Märchen enden üblicherweise mit der Satz „Und wenn sie nicht gestorben sind…“ Doch die Geschichte der FAM, des beliebtesten deutschen Jollenkreuzers, scheint eher als Tragödie angelegt zu sein: Wenn kein Wunder passiert, wird bald Schluss sein mit der Erfolgsstory.
Mehr als 2.500 Exemplare sind in den vergangenen 50 Jahren gebaut worden. Was macht das nur 5,40 Meter lange Boot so beliebt? Offenbar ist es die simple Machart: „Auf einer FAM sind alle gleich. Nur die Körpergröße entscheidet darüber, ob man sich beim Übernachten an Bord sehr oft oder nur oft knufft“, sagt Andreas Delfosse, der für das Magazin „Schwertkurbel“ der FAM-Klassenvereinigung zuständig ist.

Schwert wird gekurbelt
Der ungewöhnliche Titel des Mitteilungsblatts spielt auf eine Besonderheit des Boots an: Das Schwert, mit dem die FAM einen Tiefgang von 1,40 Meter hat, wird in der Kajüte per Kurbel gefiert und aufgeholt. Bei letzterem liegt der FAM-Rumpf nur noch knapp 30 Zentimeter im Wasser. Dann lässt sich das Boot wie eine leichte Jolle bis an den Strand bugsieren – oder, für eine wildromantische Bord-Übernachtung, tief ins Schilf ziehen.
Zweimal im Jahr erscheint Delfosses Publikation und sorgt für regen Austausch unter den Klassen-Kameraden, „FAMAS“ genannt. Die aktive FAM-Familie hat rund 400 Mitglieder.

Und es kommen, versichert der Verbandsredakteur, regelmäßig neue Mitglieder dazu. Die meisten Abgänge würden durch Sterbefälle registriert. „Viele Eigner bleiben in der Klassenvereinigung“, so Andreas Delfosse, „auch wenn sie ihr Boot aus Altersgründen abgeben oder auf ein anderes, zumeist größeres Boot umsteigen.“
Eine klassenlose Klasse
Die Klassensprecher sind stolz darauf, dass die FAM auf ihre Art klassenlos ist. Sie bringt Menschen zusammen, „die im sonstigen Leben wohl eher weniger miteinander zu tun haben“. Es sind alle sozialen Schichten und Einkommensklassen mit der FAM aktiv: Selbstständige, Angestellte, Arbeiter, Professoren, Arbeitslose, Beamte, Menschen mit sehr kleinem Geldbeutel „oder auch welche mit goldenen und schwarzen Kreditkarten“, sagt Delfosse.

Die Klassenvereinigung ist aktiv wie eh und je. Sie unterstützt ihre Mitglieder bei technischen Problemen und hilft bei der Ersatzteilbeschaffung – vor allem bei solchen Dingen, die als normales Zubehör nicht mehr zu beschaffen sind. Denn die FAM ist inzwischen bereits ein Klassiker.
Klepper baute FAM zuerst
Im kommenden Jahr feiert die DSV-Klasse FAM ihren 50. Geburtstag, doch es gibt sie bereits ein Jahr länger. 1969 entstand erstmals eines der kleinen GFK-Boote nach Entwürfen der erfolgreichen Regattasegler Uwe Mares und Hubert Raudaschl. Hersteller war damals die bekannte Klepper-Werft, Namensgeberin der legendären Faltboote. Das Schwert wurde bei dieser Ur-FAM noch per Winsch geholt und gefiert. Ab 1972 wurde die Schwertkurbel eingebaut.

1980 übernahm eine andere Werft das Boot. Gruben Bootsbau in Markdorf am Bodensee stieg in den FAM-Bau ein und erneuerte das Boot. Die Werft, bekannt geworden vor allem durch tausende produzierte Gipsy-Jollen, dann auch die Regattajollen „Jeton“ und „Trainer“, feiert selbst in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen.
Werftchef will aufgeben
Doch seit kurzem hat die Werft die Produktion der FAM wohl mehr oder weniger eingestellt. Doch nicht nur das: Gruben Bootsbau sucht für das gesamte Unternehmen einen Käufer. Das schwäbische Familienunternehmen hat ein Generationenproblem: Von ihren vier Kindern wird keines die Werft übernehmen, erzählt Agnes Gruben im float-Gespräch.

