Mai in Berlin. Die Kastanien tragen Kerzen und beleuchten die Stadt. Der Nachmittag ist warm und sonnig – der perfekte Moment für eine Bootstour durch Berlin. Ich klappe den Laptop zu, nehme die Kameratasche und springe ins Auto. Heute mache ich die Berliner Innenstadt-Bootstour: mit der iSloep Rapida 990.
Von der Oberspree flussabwärts Richtung Zentrum, hinter dem Molecule Man und dem Badeschiff links rein in die Oberbaumschleuse, deren Schleuser keinen guten Ruf genießen, weil man ewig warten muss. Aber heute ist ein guter Tag. Ich komme gerade richtig an, als die beiden Boote durch die Schleuse fahren. Ich steige aufs Boot und wir fahren in den Landwehrkanal.
Am Steuer meiner Foto-Sloep steht Valerian Dahmen, der Hafenmeister der Citymarina Hafen & Hof. Hinter uns fährt „Pina“, die Neue in der Spreeboote-Flotte – eine iSloep Rapida 990. Frank Richert, der Besitzer von Spreeboote, hat es gemeinsam mit dem Hafenmeister für die an der Rummelsburger Bucht stationierte Vermietflotte ausgesucht. Das Boot ist, anders als traditionelle Sloepen, ein moderner Tender im klassischen Look, mit großer Sonnenliege und einer Vorschiffskajüte.

Frank ist mit Freunden an Bord, man ist zu sechst. Der Platz an Deck reicht für 14 Personen, in der Vermietung wird das Boot für acht Personen plus Skipper angeboten. Das Deck hat drei Bereiche: das Vorschiff mit Kajüte, dann der Mittschiffsbereich mit Steuerstand, zwei großen Sofas und einem Tisch in der Mitte. Im Heck sind eine große Sonnenliege und die Badeplattform. Das breite Gangbord erlaubt es, dass die Gäste sich während der Fahrt überall auf dem Boot bewegen können. Die Badeplattform ist so groß, dass man auch hier gut sitzen kann.

Die aus dem Süden Hollands stammende Rapida 990 ist solide gebaut. Alle Boote von iSloep werden in Alphen aan den Rijn vom eigenen Naval-Architekten entworfen. Die Rumpfschalen werden in Polen im Handauflegeverfahren gefertigt. In Holland werden die Sloepen individuell nach Kundenwunsch ausgestattet. Frank Richert hat nicht gespart: Er wollte für seine Gäste ein Boot mit hochwertiger Ausstattung.
Vorbei am Dreiländereck, wo der Neuköllner Schifffahrtskanal abzweigt, fahren wir rechts weiter durch den Landwehrkanal. Hier, wo sich Kreuzberg und Neukölln zu Kreuzkölln vereinen, sitzt das hippe und internationale Berlin-Publikum am Ufer, das Bier in der Hand und den Laptop auf dem Schoß. Die Stimmung ist entspannt.

Wir fahren unter der Admiralbrücke durch, die in den letzten Jahren durch die bottle partys junger Berlin-Touristen bekannt geworden ist, und kommen in den Urbanhafen. Wo vor 100 Jahren Kohleschiffe zum Verladen lagen, haben heute Restaurantschiffe wie das Van Loon dauerhaft festgemacht. Auf dem Wasser tummelt sich alles, was irgendwie schwimmen kann. An den Ufern sitzen unter den Trauerweiden, gar nicht traurig, die Kreuzberger.

Mir gefällt das cognacfarbene Teak auf dem Deck. Es harmoniert sehr schön mit dem Schwarz des Rumpfs und den Stoffpolstern in Grau. Frank Richert legt Wert auf das Design seiner Boote: Klassisch und gleichzeitig modern sollen sie sein, und diesen Anspruch erfüllt die Rapida ganz klar. Das Lebensgefühl, auf dem Wasser zu sein, ist in Berlin wichtiger als Geschwindigkeit.


