So viel Ehre für ein so kleines Boot? Das wird sich manch unverhofft dazu gekommener Besucher gefragt haben, als er die große Menschentraube am Stand des Freundeskreises Klassische Yachten (FKY) bei der Hamburg Boat Show erblickte. Mitglieder und Gäste des Hamburger Segel-Clubs (HSC) lauschen dort der Laudatio von Torsten Conradi. Seine Ansprache gilt zum einen dem Club an der Alster selbst. Zum anderen geht es dem Präsidenten des Deutschen Boots- und Schiffbauer-Verbands um ein Boot. Ein sehr kurzes Boot. Alle müssen ordentlich ihre Hälse recken, um den kleinen Star zu entdecken, um den es hier geht: den Puschen.
Rot glänzend, gerade einmal 3,80 Meter lang und 1,35 Meter breit, ist der Mittelpunkt des Abends schlicht aus Sperrholz gebaut. Bewegt wird das Boot durch lediglich acht Quadratmeter Segelfläche – verteilt auf Großsegel und Fock zusammen. Was hatte den rührigen FKY dazu bewegt, sich für dieses Boot zu begeistern?
Ein Mädchen namens Puschen
Aufgrund seines Segelzeichens, einer Micky Maus, hieß das Boot ursprünglich Mickyboot. Nur nannte es seinerzeit keiner so. Die heutige Bezeichnung, also Puschen, hat mit seinem Konstrukteur zu tun. Ernst Lehfeld aus Hamburg, Mitglied im HSC, ist der Vater der viel bekannteren Jollenklassen Korsar und Zugvogel.
„Puschen“ war der Spitzname seiner Tochter. Ihr baute Ernst Lehfeld nach dem Krieg ein kleines Dinghi aus Flugzeug-Sperrholz. Zunächst war das Bötchen nur zum Rudern gedacht. Später wurde es so umgebaut und ausgerüstet, dass das Mädchen damit auch segeln konnte. Das kleine Boot war zudem einigermaßen preiswert herzustellen. Nicht nur von Bootswerften, sondern auch im Eigenbau, was damals ein wichtiges Argument war.
Segeln, lieben und bewahren
Zwei HSC-Mitglieder, Andreas Borrink und Wolf-Dieter Jahn, hatten das kleine Boot mit dem platten Boden vor einiger Zeit gefunden. Sie haben den Puschen wieder in seinen Originalzustand restauriert. Geholfen haben dabei weitere Freiwillige, darunter die beiden ehemaligen Puschen-Jugendsegler Klaus Leithner und Bruno Reitmann.
Ihr Plan war, dieses einstige Jugendboot dem HSC zu dessen 125-jährigen Jubiläum im letzten Jahr zu schenken. Auf diesem Bootstyp hatten – lang ist’s her – viele angehende Seglerinnen und Segler ihre ersten Schritte ins Seglerleben und -abenteuer gemacht.
Um dem stellenweise maroden Rumpf wieder Festigkeit zu geben, musste das Boot zum Teil mit Epoxy überzogen werden. Die Sperrholzschichten hatten sich voneinander gelöst. Es war zu viel Feuchtigkeit ins Holz eingedrungen. So wurde das gute Stück nach langer Restaurationszeit im April 2017 auf dem HSC-Gelände neu getauft und anschließend vor den Augen vieler Clubmitglieder und Gäste feierlich in die Alster geslippt.
Letzte Woche im Hamburg erfuhr das Projekt nun die Ehrung durch den Freundeskreis Klassischer Yachten. Torsten Conradi überreichte den Preis „Segeln Lieben Bewahren“ in Form einer vom Hamburger Künstler und Illustrator Hinnerk Bodendieck geschaffenen Plakette. Die Auszeichnung nahm der HSC-Vereinsvorsitzende Daniel Baum stellvertretend für den Club und dessen Mitglieder in Empfang.
Vielseitig und gar nicht langsam
Viele mochten sich über die Bezeichnung „Puschen“ für ein Segelboot gewundert haben. Puschen, das klingt zwar niedlich und passt vielleicht zur Bootsgröße. Aber es lässt Unbedarfte irgendwie auch an „langsam“ und „behäbig“ denken. Doch soll der Puschen ganz und gar nicht langsam gewesen sein.
Andreas Borrink erinnert sich nach der Laudatio an seine Segelabenteuer während der Schulzeit in Hamburg: „Mit diesem Boot habe ich meine ersten Segelversuche gemacht. Wir waren nach der Schule spätestens um zwei Uhr nachmittags auf der Alster und setzten die Segel. Man kann dieses Boot auch sehr schön allein segeln. Und ich erinnere mich an ein Erlebnis, wo ich bei 4 bis 5 Windstärken mit dem Ding und unter Spi richtig ins Fliegen kam.“
Sein Fazit: „Ein Puschen ist viel sportlicher, als man meint. Er ist auch keineswegs untertakelt. Das erkennt man, wenn man sich die Proportionen mal genau ansieht.“
Kentert nie, läuft aber immer voll
Man kenterte mit dem Puschen eigentlich nie, aber es lief immer voll. Damit ist es ähnlich wie die Chiemseeplätten. Dieser Bootstyp aus dem Süden hat das gleiche Problem wie der Puschen. Borrinks Bilanz: „Da läuft das Wasser über die Kante, und irgendwann ist man Oberkante Unterlippe. Das hatten wir sehr oft.“
Abgesehen davon ist das Boot sehr vielseitig, und es war ein beliebtes Wanderboot. „Die Generationen vor mir sind damit bis nach Ratzeburg durch den Kanal. Die haben darin geschlafen, unter der Persenning gekocht und auf dem See gegen die Ratzeburger Segeljugend Vergleichswettfahrten gesegelt. Man kann wirklich viel damit machen“, so Borrink. Durchgesetzt hat es sich nicht.
Über den norddeutschen Raum hinaus hat sich der Puschen nie weiter verbreiten können. Die Revierklasse, von der rund 100 Einheiten gebaut worden sind, wurde nie vom Deutschen Segler-Verband als offizielles Jugendboot anerkannt. Als später der internationale Opti und der nationale Teenie die Ausbildungsszene beherrschten, war die Zeit für Mickyboot und Puschen abgelaufen.