendung, zeigt aber das Potenzial und die Reserven des in Polen gefertigten Reise- und Familienboots.

Das Mercury-System kommt standardmäßig mit Active Trim, das dafür sorgt, dass das Boot automatisch auf die richtige Lage getrimmt wird, und mit dem Infosystem Vessel View Mobile. Empfehlenswert und als Extra bei unserem Erlkönig integriert ist die Mercury-Joysticksteuerung. Sie kommt mit dem „virtuellen Anker“ Skyhook, der das Boot in beliebiger Stelle stehen lässt – dann darf nicht gebadet werden – und mit einem Autopiloten für Langstrecken.
Während die selbst gemachten Wellen immer höher gehen, zieht die Axopar 45 mit nur geringer Abbremsung ihre Bahn im Strudel. Dabei erreicht unser Testschiff – es ist die Baunummer 1 – eine bemerkenswerte Krängung. Spektakulär wird es, wenn das Boot sich mit einem leichten Federwisch am Steuerrad aus der Kurve löst und auf den anderen Bug geht.
Erstmals drei Motoren
So viel Agilität habe ich bei 45 Fuß Rumpflänge nicht erwartet. Dabei verhält sich das – ohne Motoren – sieben Tonnen schwere Boot wie ein Sportboot. Darin ähnelt die Axopar 45 einem gänzlich anderen Boot: Wie die Tecnorib Pirelli 50, die ich wenige Wochen zuvor an der ligurischen Küste kennenlernte, ist die neue Axopar ein sanfter Riese.

Zu keiner Zeit kavitiert dabei einer der drei Außenbordmotoren von Mercury Marine, kein Propeller „zieht“ Luft. Das vielblättrige Trio des Typs Mercury Enertia Eco mit 19 Zoll Durchmesser bleibt stets im Kontakt mit dem feuchten Element, um die Kraft der V8-Motoren ins Wasser zu übersetzen.
Es ist das erste Mal, dass Axopar eine Motorisierung mit drei Außenbordern anbietet. Für den US-amerikanischen Markt, den die finnische Werft mit großem Schwung für sich erobert, bringt viel PS-Power auch viel Aufmerksamkeit. Das sind eindeutig Pluspunkte auf einem Markt, wo Hersteller mit bis zu sieben großen Außenbordern am Heck die Grenzen der technischen Machbarkeit ausloten. Und die Egos der Eigner.
Flott, ohne zu eilen
Nein, für Werft-Mitgründer Jan-Erik Viitala ist das Dreigestirn am Heck keine Protzhuberei. Er steigt, weil das bisher größte Axopar-Modell es erlaubt, wie selbstverständlich in die Liga der Big Bold Boats auf. Sein Argument ist interessanterweise die verbesserte Manövrierfähigkeit bei Hafenmanövern, wenn der Joystick drei statt zwei Motoren ansteuert.
Mit drei Motoren ist für absolute Spurtreue auf dem 15,5 Grad Celsius kühlen Mittelmeer vor der Marina Calanova gesorgt. Zwei Motoren hätten vermutlich ähnlich positiv abgeschnitten. Bei Geradeausfahrt zieht unsere Axopar bis auf maximal 46,6 Knoten an – eine beeindruckende Zahl für ein so großes Boot. Umgekehrt ist das hohe Tempo wegen des dankbaren Rumpfs kaum zu spüren. Wir fahren gefühlt flott, aber nicht schnell.
Diesen Effekt erinnere ich von einer früheren Fahrt. Im Jahr 2015 war ich mit einer Axopar 28 in der Cabin-Version gemeinsam mit Patric Polch auf dem Rhein bei Mainz unterwegs – zügig und entspannt. Als ich fragte, wann denn der zehn Kilometer vorm Startpunkt entfernte Weinbauort rheinabwärts rechts in Sicht komme, erwiderte mein Gastgeber nur: „Der liegt schon eine Weile hinter uns.“
Wer soll das bezahlen?
Will man mit so vielen Pferdestärken unterwegs sein? Passen 900 PS noch in unsere Zeit? Für ein Boot dieser Länge bietet die Werft die Axopar 45 XC Cross Cabin vergleichsweise – nicht in absoluten Zahlen – preisgünstig an. 514.900 Euro plus Steuern und Lieferung sind ab Werft für das Modelljahr 2023 zu zahlen. Die drei V8 von der Tankstelle sind im Preis inbegriffen.