Für Freizeitjollen sei der Markt schwierig, fügt die Ehefrau des fast 83-jährigen Werftchefs hinzu, der indes immer noch umtriebig ist. Ihr Resümee aus 50 Jahren Bootsbau: „Ja, es war viel Arbeit, aber wir hatten eine gute Zeit.“ Auf der boot Düsseldorf verkaufte Gruben Bootsbau in manchen Jahren bis zu hundert Boote pro Messe.
Versucht niemand, den Tod einer erfolgreichen Bootsklasse aufzuhalten? Offenbar kann sich Gruben Bootsbau vorstellen, die Form der FAM zu verkaufen.
Dazu hat es bereits Gespräche mit dem Technik-Obmann der FAM-Klassenvereinigung gegeben. Doch die Preisvorstellung der Werft war den Ehrenamtlichen zu hoch. So kam der Kauf nicht zustande.
Und noch mehr: Auch für die Klassen-Aktiven war die Kalkulation einer Kleinserie nicht wirklich wirtschaftlich abbildbar. Mit dem drohenden Aussterben des FAM-Jollenkreuzers will man sich seitens der Klasse nicht befassen. „Wenn es keine neuen FAM mehr geben wird, dann kümmern wir uns eben nur noch um die aktuell schwimmenden“, so Andreas Delfosse im Originalton. „Da haben wir bestimmt die nächsten 25 bis 30 Jahre noch genug zu tun.“

Platz für kleine Familie
Ist die Zeit des 5,40 m langen und recht einfach ausgerüsteten Boots vielleicht einfach vorbei? Die Angaben eines alten Verkaufsprospekts von Klepper versprachen Platz für eine Familie – ein FAMilienboot – mit vier Personen. 1971, als die Werft mit ihrer von „Seglern für Segler“ entworfenen Konstruktion auf den Markt kam, mag dieses Platzangebot vielleicht noch zufriedenstellend gewesen sein. Damals waren Sieben- bis Achtmeterschiffe schon groß und das Maß aller Dinge.
Heute aber wird das niemand mehr seiner Familie antun. Was scheint also FAM-Interessierten wichtiger zu sein als das vorhandene Platzangebot, wenn sie sich für den Backdecker entscheiden?


Bei der Breite von 2,05 m ist selbst bei diesem Schiff, das in der Länge die Jugendjolle Pirat um gerade einmal 40 cm überragt, der Platz unter Deck ausreichend, um zu zweit unterwegs zu sein – und auch an Bord zu übernachten.
Ein Zelt vergrößert den Lebensraum
Das klappt allerdings nur, wenn man mit Hilfe der optionalen Kojenverbreiterung die Vorschiffs- und Seitenkojen zu einer großen Liegefläche erweitert. Fürs Leben unter Deck: Die maximale Innenhöhe von 1,12 m erlaubt sogar größeren Personen, sich zum Lesen, Kochen oder Essen einigermaßen bequem hinzusetzen. Im Cockpit gibt zwei (jeweils zwei Meter lange) Sitzbänke. Das reicht für vier Personen.

Mit einer Zeltpersenning lässt sich der Wohnbereich im „Endausbau“ über die gesamte Bootslänge erweitern. Stauraum ist in Form von Schwalbennestern und unter dem Cockpitboden vorhanden. In der Plicht gibt es eine Backskiste, die Fender, Festmacher oder sogar einen Außenborder aufnehmen könnte. Und man muss auch nicht im Dunkeln sitzen. Denn seit Jahrzehnten hat der Rumpf je ein Fenster im Rumpf.
Vier bis sechs Regatten jährlich
Als Regattaboot dagegen schwindet die Attraktivität der FAM. Die Regattaszene um den Jollenkreuzer ist, wie bei vielen anderen Klassen auch, kleiner geworden. Früher gab es zehn bis zwölf Ranglistenregatten, die – über die Republik verteilt – mit Startfeldern von 15 bis 20 Booten stattfanden. Heute sind es nur noch vier bis ein halbes Dutzend Regatten. Und es starten dabei meist nur die Ortsansässigen und keine Gäste aus anderen Revieren.