Entsprechend relaxt ist bei Manufaktur-Limonade, Rosé-Wein, und Bier die Stimmung an Bord. Die Getränke kommen aus dem riesigen Kühlschrank mittschiffs unter der Sitzbank. Acht Sechser-Pakete mit 1,5-Liter-Flaschen Wasser oder drei Kästen Bier lassen sich hier stauen. Oder Champagner – wonach einem der Sinn eben steht.

Wir lassen das Technikmuseum links und die Neue Nationalgalerie rechts von uns liegen, kommen zur ehemaligen Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau mit dem überdimensionalen rosafarbenen Rohr des Umlauftanks, das die Uferbäume überragt, und fahren in die Unterschleuse Landwehrkanal. Die Gäste im Ausflugslokal Schleusenkrug könnten uns fast das Würstchen herüberreichen. Der Blick auf das Treiben im Biergarten regt den Appetit an.

Die Gäste an Bord der „Pina“ packen aus: Einmachgläschen mit Currywurst, Cremes, Pasten und Salaten, alles frisch zubereitet in der Hafenküche, dem Restaurant von Hafen & Hof. Aus den Picknickkisten frisch auf den Tisch. Man kann an Bord auch grillen: Spreeboote stellt dafür einen Lotus-Grill zur Verfügung, der ganz einfach in der Backskiste verstaut werden kann.

Hinter der Schleuse biegen wir wieder in die Spree ein. Bis zum Kanzleramt sind es nur drei Biegungen durch Moabit, dann kommen schön Bellevue und der Tiergarten. Wir fahren so nah am Kanzleramt vorbei, dass nur noch Frau Merkel fehlt, die winkend auf dem Balkon steht. Gegenüber dem Hauptbahnhof liegen Sonnenbadegäste in Liegestühlen. Auch hier wird uns gewunken, wir kommen gut an. Die Abendsonne und der gute Sound aus der Fusion-Audioanlage – zu bedienen per Bluetooth und Handy – heben die Stimmung an Bord.
Selbst mir als Berlinerin verschlägt dieser Abschnitt der Spree immer wieder den Atem: Aus der Wasserperspektive ist das Ensemble mit den beiden, durch die Spree geteilten Abgeordnetenbüros, dem Paul-Löbe-Haus und dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, und dem anschließenden Reichstag ein ganz besonderes Erlebnis.


Hier schalten wir von elektrischem Antrieb auf Diesel um. Die Werft bietet die iSloep Rapida 990 mit einem Commonrail-Dieselmotor von Yanmar mit maximal 110 PS an, höher motorisiert auch mit Volvo Penta bis maximal 220 PS. Im Spreeboote-Schiff läuft eine Hybrid-Motorisierung aus 110-PS-Yanmar-Diesel mit einem Kräutler-Elektromotor mit 5 kW Leistung. Für die Doppelmotorisierung gibt es zwei Steuerhebel, die unabhängig voneinander sind. Die Batterien für den Elektroantrieb werden durch den Diesel-Motor während der Fahrt aufgeladen.


In der Innenstadt Berlins dürfen wir sowieso meistens nur 10 km/h fahren, auch wenn die Rapida weit mehr unter der Haube hat. Der Rumpf des Tenders ist mit fast 10 Metern Länge und 2,65 Metern Breite relativ lang und schmal. Das Unterwasserschiff läuft nicht in einem geraden Strak, sondern in einem negativen Knick. Damit hat das Boot auch bei höheren Geschwindigkeiten eine lange Kiellinie und lässt sich sehr gut fahren. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 32 km/h büßt es von der Wendigkeit deshalb nicht viel ein.
Die Batterien halten bei einer Geschwindigkeit bis 9,5 Stundenkilometern etwa eineinhalb Stunden. „Das Schöne an dieser Motorisierung ist, dass es das Fahrgebiet in Berlin um einige Strecken erweitert.“ sagt Valerian Dahmen.
Mit dem E-Motor können wir am Müggelsee außerhalb des Fahrwassers fahren und so lauschige Buchten oder Badestellen erreichen, die uns ansonsten verwehrt bleiben.
Am Tränenpalast vorbei, wo schon lange keiner mehr weinen muss, außer eventuell über die Bausünde Spreedreieck, die der Hamburger Projektentwickler Harm Müller-Spreer dort hingesetzt hat, fahren wir in der späten Abendsonne auf das Bodemuseum zu, wo vor kurzem eine millionenschwere Münze gestohlen wurde. Das Kreuz auf der Kuppel des Berliner Doms leuchtet aber noch golden.


