Zuerst fallen die beiden Vorstagen des Kutterriggs auf. Sofort entfaltet sich der Passat-Schmetterling vor dem geistigen Auge. Dann sieht man die (wegklappbaren) Maststufen, die Mastkörbe, die hohe, durchlaufende Seereling, die Verlegung von Schoten, Fallen, Reffleinen ins Cockpit.
Das Segelschiff als Lebensmittelpunkt
Und auch da, wo man nichts sieht, geht die Tinka auf Doppelnummer Sicherheit und Effizienz für mehrmonatiges Reisen. Der Rumpf ist als platter Rundspant mit einholbarem Integralschwert ausgeführt, sodass man problemlos trockenfallen kann. Parallel dazu wird eine Schwenkkiel-Variante angeboten, die noch mehr Performance bringt. Im Kartenplotter sind die Reviere von den Kanaren über Korsika bis Hamburg vorinstalliert.

Die optionalen elektrischen Winschen von Lewmar ersetzen das Kurbeln durch einen Knopfdruck. Die Ruderanlage ist redundant mit zwei elektronischen Autopiloten bestückt. Obendrein ist die Aufnahme für eine mechanische Selbststeueranlage am Heckspiegel vorgesehen. Aber Strommangel im Blauwasser muss kein Allures-Eigner fürchten.
Auf dem Heckbügel sind ab Werk Solarpaneele eingeplant, die in Kombination mit einer Silent-Wind-Anlage genug Strom erzeugen, um alle elektrischen Verbraucher zu bedienen. Das schließt neben Navigationsinstrumenten und Positionslichtern unter anderem einen 144-Liter-Kühlschrank, Tiefkühltruhe, Waschmaschine, Beheizung ein. Alles, was man für einen kühlen Kopf und warme Füße braucht, wenn das Schiff zum Lebensmittelpunkt wird.
Der Wind auf der Flensburger Förde ist geizig und launisch. Aber auch die kleinste Bö schnappt die Tinka begierig auf. Dabei liegt sie diszipliniert am Ruder und braucht auch in Böen nur leichte Korrekturen mit zwei Fingern – wohlgemerkt, bei Windstärke 2… . Aber in den aufgefrischten Passagen deutet sie an, wie stabil sie forsch ihre Bahn ziehen will.
Wie mit dem Cayenne auf dem Übungsplatz
In der schmalen Förde kommt man sich mit der 15-Meter-Yacht wie in einem Porsche Cayenne auf dem ADAC-Übungsplatz vor. Beim Halsen zeigt sie sich als Ballerina auf der Zehenspitze. Kaum hat man rund achtern gerufen, ist die Allures schon auf dem neuen Bug. Selbst einem Spargel wie mir wird die Brust weit.

Gute Stube auf See
Unter Deck grüßt einen amerikanische Kirsche unverschnörkelt. Die Druckknöpfe der Türen sind versenkt, die Riegel der Schapps verdeckt, alles ist hell, klar, sachlich-freundlich. Die Stehhöhe kann auch einen ausgewachsenen Wikinger nicht erschüttern. Am Kartentisch können sich zwei Personen gegenübersitzen. Ein echter Beitrag zur Emanzipation beim Kursabstecken (und ein Gewinn für die Mau-Mau-Runde, wie die Eigner-Ehefrau anmerkt).