Die Ostsee als Zeitkapsel: In 140 Metern Tiefe hat dieses alte Schiff die Jahrhunderte fast unbeschadet überstanden. Seit gut 500 Jahren lag dieser hölzerne Zeitzeuge auf dem Meeresboden, wartete dort unten auf seine Entdeckung.
Der 16 Meter lange Holzrumpf weist strukturell kaum Schäden auf. Das berichtet die archäologische Fakultät der Uni Southampton in einem ersten Untersuchungsbericht. Sogar das Oberdeck und Teile des stehenden Guts sind noch erhalten.
Wie bei Dornröschen
Der namenlose Segler ist das aktuell best erhaltene Schiff seiner Zeit. Neben intakten Kanonen auf Drehbassen identifizierten die Unterwasser-Archäologen so seltene Überbleibsel wie eine hölzerne Bilgenpumpe, den Anker mitsamt hölzernem Spill (große Winsch). Es gibt sogar ein Beiboot, das ungenutzt am Hauptmast lehnt.

„Der Erhaltungszustand ist wirklich erstaunlich“, sagt der Tiefsee-Archäologe Rodrigo Pacheco-Ruiz, der mit einem internationalen Forscherteam der Universität Southampton und Stockholm die Untersuchung durchführte. Das Schiff ist ein Zeitgenosse der Santa Maria und anderer Entdecker-Schiffe – doch vom Typus sei es eher nordeuropäisch, so Pacheco-Ruiz.
direkt zum VideoFotogrammetrisches Modell des gesunkenen Schiffs
Das Wrack war schon 2009 von schwedischen Wissenschaftlern im Rahmen einer Sonar-Untersuchung des Seebodens gefunden worden. Doch erst jetzt hat die genauere Erkundung mit einer modernen Tauchdrohne seine große Bedeutung zutage gefördert. Allerdings wirft der Fund neue Fragen auf.
Warum sank das Schiff?
Die spannendste Frage: Warum sank das Schiff? Ein Leck wurde bei dem Robot-Tauchgang in 140 Metern Tiefe nicht geortet. Das unversehrte Dinghi zeigt, dass die Besatzung offenbar auf anderem Wege von Bord kam. Oder ging sie mit dem Segelschiff, das anscheinend ein Kauffahrer war, in einem Sturm unter? Das könnten weitere Tauchausflüge zu dem Dreimaster ergründen. Die Herkunft des Schiffs scheint dagegen klar zu sein. Nach Einschätzung der Wissenschaftler stammte der Segler aus Dänemark oder Schweden.
Warum ist das Schiff so gut erhalten?
Sein guter Erhaltungszustand resultiert aus der besonderen Zusammensetzung des Wassers. Die Gewässer südöstlich von Schweden – und auch anderswo in der Ostsee – enthalten in dieser Tiefe wenig Sauerstoff. Das Meer ist hier zudem sehr kalt. Das verhindert die Ausbreitung von Mikroorganismen, die das Holz von Rumpf und Rigg zersetzen könnten.
Eines der bekanntesten historischen Wracks dieser Epoche ist die so genannte Bremer Kogge aus dem späten 14. Jahrhundert. Sie wurde 1962 in der Weser entdeckt und zehn Jahre später im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven ausgestellt. Allerdings ist dieser etwa 20 Meter lange Vorläufer des aktuellen Tiefseefunds bei weitem nicht so gut erhalten.
direkt zum VideoUnterwasseraufnahmen des unversehrten Schiffswracks