Ortstermin in Lorient in Frankreich. Die bretonische Hafenstadt beherbergt seit dem Niedergang ihrer Fischfangindustrie den wahrscheinlich erfolgreichsten Hochsee-Regattahafen Europas: La Base. Vor ehemaligen U-Boot-Bunkern aus dem Zweiten Weltkrieg liegen dort die derzeit spannendsten, weil innovativsten Hochseesegelyachten der Welt.
Doch La Base ist nicht nur im sportlichen Sinne erfolgreich. Der Hafen profiliert sich auch wirtschaftlich, indem er große Hochsee-Kampagnen an sich bindet. Diese wiederum ziehen zukunftsweisende Werften, Zulieferer wie Segelmacher, Carbon-Spezialisten, Rigger, Motoren-Mechaniker und junge Start-Ups mit den verrücktesten Ideen im Kopf und im Computer nach sich.
Zu letzteren Start-Ups zählt SEAir. Das junge Unternehmen surft schon seit der Gründung vor etwa acht Jahren auf der Foiling-Welle und behauptet heute von sich, im Prinzip jedes Boot und jede Yacht zum Fliegen, also zum Foilen zu bringen. Und das ganz egal, ob der Antrieb durch Wind- oder Motorkraft geliefert wird. Die neueste Entwicklung der Franzosen ist das SEAir Flying RIB, das auf einem RIB von Zodiac Nautic basiert.

Vom Segelboot zum RIB
SEAir machte sich zunächst einen Namen mit einem Segel-Prototypen der Mini-6.50-Klasse, dem sie spezielle Foils verpassten – und der im Gegensatz zu Versuchen anderer Unternehmen auffällig stabil und effizient bei unterschiedlichsten Windstärken abhebt und „oben“ bleibt. Ein Erfolg, der in der internationalen Regattaszene für ein gewisses Aufsehen sorgte.
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© Michael Kunst
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© Michael Kunst
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Doch gleichzeitig machten die Entrepreneurs von SEAir auch eine eher ernüchternde Erfahrung: Einen mittlerweile auf 13 Mitarbeiter angewachsenen Betrieb kann man nicht mit dem einen oder anderen Foil an Segelboot-Prototypen über die Runden bringen. Also schauten sie sich nach lukrativeren Märkten für ihre Foil-Ideen um. Und fanden diese bei den Motorbooten, genauer gesagt: bei den RIBs. Die Schlauchboote mit festem Rumpf zählen bekanntlich zu den umsatzstärksten Sparten in der Branche und locken mit hohen Stückzahlen.
So kam es, dass SEAir als erstes Unternehmen weltweit ein RIB zum Fliegen, pardon: zum Foilen brachte. Seit knapp einem Jahr schweben nun diverse RIB-Prototypen unterschiedlicher Länge und mit unterschiedlichen Motorisierungen über die Wasser des französischen Atlantiks und Mittelmeers. Auf Messen wurden und werden die Flying RIBs by SEAir hoch gelobt und mit Innovations-Awards belohnt.

Zodiac ist mit von der Partie
Für die ersten Flying RIBs holten sie sich Weltmarktführer Zodiac als Partner ins Boot, der zudem seine Luxusmarke Avon ins Spiel brachte. Doch sind durchweg positive Kritiken noch lange kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg. Zu einer Serienproduktion konnte sich Zodiac bisher, trotz laufender Partnerschaft, noch für keine seiner Marken entscheiden. SeAir ist deutlich effizienter und aufgrund der Spritersparnis auch ökologischer als konventionelle RIBs.
Bei SEAir gibt man sich allerdings unbeirrt optimistisch. Mittlerweile gebe es vielversprechende Kontakte auf der anderen Seite der Weltkugel. „Wir stehen kurz vor einem entscheidenden Deal“, ist von SeAir zu vernehmen. Und man sei sowieso davon überzeugt, dass die Zukunft des Wassersports auf Foils stattfinden werde. Nicht zuletzt deshalb wolle man sich zukünftig weiterhin voll und ganz den Flying RIBs widmen. Auch wenn die Pläne und Risse für eine foilende 40-Fuß-Segelyacht schon in der Schublade liegen.
SEAir gab float Gelegenheit, ausgedehnte Fahrten auf einem ihrer foilenden RIBs zu unternehmen. Mitbegründer Bertrand Castelnerac stellte sich freundlicherweise als Video-Protagonist zu Verfügung und erklärt die Funktionsweise des Flying RIB.
Unsere Eindrücke von der Ausfahrt mit dem Flying RIB

