„Mex“ heißt seit Gründonnerstag das neue Boot vom Typ Vector 6,5, mit dem Lennart Burke an der nächsten Transat 2021 teilnehmen will. In der Abendsonne knallten beim Norddeutschen Regatta Verein e. V. in Hamburg die Korken, als die Mini-Transat-Veteranen Boris Herrmann und Andreas Deubel gemeinsam mit Deubels Tochter Jella das Boot tauften.
Beide Segler standen als Repräsentanten des Trans-Ocean e.V. an Deck, der das in Polen gebaute Serienboot von Konstrukteur Etienne Bertrand für die Transat-Kampagne zur Verfügung stellt. Mex hieß auch der Eintonner, mit dem Vereinsgründer Claus Hehner 1968 erstmals an einer Transpazifik-Regatta teilnahm.

Boris Herrmann als Schirmherr
Mit der Mini-Transat-Kampagne möchte der Trans Ocean e. V. junge Leute für das sportliche Hochseesegeln begeistern und sein Fahrtensegler-Image etwas aufpolieren. Aus einem 15-köpfigen Bewerberfeld wurden die beiden jungen Segler Lennart Burke (21) und Maurice Oster (25) bestimmt, um die Kampagne Mini-Transat 2021 in Angriff zu nehmen. Der Verein wird die weiteren Kosten tragen.
Als Schirmherr der Mini-Transat-Teilnahme fungiert Boris Herrmann, der bereits 2001 an dieser anspruchsvollen Regatta teilnahm und der heute der bekannteste und aktivste deutsche Hochseesegler ist. Er und Andreas Deubel, im Jahr 2017 ebenfalls Mini-Transat-Teilnehmer (Platz 41), werden das junge Team mit ihren Hochseeregatta-Erfahrungen unterstützen.

Mit dem Mini über den großen Teich
Das Mini-Transat wird seit 1977 im zweijährlichen Rhythmus auf 6,50 Meter langen Slups ausgetragen; beim allerersten Rennen segelte der Deutsche Wolfgang Quix in einer Waarship 570 über den Teich. Heute heißt die Veranstaltung Mini-Transat La Boulangère – mit einer französischen Großbäckerei als Hauptsponsor. In diesem Jahr startet sie am 22. Mal.
Das Mini-Transat beginnt in der Regel in La Rochelle und führt mit einem Zwischenstopp auf den Kanaren oder Madeira nach Martinique oder Brasilien. Bei der letzten Ausgabe der Regatta im Jahr 2017 waren zehn Frauen und 72 Männer am Start. 75 von ihnen erreichten das Ziel, nach einer Gesamtzeit von 22 bis 32 Tagen.

Neue Klasse konzipiert
Der große Unterschied bei den Gesamtzeiten liegt in den zwei unterschiedlichen Klassen begründet, in denen die Boote im Mini-Transat starten: Damit auch Teams mit kleinem Budget unter annähernd gleichen Bedingungen teilnehmen können, wurde die Klasse „Série“ konzipiert: Es müssen mindestens 10 Boote eines Typs gebaut sein. Kohlefaser als Baustoff für Rumpf, Mast und Spieren sowie Canting Keels und aufholbare Ruder sind hier nicht zugelassen. Diese Boote haben nach der Kampagne noch einen vernünftigen Marktwert und lassen sich weiterverkaufen.

Im Gegensatz dazu stehen die „Protos“ (Prototypen), die „auf Kante“ gebaut werden: Bei ihnen wird wirklich an jedem Gramm gespart. Hier haben die Konstrukteure beinahe freie Hand hinsichtlich der Baumaterialien, inklusive der Verwendung von Foils. Sie weisen entsprechend mehr Ausfälle auf als die Serienboote, sind dafür aber auch ein gutes Stück schneller. Die Länge ist bei beiden Typen auf 6,50 m beschränkt, die Segelfläche ist frei wählbar und so flitzen die kleinen Kisten mit bis zu 120 qm raumschots über die Atlantikwellen.

