Im Zuge unserer Klassiker-Berichterstattung zur Viermastbark Peking bekam float die Anfrage der Stiftung Hamburg Maritim, auch über den Lotsenschoner No. 5 „Elbe“ zu berichten. „Unser historischer Lotsenschoner von 1883 hat gerade rund 8-9 Monate Werftaufenthalt hinter sich. Dabei wurden intensive Arbeiten am ganzen Schiff durchgeführt. Seit dem 29. Mai ist das Schiff wieder in Hamburg und ist sogleich auf Gästefahrten unterwegs. Vielleicht ist dieses Schiff ja eine spannende Story für Sie.“
Dazu kam es leider nicht mehr. Der 38 Meter lange, vom Verein Freunde des Lotsenschoners No 5 Elbe getragene Zweimaster geriet am Pfingstsamstag in eine folgenschwere Kollision mit einem Containerschiff. Und das während einer Ausfahrt auf der Elbe flussabwärts hinter Hamburg mit 43 Personen an Bord. Noch ist die Ursache für die Havarie unklar. Die Ermittlungen laufen. Hier die neuesten Erkenntnisse von Pfingstmontag.
UPDATE: Polizei gibt erste Erkenntnisse bekannt
Nach dem bisherigen Erkenntnisstand lief das unter der Flagge Zyperns fahrende Containerschiff – Länge: 142 Meter, Breite 20 Meter – unter Lotsenberatung auf der nördlichen Fahrwasserseite elbabwärts in Richtung Cuxhaven. In Höhe Stadersand kam es, so heißt es seitens der Polizei Hamburg „aus noch ungeklärter Ursache“ zur Kollision mit dem Traditionssegler.
Die Ermittlungen zur Unfallursache dauern an. Florian Abbenseth von der Polzei Hamburg erklärte am Pfingsmontag: „Da im Fahrwasser grundsätzlich ein Rechtsfahrgebot gilt, wird insbesondere auch geprüft, warum der Traditionssegler dem Containerschiff im nördlichen Fahrwasser zunächst offenbar entgegen kam und welches Manöver ursächlich für die Kollision war. Auch gilt es zu klären, ob bzw. inwieweit der Schiffsführer des Traditionsseglers auf Funkansprachen reagierte.“

float hatte zunächst berichtet, dass die Unglücksursache bereits feststehe. Nach einem Bericht des Stader Tageblatts „missglückte der Mannschaft des Ausflugsschiffs die Wende“. Kurz vor der Schwinge-Mündung soll der Schoner das Hauptfahrwasser direkt vor dem „Astrosprinter“ gequert haben und wurde gerammt. Wie float auf Anfrage erfuhr, beruft sich der Polizeireporter der Zeitung dabei auf Aussagen von Passagieren und Einsatzkräften direkt nach der Rettung.
Diese Aussage wird offiziell nicht bestätigt. Die am Einsatz beteiligte DLRG Stade und Stephan Woitera, der Ortsbrandmeister von Stade, verwiesen auf Nachfrage von float auf die Wasserschutzpolizei Hamburg als ermittelnde Behörde.
Der Schoner unterliegt den besonderen Vorschriften der Passagierschifffahrt. Die Kapitäne und Steuerleute des Schiffs müssen regelmäßig zur Berufsgenossenschaft See. Steuermänner und Steuerfrauen müssen den Sportseeschifferschein und den Traditionssschifferschein nachweisen. Die übrigen Crew-Mitglieder durchlaufen, wenn sie regelmäßig fahren, ein umfangreiches Ausbildungsprogramm. Sie müssen ab der Stufe „Matrose“ unter anderem die Teilnahme an einem Sicherheitstraining nachweisen.
Glücklicher Zufall verhindert Katastrophe
Dass die Havarie nicht in einer Katastrophe endete, ist einer glücklichen Fügung zu verdanken, berichtet die Freiwillige Feuerwehr Stade. DLRG-Rettungsboote sowie ein Hilfeleistungslöschboot der Feuerwehr Stade befanden sich wegen eines anderen Einsatzes in der Nähe. Ein Segelboot war aufgelaufen, doch schnell war klar, dass der Segler keine Hilfe benötigte und auf einen höheren Wasserstand warten wollte.
In dieser Situation beobachteten die Bootsbesatzungen die Kollision der beiden Schiffe und griffen sofort ein. Ein zufällig anwesender Fotograf dokumentierte den Einsatz. Im Einsatzbericht der Feuerwehr heißt es: „Während das Containerschiff seinen Kurs fortsetzte, blieb der Segler mit 43 Menschen an Bord manövrierunfähig im Fahrwasser der Elbe zurück. Er war leckgeschlagen und drohte zu sinken.“
Und weiter: „Unverzüglich nahm das DLRG-Boot Kiek Ut den Havaristen an den Haken, um ihn so schnell wie möglich in den Fluss Schwinge zu ziehen, so lange das Schiff noch schwamm. Währenddessen wurden durch die Besatzung des Feuerwehrboots Henry Köpcke die Verletzten gesichtet und teilweise auf das Feuerwehrboot gebracht.“