Sicheres Manövrieren
Betritt man das Schiff, gibt der bei der Grundausstattung der Touring-Version im Lieferumfang enthaltene Bugkorb ausreichend Halt. Beim Betreten des Vordecks überrascht die dank der großen Wasserlinienbreite hohe Anfangsstabilität. Das vermittelt vor allem Segel-Einsteigern ein sicheres Gefühl.
Die FAM segelt erstaunlich trocken. Selbst bei größeren Wellen setzt das Vorschiff verhältnismäßig weich ein. Überkommendes Wasser läuft seitlich am Kajütaufbau wieder ab. Man sitzt, durch den Aufbau des Vorschiffs, vor Spritzwasser recht gut geschützt in der Plicht – selbst ohne Sprayhood. Mit der vorhandenen Fock ist man grundsätzlich gut bedient. Für leichtere Winde sorgt dann eine Genua für mehr Fahrt. Frischt der Wind noch mehr auf, kann auch eine Sturmfock gesetzt werden.

Mit Spi lässt sich der Segelspaß noch steigern. Das Schwert kann mit Hilfe einer kleinen Kurbel an der Schwertkastenvorderkante geholt werden. Dabei ist die Stellung an einer mechanischen Anzeige auf dem Cockpitboden zu kontrollieren. Bei genügend Wind kommt der kleine Jollenkreuzer raumschots sogar „auf die Glitsche“.
Mast ist umlegbar
Läuft man Gefahr, in flacheren Gewässern mit dem Schwert aufzusitzen, verhindert eine ausklinkende Automatik die Beschädigung der Schwertspindel. Das aufrichtende Moment – selbst bei 90-Grad-Schräglage – und dem ganz gefiertem Ballastschwert (88 kg) soll groß genug sein, um dem Boot wieder auf die Beine zu helfen. Die Rumpfform entfalte Wirkung wie bei einem „Stehaufmännchen“, wie mir ein Eigner versichert.


Die Schiffe sind traditionell aus glasfaserverstärktem Polyester im Handauflegeverfahren gefertigt. Der Rumpf ist doppelschalig und ausgeschäumt, wodurch die FAM unsinkbar wird. Der gesamte Kajüt- und Cockpitbereich wird in Sandwichbausweise hergestellt.
Auch das Rigg ist klassisch und simpel. Der mit einem Salingpaar und ohne Achterstag ausgerüstete Mast – acht Meter lang und umlegbar – ist leicht zu stellen. Der Rumpf bringt rund 440 kg auf die Waage, das Trailergewicht mit Ausrüstung sind etwa 500 kg. Das ganze Gespann lässt somit gut von einem Mittelklasse-PKW zu ziehen.

Längere Törns möglich
Fazit: Die FAM ist auch heute noch ein sehr vorteilhafter Entwurf, die für Binnensegler viel zu bieten hat. Das erklärt sicher auch die treue Anhängerschaft. Entsprechend ausgerüstet, lassen sich mit dem Boot sogar längere Wasserwander-Törns durchführen. Verantwortungsvoll vorbereitet, bräuchte man auch rauere Küstenregionen nicht zu scheuen.
Dieser kleine Jollenkreuzer hat also durchaus das Zeug dazu, ein Dauerbrenner zu bleiben. Eigentlich schade, dass in Kürze wohl eine Antiquität daraus werden wird. Falls sich die Werft und die FAMAS nicht doch noch über den Preis der Form einig werden. Agnes Gruben ist zuversichtlich: „Wir werden noch einmal an die Klassenvertretung herantreten.“