Auch in der DDR experimentieren Bootsbauer in den 1960er-Jahren mit modernen Materialien und Bauformen. Allen voran war der Schiffbauer Ulrich Czerwonka. Sein Plan: Ein bewährtes, aber veraltetes Baumuster in Rente zu schicken. „Beim Versuch, ein Nachfolgeboot für den so beliebten, aber überlebten Piraten zu schaffen, kam ich auf diese Idee“, wird er später bei der Vorstellung seines neuen Boots sagen. Die Ixylon war geboren, ein „Boot für Frau X und Herrn Y“.
Auch Corona konnte der Feierstimmung zum Jubiläumsjahr zum 50. Geburtstag nicht anhaben. Und der Produzent hat sich eines weiteren Klassikers angenommen. Die West-Jolle Gruben 17 wird seit 2020 wie die Ixylon in Bitterfeld produziert.

Nur vier Jahre Lieferzeit
Das Konzept von Ullrich Czerwonka ist nur zehn Zentimeter länger als der Vorkriegs-Riss, aber mit modernem Rumpf und Rigg neu gedacht. Als der Prototyp auf der 6. Boots- und Freizeitschau „Expovita 69“ in Berlin-Grünau präsentiert wurde, war sie für die DDR-Segler der Hauptanziehungspunkt schlechthin.
Das als Wander- und schnelle Regattajolle konzipierte Boot aus GFP, also „Glasfaserverstärkte Plaste“, wie das GFK-Pendant im Osten hieß, wurde in der Standardversion als „Tourist“ angeboten. Das Boot war preiswert und – für DDR-Verhältnisse optimal: Denn schon nach vier Jahren ab Bestellung war es lieferbar.
Spagat zwischen Wander- und Regattajolle
Die Namensgebung unterstreicht den Anspruch: Hier steht nicht weniger als ein Volksboot, noch dazu für jede Gelegenheit. Dass der Plan aufgeht, bestätigt Robert Mühlner, Vorsitzender der Klassenvereinigung aus Plau am See: „Den Spagat zwischen Wander- und Regattajolle kriegt die Ixylon gut hin.“


Für ausgiebige Erkundungen der Binnenreviere im Osten Deutschlands eignete sich die Ixylon aufgrund des praktischen Klappmasts und der üppigen Staumöglichkeiten. Die beiden Seitenschwerter machen es möglich, bequem im Boot zu übernachten und sorgen zudem dafür, dass sich die Jolle vergleichsweise stabil segeln lässt. Großzügig bemessene Auftriebskörper halten das Boot selbst im vollgelaufenen Zustand schwimmfähg.
Im Gegensatz zum Piraten, der zu dieser Zeit noch vielfach aus Holz gefertigt, ist die Ixylon die erste Jolle in der DDR, die vollständig aus Kunststoff hergestellt wird. 1970, vor 50 Jahren also, beginnt die Serienproduktion. Bis 1973 ist das Boot bestückt mit Holzmast, ab dann mit einem Alurigg. Damals schon sind drei Produktionstypen vorgesehen: Neben dem Standardangebot gibt es auch eine Fahrten- und die Regattaausführung. Sie ist sportlich zu segeln mit Spinnaker und Trapez.

Regattasegler sind anfang skeptisch
Zunächst ist man sehr skeptisch, ob sich die Jolle durchsetzen wird. Vor allem die Regattasegler im Berliner Osten, wo seit Jahrzehnten intensiver Sport in den etablierten Jollenklassen betrieben wird, stößt die neue Konstruktion auf Kritik. Aber dann sprechen sich ihre mannigfaltigen Vorteile herum.
Bereits 1973 erhält sie den Status einer nationalen Klasse des BDS. Ein Jahr später wird auf dem Müggelsee in Berlin die erste Meisterschaft ausgetragen. 1976 wird die Klasse sogar international. Die Kritiker verstummen schließlich – dabei steht der Ixylon ihr größter Triumph noch bevor.

Als 1990 die letzte offizielle DDR-Meisterschaft stattfindet, passieren 43 Mannschaften die Startlinie. In der Folgezeit sterben viele ostdeutsche Produkte einen leisen Tod: Trabant, Simson-Schwalbe, Sternradio – sie alle verlieren angesichts der vielen neuen Westwaren an Attraktivität, den Ostmarken laufen die Kunden davon.
Unbeschadet durch die Wendezeit
Nicht aber die Ixylon: Viele Ostberliner Regattasegler bleiben ihrem Boot treu und nehmen es mit in die neue Zeit. Die Berliner Yachtwerft hat zwar bereits 1989, vielleicht schon in Anbetracht der Entwicklung im (noch) geteilten Deutschland, die Produktion der Jollen eingestellt. Der BDS fordert aber, dass „im Interesse aller Sportler der DDR“, die Jolle „als eines der verbreitetsten Fahrten- und Regattaboote unserer Republik (…) als Einheitsklasse des BDS wieder ins Produktionsprogramm aufzunehmen.“

Gesagt, getan: 1990 wird dann aus dem VEB Yachtwerft Berlin die Yacht Berlin GmbH. Diese baut die Jolle zunächst bis 1996 weiter. 1991 wird die Ixylon als Einheitsklasse in den DSV übernommen. Im selben Jahr wird auch eine Klassenvereinigung gegründet.
Erfolgreiche Fortführung nach 1990
Ende 1996 übernimmt die BTM Marine Wassersport GmbH in Bitterfeld Bau und Generalvertrieb für die Ixylon, zwei Jahre später dann die Formen und Rechte. Dass das traditionsreiche und beliebte Segelboot nicht mit der Insolvenz der Yachtwerft Berlin unterging, liegt vor allem an den hartnäckigen Verhandlungen des neuen Herstellers BTM Marine Wassersport GmbH.