Dieser Bug giert gen Skagerrak. Einer knapp 15 Meter langen Alu-Yacht genügt es nicht, in der Ostsee zu planschen und die Stellnetze zu umkurven. Sie will ins Blauwasser stechen. Genau für diese große Fahrt wurde die Allures-Reihe Anfang der 2000er gegründet. Auch die aktuelle Version der Allures 45.9 ist ganz auf diese Königsdisziplin eingestellt.
Nun gut, wir ziehen nur der Flensburger Förde einen sauberen Scheitel. Aber an diesem sonnenüberspannten Spätnovembertag kann sich auch der verstockteste Realist am Ruder der Allures „Tinka“ leicht einbilden, die dänische Küste wäre El Hierro und der Passat würde gleich lossschieben.
Der Flensburger Eigner der „Tinka“ ist Realist und Träumer in einem. Er hat sich für die Allures 45.9 entschieden, weil ein Alu-Rumpf handfeste praktische Vorteile bietet – und weil er die Abenteuer-Gene im Skipper ankitzelt. Wer am Ruder einer Allures steht, hört den Lockruf der Ferne. Der große Trumpf der Allures ist ihre sanfte Verführungskunst.
Anders als beispielsweise bei einer Ovni und den meisten Alu-Eigenbauten sind Deck und Cockpit bei Allures aus GFK gefertigt. Während der Alu-Rumpf fürs Blauwasser keine Kompromisse an die Funktionalität macht, bieten die GFK-Aufbauten allen ästhetischen Komfort, den man von einem schwimmenden Langzeitdomizil erwartet.
Und auch der Ingenieur im Skipper frohlockt: Durch die zwei Materialien wird es möglich, alle Decksschrauben im GFK zu versenken und so zu umgehen, dass das Aluminium riskante Verbindungen mit Fremdmetall eingehen muss.
Mit Aluminium um die Welt
Die berühmteste deutsche Alu-Yacht, die „Kathena Nui“ von Extremsegler Wilfried Erdmann, liegt gleich ums Eck der Flensburger Förde, in der Schlei. Nach zwei Weltumsegelungen schwört Wilfried Erdmann fürs Blauwasser auf das Material. Aluminium sei zwar nicht die günstigste, aber die beste Wahl für Eigner, die „sichere, langlebige Rümpfe mit dem geringsten Gewicht wünschen“.
Die nordfranzösische Werft Allures Yachting, in Deutschland vertreten durch Blue Yachting, verfolgt seit fast 20 Jahren ihr Konzept, Langfahrtyachten aus Aluminium mit GFK-Deck zu bauen. Die drei Modelle zwischen gut 12 und knapp 16 Metern mussten in diesem Zeitraum kaum modifiziert werden. Wie ein Schiff für eine sichere, komfortable und trotzdem sportliche Langfahrt gestaltet sein muss, ist eben weniger von aktuellen Moden als von gewachsenen Erfahrungen abhängig.
Der Rumpf der „Tinka“ ist mit Folie überzogen. Auf den ersten Blick sieht die Allures 45.9 in dieser Version nobel aus, aber ihre besondere Klasse wird erst in den Details auffällig. Ist man erst einmal an Bord, addieren sie sich zu einem Imperativ, dem schon Einhand-Pionier Joshua Slocum Ende des 19. Jahrhunderts folgte: Langfahrt!