Die erlaubten Navigationshilfen sind sehr „back to basic“: Papierseekarten, Kompass, Sextant und Weltempfänger. Punkt. Keine Hilfe von außen. Der Komfort an Bord ist überschaubar, die Zahnbürste wird abgesägt und auf den Schlafsack kann verzichtet werden. Es ist eh nicht mehr als 20 Minuten Schlaf im Ölzeug drin, um Kollisionen zu verhüten. Denn der Autopilot hat keine Augen.
Um für solch eine Tortur fit zu sein, müssen alle, die teilnehmen, bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen 1.500 Seemeilen einhand auf dem Mini bei Regatten absolviert haben und zusätzlich 1.000 sm einhand nonstop auf einer festgelegten Atlantik-Route gesegelt sein. Das Collectif Rochelais Mini-Transat kontrolliert Teilnehmer und Boote akribisch auf die gesetzten Qualifikationsstandards. Es prüft auch, ob der Grab Container für den Sprung in die Rettungsinsel gut mit Seenotmitteln, Funkgerät und 500 g gräßlich schmeckender – aber dafür hoch kalorischer – Notverpflegung gefüllt ist. Nach der Überprüfung wird der Grab Container verplombt.


Das ganze Unternehmen ist keine Kaffeefahrt, auch wenn manche Videos diesen Anschein erwecken. Für die Protagonisten ist es eine große Herausforderung und viele Profi-Segler wie Ellen McArthur, Jörg Riechers, Bruno Peyron und nicht zuletzt Boris Herrmann sind durch diese Schule gegangen.
Da wollen Lennart und Maurice noch hin. Lennart, Melges-24-Skipper mit langer Jollenkarriere, ist als Teilnehmer gesetzt. Zur Zeit tourt er aber noch – nach seinem Abi – mit einem Freund auf einer alten IW 31 um den Atlantik.

Maurice ist eigentlich nur Ersatzskipper, aber mit vollem Herzen dabei. Er ist am Gründonnerstag vor Ort und freut sich wie ein Schneekönig, dass „sein“ Boot endlich auf dem Gelände des NRV e.V. steht. Das Boot befindet sich zwar schon in Reichweite des Krans, aber ins Wasser geht es heute noch nicht. Die letzten Tage waren anstrengend und nervenaufreibend.
Das Boot ist noch längst nicht fertig: Es müssen die Durchbrüche für Echolot und Logge in den Rumpf gebohrt werden, im Alumast fehlen noch die Fallen und die überschaubare Elektronik muss zum Funktionieren gebracht werden. Die Vector 6,5 hat einen so genannten Scow-Bug, der ein bisschen an eine Badewanne erinnert. Stolz prangt die rote Nummer 984 am Bug, die obligatorische Decksbeschriftung fehlt aber noch.

Maurice bringt viel Erfahrung in der Jolle und aus Dickschiff-Offshore-Regatten mit. Er hat sich extra ein Frei-Semester genommen, um im Frühjahr mit dem Schiff zu trainieren und erste Test-Regatten zu absolvieren.

Bootsbauer Andrea Fornaro – ebenfalls Mini-Transat erprobt – legt mit Hand an, damit doch noch alles rechtzeitig fertig wird. Die nächste Regatta wird dann Ende Mai die „Baltic 500“ Doublehand ab Strande sein. Darauf folgt das Mini Fastnet, das am 10. Juni ab Douarnenez in der Bretagne startet. Im Sommer wird auch Lennart von seiner Atlantikumrundung zurück sein und sie können die Kampagne gemeinsam fortführen, bis zum Start des Mini-Transat im Herbst 2021.
Spenden für das ehrgeizige Projekt, das derzeit noch ohne Sponsoren auskommen muss, sind herzlich willkommen.