Besonders durstig zeigen sich die V8-Motoren von Mercury Marine nicht. Viitala rechnet vor: Bei Cruiser-Fahrt zwischen 2.500 und 4.500 Motorumdrehungen pro Minute verbraucht das Gespann weniger als fünf Liter Sprit je nautischer Meile. Erst oberhalb von 35 Knoten und 5.000 U/min geht der Verbrauch deutlich hoch. Bei V/max von 5.760 U/min und 46,6 Knoten notieren wir 5,43 Liter pro Seemeile. Merke: Wir sprechen von einem Fahrtenboot, keinem Racer.
Für Propeller-Experten: Mit den alternativ aufgezogenen Propellern Mercury Revolution 4 20″ liegen die Tempowerte geringfügig niedriger, der Verbrauch bei unserer Axopar 45 XC höher. Grund für 6,2 Liter Benzin pro Seemeile sind die höheren Drehzahlen von 6.050 U/min. Dennoch bleibt unser Boot in dieser Konfiguration rund 2,5 Knoten langsamer.
Erstaunen innen und außen
Eine Frage stand als Elefant im Raum respektive auf der Pier: Sind 45 Fuß für ein Familien- und Sportschiff nicht ein bisschen groß? Axopar-Mitgründer Jan-Erik Viitala beantwortete es direkt vor Ort.
Er spricht vom „Rightsizing“, sieht das Boot also genau richtig dimensioniert. Das zeigt sich beim enorm üppigen Platzangebot vor allem unter Deck – und bei mehreren wirklich neuen Design-Ideen.
Zur Standardausstattung gehören die nach oben aufschwingenden Flügeltüren – ein bisschen wie beim Silberpfeil. Im Innern lässt sich eine Wetbar auf Schienen nach Bedarf verschieben, anstatt wie ein Fels in der Brandung unverrückbar im Weg zu stehen. So kann man das Salon-Layout immer mal umgestalten.

Die mittschiffs integrierten Sitzbänke in den Seitenwänden sind bewusst keine Balkone zum Schwimmengehen. Janne Viitala hält nicht viel davon, auch wenn die holzbelegten Austritte einer der aktuellen Modetrends sind. Axopar setzt dagegen darauf, dass die Sofas den Mittschiffsbereich – innen und außen – in einen großen Sitzbereich verwandeln.
Schließlich reduziert der optionale Gyro-Stabilisator die Rollbewegungen des Bootes deutlich – bei 45 Fuß Bootslänge ergibt dies Sinn und Komfortgewinn. Und es passt zur Kooperation der Finnen mit dem Luxus-Tuner Brabus aus Bottrop, der schon einige andere Axopar-Boote im typischen Brabus-Look vermarket hat.
Das Fünf-Varianten-Boot
Händler in Deutschland sind Nautic Yachting an der Ostsee und Boote Polch an der Mosel, in der Schweiz und auf Mallorca. Angekündigt ist das 45-Fuß-Schiff in fünf Varianten. Es kommen also noch die Axopar 45 Spyder (mit dem Kürzel S), Axopar 45 T-Top (TT), Axopar 45 (ST) und Axopar Cross Top (CT), von denen in Calanova am Premierentag nichts zu sehen war.
Auf dem leeren Achterdeck unseres Testboots sehen wir, dass wir nichts sehen. Hier wird Axopar im Laufe des Jahres auf dem Wasser – in der Produktion modular einfügbar – neue Design-Varianten für den Heckbereich ausprobieren. Mal sehen, wo wir den Erlkönig mit den neuen Features sehen. Ich tippe auf Mallorca.
Technische Daten Axopar 45 XC Cross Cabin
Länge: 13,90 m
Breite: 4,11 m
Tiefgang: 0,85 m (ohne Motoren)
Gewicht: rund 7 to (ohne Motoren)
Motorisierung: 3 x Mercury Mercury V8 300 Verado mit je 300 PS
CE-Kategorie: B (küstenferne Gewässer)
Schlafplätze: 2+2 Personen + optionale Achterkajüte
Maximale Crewgröße: 16 Personen
Preis: ab 612.731 Euro
Eins weiß man sicher bei den flinken Finnen, und so ist es auch bei der neuen Axopar 45: Es kommt immer etwas, das man nicht erwartet. Wie das weltgrößte geschlossene Kajütmotorboot mit Außenbordmotorisierung.