Buchstäblich im letzten Moment erreichte der Schleppverband die Schwinge-Mündung in Stadersand, als das Segelschiff bereits eine bedrohliche Schieflage erreicht hatte und schließlich unterging.
Gäste unter Schock
An Bord der Elbe No. 5 waren neben 14 Besatzungsmitgliedern 29 Gäste. Acht Personen hatten sich verletzt und mussten ärztlich behandelt werden, eine so schwer, dass sie im Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus nach Altona geflogen wurde. „Nicht nur die Verletzungen waren zu behandeln“, auch einige der Bordgäste, die nicht verletzt worden waren, „standen sichtlich unter Schock und benötigten Zuwendung“, wie die Feuerwehr berichtet.
Obwohl die Einsatzkräfte mit mehreren Pumpen von Feuerwehr und DLRG versuchten, das Wasser aus dem Segelschiff zu bekommen und mit Seilwinden den Lotsenschoner an der Wasseroberfläche zu halten, lief es immer weiter voll.
Rund 150 Einsatzkräfte waren an der Aktion beteiligt. Wenn DLRG und Feuerwehr nicht auf der Elbe gewesen wären, hätten die Schiffbrüchigen, so die Einschätzung der Feuerwehr, etwa 15 Minuten auf Hilfe warten müssen. „Der Segler wäre wohl im Elbfahrwasser gesunken und die 43 Menschen hätten im Wasser um ihr Leben kämpfen müssen.“

Ermittlungen haben begonnen
Ein Bergungsunternehmen aus Hamburg schickte Experten, die in den kommenden Tagen in Zusammenarbeit mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt die Bergung des Wracks organisieren sollen. Vorsorglich wurde um den Havaristen eine Ölsperre ausgelegt.
Die Ermittler der Stader Polizeiinspektion und der Wasserschutzpolizei aus Stade und Hamburg begannen sofort mit der Rekonstruktion der Ereignisse. Der Kapitän des Containerschiffs setzte die Fahrt in Abstimmung mit den Behörden zunächst bis Brunsbüttel fort und ankerte dort im Bereich der Nordost-Reede. Später konnte das Feederschiff seine Reise in Richtung Deutsche Bucht fortsetzen.
In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, wie es mit dem gerade in Dänemark frisch überholten Gaffelschoner weitergehen wird. Hamburgs letztes erhaltenes Seeschiff aus der Ära des Holzschiffbaus lief 1883 auf der Werft von H. C. Stülcken auf Steinwerder vom Stapel. Über 30 Jahre lang war es die Aufgabe des Gaffelschoners, Lotsen in der Elbmündung und der Deutschen Bucht zu versetzen.

Von Seiten des Freunde des Lotsenschoners No. 5 Elbe e.V. war nur eine knappe Stellungnahme zu erhalten: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns, vor dem Hintergrund der anstehenden Ermittlungen, hier nicht zum Unfallhergang äußern. Die Sachverständigen und der Eigner werden festlegen, wie es weiter gehen kann.“
Gerade erst 1.400 Manntage investiert
Nach einer wechselvollen Geschichte, in der das Schiff unter anderem Kap Hoorn umrundete, holte die Stiftung Hamburg Maritim den Schoner 2002 zurück nach Hamburg und restaurierte es. Seit 2007 ist der Lotsenschoner No. 5 Elbe mit Gästen auf der Elbe unterwegs.
2018 erfolgte die umfangreiche Restaurierung des Rumpfes in der dänischen Werft „Hvide Sande“. Viele Spanten, Teile der Innenwegerung und ein Großteil der acht Zentimeter dicken Eichenplanken wurden dabei ersetzt. Mehr als 1.400 Manntage wurde an dem Schiff gearbeitet, bevor es am Ende Mai 2019 nach Hamburg in den Sandtorhafen zurückkehrte.
Die Restaurierungsarbeiten der Elbe No. 5 zeigt diese Bildgalerie des NDR Fernsehens.
In einer früheren Fassung hatten wir fälschlich geschrieben, dass die Berufsschifffahrt stets Vorrang auf den Elbgewässern habe. Diese Unterscheidung trifft nicht zu.
Ein Kommentar
[…] der dramatischen Kollision des frisch sanierten klassischen Lotsenschoners mit dem elbabwärts fahrenden Frachtschiff […]