Warum der Scow-Bug am Mini
Wir haben mit Andreas Deubel, selbst Mini-Transat-Teilnehmer und Schriftführer des Trans-Ocean e. V., über die Segeleigenschaften des neuen Boots gesprochen.
float: Glückwunsch zu dem tollen Mini-Transat-Racer „Mex“, den das Trans-Ocean-Team auf den Kiel gestellt hat. Der Löffelbug sieht etwas merkwürdig aus, was bringt er?
Andreas Deubel: Zunächst einmal eine längere Wasserlinie, das ist gut für’s Kreuzen und bringt raumschots mehr Auftrieb im Vorschiffsbereich. Dadurch unterschneidet ein Scow-Boot deutlich weniger als ein herkömmliches und es segelt auch trockener. Nicht zuletzt vergrößert diese Rumpfform den Innenraum und schafft etwas mehr Komfort.

Das Transatlantik-Rennen, das ihr anpeilt, liegt weit voraus im Herbst 2021. Habt ihr nicht Angst, dass das Konzept bis dahin überholt ist?
In der Mini Szene gibt es immer die Vorreiter, die mit hohem Budget ausgestatteten „Protos“, quasi als Experimentierfeld aus der dann die Serienboote entstehen. Das ist wie beim Motorrennsport die Formel 1. Der Vector 6,50 und der Maxi 6,50 sind im Moment die einzigen Class Série, die diese Bugform haben. Die ersten wurden im Herbst 2018 gebaut. In der diesjährigen Ausgabe des Rennens, das im Herbst startet, wird sich zeigen was sie drauf haben. Zum Start 2021 sind sie dann ausgereift. Wir haben also reichlich Zeit, die Boote zu beobachten, und Lennart und Maurice um zu lernen, damit möglichst perfekt zu segeln.

Seit wann gibt es den Scow-Bug?
Scow-Boote gibt es bereits seit über 100 Jahren an der Ostküste und den großen Seen der USA und in Australien. In der Mini-Szene hielten sie 2001 Einzug mit David Raison. Er ließ als Erster ein Schiff mit Scow Bug bauen und gewann mit dieser legendären 747 (alle Minis sind durchnummeriert) mit dem passenden Namen „Magnum“. Seither sind fast alle Protos mit Scow Bug ausgestattet und im 2017 Race segelten die ersten drei im Ziel (Lipinski, Riechers und Koster) Scow-Protos.
Wie sieht es mit dem Segelverhalten aus?
Schon etwas anders als bei einem herkömmlichen Spitzbugbot, es fährt sich eher wie ein Katamaran An der Kreuz mußt du in der Bö abfallen.
Welche Serienboote gibt es?
Bisher waren die Pogos 1, 2 und 3 die besten Class Mini Séries. Gerade der Pogo 3 hatte schon ein sehr fülliges Vorschiff, aber noch keinen echten Scow Bug. Jetzt gibt es nur den Maxi 6,50, von David Raison entworfen und unseren Vector 6,5 von Étienne Bertrand. Wir werden sehen welches Konzept die breite Nase vorne hat.
Seit der Taufe der „Mex“ am Gründonnerstag ist schon fast eine Woche vergangen. Der Start zur Pornichet Sélect ist nächsten Samstag. Sind das Boot und Maurice schon in Frankreich ?
Leider mussten wir aufgrund technischer Schwirerigkeiten das Unternehmen Pornichet abbrechen. Wir wollten Maurice nicht mit einem halbfertigen Schiff auf See schicken,. Die Mex steht in Hamburg und wird nun in aller Ruhe für die Baltic 500 Ende Mai vorbereitet, die er mit Oliver Tessloff (13. beim Mini Tranat 2017) doublehanded bestreiten wird.
Andy, wir danken Dir für das Gespräch und wünschen eurer Kampagne Mast- und Schotbruch.
Weitere deutsche Mini-Kampagnen
Lina Rixgens, 25, Hamburger Verein Seefahrt (HVS), hat 2017 als erste deutsche Frau auf Rang 46 das Mini Transat beendet. Lina startet auch 2021.
Oliver Tessloff 45, Hamburg, will es nach seinem 13. Platz 2017 auch 2021 wieder angehen.
Marc Eric Sievert, 22, Hamburger Segel Club (HSC), will 2021 mit einem älteren Proto starten.
Oliver Korte 37, Akademischer Segler-Verein (ASV), Aachen, trainiert wie Maurice und Lennart mit einer neuen Vector 6,50 für eine Teilnahme 2021.