Das hydraulische Steuer der Rapida läuft leicht und reagiert präzise. Das große Holzlenkrad fühlt sich gut an. Am Steuer habe ich freien Blick, die nach vorn hin aufgespannte Persenning stört die Sicht nicht. Anderthalb Bootslängen im Durchmesser benötigt die „Pina“ in Normalfahrt zum Wenden, mit dem eingebauten Bugstrahlruder dreht das Spreeboot auf dem Teller. Das gibt unerfahrenen Skippern die Sicherheit, das Boot auch in engen Situationen manövrieren zu können. Mit einem Tiefgang von 0,70 m und einer Höhe von 1,24 m überm Wasser ist die Rapida perfekt für niedrige Brücken und flache Kanäle geeignet.
Rechts kommt jetzt die Baustelle des neuen Stadtschlosses, die zur Spree hin ganz modern gestaltet ist. Kurz danach machen wir vor der Mühlendammschleuse fest. Die Sonne ist jetzt untergegangen. Hinter der Schleuse geht’s vorbei am Historischen Hafen mit seinen vielen klassischen Stahlschiffen, dann kommt das Gelände der ehemaligen Strandbar Kater Holzig, deren Betreiber mit der Genossenschaft Holzmarkt Investoren erfolgreich trotzen konnten. Dann, am Osthafen, schließt sich ein Investorenprojekt ans andere an – die Konzert-Arena am Ostbahnhof, Universal Music, Coca Cola, MTV. Aber davor liegt die Oberbaumbrücke, und dieser Blick allein ist die ganze Tour wert, so schön ist das.

An Bord bietet die Kajüte der iSloep Platz zum Schlafen für zwei Erwachsene und ein kleines Kind. In der Spreeboote-Version ist die Rapida für den Tages-Charterbetrieb ausgelegt, nicht zum Übernachten. Das Boot ist aber mit einer Bordtoilette ausgestattet.




Wer die Tour andersherum, also Richtung Müggelsee fährt, kann mit der Rapida per Elektromotor in lauschigen Uferbereichen ankern und dort schwimmen gehen. Die Borddusche ist sogar mit warmem Wasser ausgestattet. Wenn ich das nächste Mal mit der „Pina“ unterwegs bin, werde ich das ausprobieren. Und das wird nicht lange dauern. Sobald das Wasser warm ist, nach Pfingsten…
Selbst leihen
Der Bootsverleih befindet sich citynah direkt an der Spree in Berlin. Zu Fuß zu erreichen über den Uferwanderweg am Rummelsburger See, vom Wasser aus bei km 23,9 der Spree, Einfahrt Rummelsburger Bucht. Spreeboote verfügt über keine Parkplätze an seinem Standort.
Spreeboote, Zur Alten Flussbadeanstalt 5, 10317 Berlin, (030) 422 199 299, Preisliste
Technische Daten iSloep Rapida 990
Länge: | 9,90 m | |
Breite: | 2,65 m | |
Tiefgang: | 0,70 m | |
Höhe über Wasserlinie: | 1,24 m | |
Gewicht: | 2,5 t | |
Motorisierung: | ab 42 PS (von Craftsman) | |
Preis: | ab 64.990 Euro |