Sie ist ein Kind schwerer Zeiten, aber auch großer Hoffnungen. Die Hansa-Jolle entstand unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Entbehrungen und Nöte dieser Ära sind ihr direkt in den Rumpf eingebrannt. Denn Henry Rasmussen, Gründer der Yachtwerft Abeking & Rasmussen, durfte einfach nichts Größeres bauen.
Die Alliierten, die Deutschland nach dem Krieg besetzt hatten, reglementierten den Bootsbau drastisch. Kein neues Boot durfte länger als sechs Meter sein.
Also nutzte Rasmussen die Beschränkung aus: Die Hansa-Jolle ist 5,85 Meter lang. Als Vorbild diente dem genialen Konstrukteur eine Jolle, die er fast 30 Jahre zuvor entworfen hatte: Die „Viska“ entstand für zwei Freunde in Kopenhagen. Sie zeichnete sich bereits durch hohe Seetüchtigkeit aus.
Die Sphinx durfte nicht mehr segeln

Der Segelsport entwickelte sich in den verschiedenen Besatzungszonen des ehemaligen Deutschen Reichs folglich sehr unterschiedlich. Die Freigabe eingeschränkter Seegebiete erfolgte oft nur nach zähen Verhandlungen. So durften Deutsche anfangs nicht weiter segeln als bis nach Cuxhaven auf der Elbe oder Brake an der Weser.
Auch der Neubau von diversen Produkten war dem einstigen Feind nach dessen Niederlage anfangs beschränkt oder ganz verboten. Flugzeuge zum Beispiel durften bis 1955 nicht gebaut werden. Auch die Nutzung von vorhandenen Booten war reglementiert. So durfte zum Beispiel der Norddeutsche Regatta Verein (NRV) in Hamburg den 12er „Sphinx“ nicht mehr segeln.
Freudenberg bezahlte mit Naturalien
Als Konsequenz übergab der traditionsreiche Segelclub die schon damals berühmte Regattayacht der ursprünglichen Bauwerft Abeking & Rasmussen. Es ging um ein Dreiecks-Geschäft, wie es für die Not der Nachkriegszeit typisch war: Die Werft verkaufte den 12er an Hans Freudenberg, einen Hamburger Holzhändler mit chilenischem Pass. Für den galt die Verordnung nicht.
Er bezahlte allerdings nicht mit Geld. Offiziell gab es zwar noch die Reichsmark, doch als Zahlungsmittel war die nach dem Krieg nur noch eingeschränkt tauglich. Begehrtes Zahlungsmittel waren stattdessen Zigaretten – nach den Repräsentanten der US-Besatzungsmacht „Ami“ genannt – und generell nachgefragte Naturalien für den täglichen Gebrauch. Freudenberg zahlte mit dem, was bei ihm in Massen vor der Hütte lag: eine Ladung Bauholz. Kein Zufall, darauf war der NRV aus.

Denn das Holz von Freudenberg verwandelte Abeking & Rasmussen in die ersten acht Hansa-Jollen für den NRV. Der behielt die Boote aber nicht, sondern verkaufte sie an Vereinsmitglieder weiter. Deren Zahlungen bildeten wenig später die Grundlage für den Neubau des Clubhauses. Freudenberg verkaufte den herrlichen 12er übrigens danach an die Bundesmarine.
Die nutzte ihn fast 50 Jahre, bis er von Oliver Berking und zwei weiteren privaten Eignern aus Flensburg gekauft wurde, die die Sphinx restaurieren ließen. Doch das – und die Restaurierung eines weiteren historischen 12ers – ist eine andere Geschichte.
Bauwerft hörte nach zehn Jahren auf
Die der Hansa-Jolle ging munter weiter: Die acht kleinen Holzboote, die schon kurz nach Ablieferung auf Elbe und Alster vor der Ruinenkulisse der zerbombten Hansestadt zum Symbol des neuen Lebens wurden, wuchsen zu einer Flotte von heute 250 Schiffen. Obwohl Abeking & Rasmussen die Fertigung schon nach zehn Jahren einstellte, um Kapazitäten für größere Yachten zu schaffen, entstanden immer mehr Hansa-Jollen – bis heute.

Obwohl als Fahrtenboot konzipiert, fand sie auch sehr schnell begeisterte Verwendung als Regattaboot. Diese Vielseitigkeit ist – neben der Eleganz der Formgebung – der Hauptgrund für ihre dauerhafte Popularität. Und auch jenseits der Küste fühlt die Hansa-Jolle sich wie der Fisch im Wasser.
Ein Kommentar
[…] Ein schöner, ausführlicher und sehr informativer Artikel ist dazu nun im Onlinemagazine Float auf deren Seiten veröffentlicht worden. Michael Krieg beschreibt den Werdegang und die […]