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Das Äußere
Die seitlichen Foils sind backbord und steuerbord in einem Kasten in die Hartschale des RIBs verbaut. Beim gefahrenen Modell konnte man die Foils elektrisch absenken und wieder anheben. Manuelle Versionen sind ebenfalls erhältlich. Das Heckfoil wurde direkt am Außenborder angebracht. Das Foil schmiegt sich im eingefahrenen Zustand an die Wulst-Form des Schlauchbootes an. Im Boot nimmt der Foilkasten logischerweise Platz seitlich vom Führerhaus weg. Man kann jedoch problemlos über den Kasten steigen. Die Verarbeitung der Foilkästen macht einen guten Eindruck – die Foils als solche sind „state of the art“.
Anfahren
Das Boot beginnt ab ca. 12 Knoten Geschwindigkeit zu foilen. Es stieg bei unserer Ausfahrt nur auf eine geringe Höhe über dem Wasser, da nur sehr wenig Wellengang herrschte. Foiling konnten wir so schon ab etwa 15 cm über der Wasseroberfläche erleben. Die Höhe des Foilens wird mit der Tiefe der abgesenkten Foils bestimmt.
Vom Stand anfahrend hebt sich der Bug des Bootes für kurze Zeit überdurchschnittlich hoch aus dem Wasser, das gesamte Boot nimmt mit steigender Geschwindigkeit Höhe auf, die Bugnase wippt zwei bis dreimal, bleibt dann relativ stabil auf Höhe – übrigens auch, wenn Personen vorne im Bug sitzen.
Foiling
Das Gefühl ist unbeschreiblich. Nach dem Abheben von der Wasseroberfläche kommt man tatsächlich in eine Art Schwebezustand, der – im Mix mit der gefühlt deutlich höheren Geschwindigkeit – wirklich berauschend sein kann. Das Boot hebt sich auf drei „Beinen“ vollständig aus dem Wasser, hat allerdings ein klares Gefälle zum Heckbereich, wo es – Sicherheit! – grundsätzlich immer ersten Kontakt mit Welle und Wasseroberfläche (etwa bei Geschwindigkeitsreduktion) haben wird. Kaum noch Wasserspritzer, kein Wasserrauschen mehr. Wie toll muss das erst mit einem leisen E-Motor sein?
Die Technik
Mit den Foils können bis zu sechs Prozent höhere Geschwindigkeiten erzielt werden. Beim Anfahren kommt man um ein Drittel schneller auf Touren. Und bis zu 25 Prozent Sprit können gespart werden.
Seegang
Es wäre naiv anzunehmen, das Flying RIB habe keinen Kontakt zu Wellen mehr und schwebe grundsätzlich über der Wasseroberfläche. Kleinere Wellen überfährt das foilende Motorboot jedoch, ohne dass man sie spürt. Höhere Wellen trifft das Boot eher von oben und schneidet nur selten seitlich in sie hinein. So ist der Impact in der Welle deutlich niedriger als bei RIBs ohne Foils.
Sicherheit
Kurvenfahrten erledigt das Flying RIB in der Waagerechten – eine seitliche Schräglage, die von vielen RIB-Fahrern als sportlich geschätzt wird, fällt hier also weg. Auf den Foils fährt das Boot stabil – selbst wenn sich die beiden einzigen Passagiere etwa auf eine Seite setzen oder man das Boot absichtlich zum Schaukeln bringen will – es bleibt in der Waagrechten!
Lediglich nach dem Aufprall auf eine Welle war beim erneuten Ansteigen des Bootes auf die Foils mitunter eine unnatürliche seitliche Bewegung des Bootes zu erkennen. Die gab einem zwar nicht das Gefühl von Unsicherheit, ist aber dennoch gewöhnungsbedürftig. Mit ein wenig Fahrübung sei dieses kurze, seitlich Schlingern jedoch problemlos zu beherrschen und sogar zu vermeiden, meint Bertrand Castelnerac. Auch bei höheren Wellen war man noch nicht einmal in der Nähe eines „Nosedive“, dem gefürchteten „Stecker“. Wir haben es in Cannes bei 1,5 Metern Welle ausprobiert.
Eine gelungene Sache
Das Flying RIB von SEAir ist eine gelungene Sache, die Zukunft hat. Das „Flugverhalten“ des Bootes ist schlicht traumhaft, das wassersportliche Erlebnis ist (noch) ziemlich einmalig. Wenn man sich nun noch vorstellt, dass im Prinzip jedes RIB von SEAir mit entsprechenden Foils bestückt werden kann, gibt es eigentlich keinen Grund mehr, noch im Wasser rumzuspritzen, statt über dessen Oberfläche zu schweben. Außer es stört jemanden die Kleinigkeit von 18.000 Euro, die für den Einbau von maßgeschneiderten Foils in ein RIB fällig werden. Da kann man nur sagen: Es ist höchste Zeit für die Serienproduktion von Flying RIBs by SEAir.