Wir fahren auf Bootsnummer 55, wie Vincent Piel sagt. Er ist mit uns an Bord und bei Jeanneau verantwortlich für die Bootsreihen mit Außenbordern. Im Augenblick sei Nummer 100 in der Produktion, so Piel gegenüber float.
Erwartungsgemäß liegt das Testschiff mit dem gut abgestimmten Motorentrio gut auf dem Ruder und lässt sich über die Doppelsteuerung gut und differenziert kontrollieren. Dann geht es hinaus. Das breit gebaute Boot lässt sich in den bis zu zwei Meter hohen Wellen geschmeidig und freundlich bewegen. Wir kommen auch flott voran – schließlich haben wir die Maximalmotorisierung hinter uns im Heck.
Dass nichts schlägt, als wir „die Wellen lesen“ und mit Tempo über die Bucht fegen, liegt sicherlich auch an dem neuen Produktionsverfahren für den Rumpf, einer – patentierten – Mischung aus Injektion und Infusion. Das sorge für mehr „Stiffness“ gegenüber konventionell gefertigten Booten.
Enge Kurven, Beschleunigen, Haken schlagen – alles absolviert die gelungene Kombination von Boot, Motor und Steuerung mit Bestnoten, soweit eben möglich. Die Messwerte haben wir von der Werft-Testcrew übernommen. Vom Charakter her ist die Cap Camarat 12.5 WA trotz seiner Länge ein sportliches Boot, kein Fahrten-Cruiser. Und es lässt sich dabei einfach bändigen.
Warm genug an Bord
Nordeuropäer mögen nicht so schnell frieren wie Skipper am Mittelmeer oder in Florida. Einen geschlossenen Raum braucht es aber schon, um in der Übergangszeit im Vor-Frühling und Herbst an Bord der CC 12.5 Freude, nicht Frostbeulen zu haben. Dafür sorgt eine Persenning, mit der die Lücken zwischen der recht niedrigen Frontscheibe und dem T-Top-Dach verschlossen werden.
Es sei mummelwarm gewesen bei Testfahrten im Winter, versichert uns die Jeanneau-Crew am Teststeg von St. Raphael. Für den Sommer verschwindet der wärmende Mantel dann wieder im Kontor.

In die Kajüten geht es über vier Stufen, und unten gibt es überall Stehhöhe. Wir sind schließlich auf einem mehr als zehn Meter langen Boot, und der Privatbereich des Daycruisers ist mehr als ein halbherziges Gibt-es-auch-nutzt-aber-Keiner. Hier unten ist alles in Ordnung. Alles weitere zeigt der virtuelle Rundgang.
Von rechts nach links: In die Mittschiffskajüte 1 geht es rechterhand über eine weitere Stufe. Dort sind ein Doppelbett und eine zusätzliche Einzelkoje untergebracht. Nach vorne gibt es eine funktional reduzierte Vorschiffskajüte, die sich per Vorhang abtrennen lässt und damit nur wenig Privatheit bietet. Aber wer will schon auf einem Tagesboot an Bord schlafen?
Wo ist das Klo?
Viel Licht kommt rein durch die schmalen und getönten Fenster, die seitlich in den Rumpf eingefügt sind. Bei Mistwetter oder Lockdown kann hier unter Deck auch gegessen werden, denn es gibt einen weiteren Herd. Deshalb wird im Vorschiff bei den Couches in V-Form das Mittelelement der Liegewiese sicher meist verstaut sein, um hier Platz für den Dinnertisch zu schaffen.
Direkt daran schließt das Bad an, dessen lichte Höhe auch Riesen nicht zu Bücklingen macht. Ein interessantes Detail ist, dass der Toilettensitz unsichtbar ist, verborgen unter der großen, aus Stein gefertigten Badezimmerplatte. Bei „Bedarf“ wird die – leider nicht schön ausgeschnittene – Platte hochgeklappt und das Spa zum Örtchen. Eine schöne Idee, und Luft nach oben bei der Ausführung.
Balkon zum Baden
Die Konstrukteure und Designer von Motorbooten schauen, was die potenzielle Käuferschaft sich wünscht und, nun ja, sie … inspirieren sich gegenseitig. Der letzte Schrei ist – und das bei Tagesbooten ab acht Metern Länge schon seit zwei Jahren – der seitliche Austritt über die heruntergeklappte Bordwand im Achtercockpit. Ein holzbelegter Balkon zum Badengehen, das fehlte bisher noch.
Zum ersten Mal war dieses Muss-ich-Haben fast zeitgleich bei einer größeren Galeon-Fahrtenyacht, der Galeon 400 Fly, und an Bord der Sea Ray mit seiner flotten Finca auf dem Wasser, der Sea Ray 400 SLX – annähernd ein Millionen-Dollar-Boot. Bei Jeanneau machte die Cap Camarat 10.5 den Anfang mit der großen Klappe, jetzt folgt die 12.5 WA.
Anders als bei Sea Ray haben die Franzosen den Balkon – sie nennen ihn Terrasse – bei ihrem Daycruiser auf der Backbordseite platziert. Durch das übrige Deckslayout wirkt der klappbare Abgang größer und geräumiger als bei den US-Amerikanern, die wiederum das Platzsparen für sich reklamieren können.
Segeltechnologie wiederverwendet
Die Technologie zum Absenken der Balkon-Bordwand an Bord der Cap Camarat 12.5 kommt aus dem Segelbereich. Das gleiche hydraulische System wird bei den Heckbordwänden der aktuellen Sun-Odyssey-Fahrtensegelyachten eingesetzt, sagt Antoine Chancelier, langjähriger Marketingchef von Jeanneau für das Segelyachtportfolio, gegenüber float.
Praktisch, wenn es eine Technologie schon „im Hause“ gibt, vor allem, wenn das „Haus“ groß ist. Bei der etwas kleineren Cap Camarat 10.5 lassen die Eigner das Seitendeck schlicht mit einem einfachen Bandzug herunter.

Apropos Technologie: Der kurze Test mit dem Joystick bei der Rückkehr im Hafenkanal zeigt mir die Tücken der individuellen Konfiguration. Alles, wirklich alles lässt sich einstellen, von der Reaktionszeit der Motoren bis zum Widerstand des elektronisch gesteuerten Lenkrads. Bretthart eingestellt, reagiert das System für meinen Geschmack zu langsam. Merke: Das ist ein Feature, kein Bug.
Neue Produktionsweise für den Rumpf
Bei der Produktion der Cap Camarat 12.5 WA und auch bei der neuen 10.5 WA Serie2 verwendet Jeanneau neue Technologie. „Infu-jektion“ ist eine Mischung aus Injektion für den unteren Teil des Rumpfs und Infusion für den oberen Teil. Das Ziel ist es, in einem einzigen Produktionsvorgang den Rumpf und das komplette Strukturgitter (den „grid“) inklusive Stringer herzustellen.