Es liegt in der Natur ausgereifter Branchen wie dem Wassersport respektive Bootsbau, dass nicht alle sechs Monate das Rad neu erfunden werden kann. Entsprechend vorsichtig sollte man mit gewissen, meist vollmundig angekündigten „innovativen Entwürfen“ oder „revolutionären Rissen“ umgehen. Häufig sind sie einfach nur Strohfeuer, die kurz aufflammen, um dann im digitalen Pixel-Nirvana zu verschwinden.
Mitunter finden sich auch Konzepte, Projekte und Ideen, die trotz oder gerade wegen ihrer exotischen Aufmachung und visionären Anmutung durchaus richtungsweisend sein können. Vorausgesetzt, sie werden richtig vermarktet und professionell realisiert.
SUV auf dem Wasser
Zu dieser Kategorie zählt der Katamaran Quad Marine 44, ein Entwurf des US-Amerikaners Steve Salani, der bisher nur als CAD-Riss bzw. Computer-animierte Grafik engagiert und offensichtlich erfolgreich promotet wird: Mit dem Bau eines 1:1-Prototypen soll schon in diesem Sommer begonnen werden.
Auf den ersten Blick, etwa von oben, erscheint der Quad-Entwurf eher wie ein SUV-Automobil, das auf Schwimmer gestellt wurde. Auch eine gewisse Ähnlichkeit mit einem schwimmenden Eigenheim oder eben Hausboot ist nicht von der Hand zu weisen. Zumindest, wenn man das Design seitlich betrachtet. Wobei letztgenannte Vergleiche gar nicht so weit entfernt sind vom eigentlichen Einsatzzweck des Quad-44-Katamarans. Denn das Motorboot, optional auch als Motorsegler konzipiert, soll als Luxus-Yacht mit Raumwunder-Ambitionen Eigner und Charter-Unternehmen gleichermaßen überzeugen.
Sympathischer Antrieb
Was die Q 44 prinzipiell sympathisch macht, ist ihre Motorisierung: Der Luxus-Kat wird umweltfreundlich mit emissionsfreien Elektro-Motoren bewegt. Und das nicht nur auf beschaulichen Fluss- und Süßwasserfahrten, sondern eben auch auf See. Wobei Küstennähe, nicht zuletzt wegen der eher eingeschränkten Reichweite des elektrischen Vortriebs, anzuraten wäre: Unter normalen Bedingungen – was immer die Kalifornier darunter verstehen: Wind? Welle? Strömung? – soll der Katamaran immerhin 50 Seemeilen weit mit einer Batterie- respektive Akku-Füllung kommen.
Falls sich die zukünftigen Eigner für das optionale Segelrigg entscheiden und die Winde aus der richtigen Richtung wehen, sind sicherlich mehr Seemeilen im Aktionsradius möglich. Und die 25 Quadratmeter Fläche für Sonnenkollektoren auf den Dächern der Yacht geben ebenfalls die eine oder andere zusätzliche Seemeile Autonomie. Vor allem in typischen Charter-Destinationen wie der Karibik, Hawaii, Fernost, dem Mittelmeer und – logisch – Kalifornien.
Auf float-Nachfrage gab Steve Salani, der CEO von Quad Marine, kürzlich bekannt, dass er die ersten Prototypen seines Katamarans mit Elektromotoren des Starnberger Weltmarktführers Torqeedo bestücken wolle. Welche Motorisierung und in welcher Stärke, sei noch nicht entschieden. Offensichtlich will Salani im späteren Serienbau zwei E-Motorvarianten anbieten, je nach Einsatzbereich und Reichweiten-Wunsch der zukünftigen Eigner.
Nun gibt es bereits einige Custom-Segelyachten, die schon jetzt oder bald elektrisch angetrieben und meist zusätzlich durch Solarenergie versorgt werden. Vor allem das Mehrrumpf-Prinzip (Kata- oder Trimarane) hat sich dabei durchgesetzt. Kunststück! Die Schwimmer sind im Vergleich zum Monorumpfer besonders strömungsgünstig und ermöglichen so einen hohen Effizienzgrad.
Das Besondere am Konzept des Quad-44-Katamarans ist jedoch sein etwas eigenwilliges Rumpfdesign. Wenn man den Wohn- und Aktionsbereich auf diesem Boot überhaupt als Rumpf bezeichnen kann.
Eine Etage höher
Eigentlich thront die Yacht mit vier Stelzen auf den beiden Schwimmern. So werden SkipperInnen, Crew und/oder Passagiere relativ hoch über die Wasser gehoben, damit Gischt oder lärmende, gegen den Rumpf schlagende Wellen für deutlich weniger Belästigung sorgen. Das „Stelzen“-Prinzip mit seitlichen Öffnungen zwischen Schwimmern und Wohnbereich soll dafür sorgen, dass der Wind lateral auf weniger Angriffsfläche stößt.
Ein Prinzip, das seinen hohen Wirkungsgrad bereits seit Jahren zum Beispiel auf der Planetsolar unter Beweis stellt. Das Schweizer Forschungsschiff mit Solar-Antrieb ist derzeit auf seiner zweiten Weltreise vor den Küsten Perus unterwegs. Insgesamt erhoffen sich die Designer des Quad Marine 44, dass die Yacht bei Seegang ruhiger und stabiler im Wasser liegt und somit ihren Nutzern größtmöglichen Komfort bietet.
Raumangebot wie im Loft
Womit die Annehmlichkeiten, die das Boot aufgrund seiner Konstruktionsmerkmale bietet, noch nicht ausgeschöpft sind. Ein weiteres zentrales Verkaufsargument dürfte das enorme Platzangebot auf dem 13,40 m langen und 8,40 m breiten Katamaran sein. Verglichen mit dem state of the art Serien-Segelkat Lagoon 450 sollen auf dem Q 44 satte 40 Prozent mehr Raum zur Verfügung stehen. Vier Kabinen sind im Bug und Heckbereich vorgesehen, dazwischen ist ein Loft-ähnlicher Salon platziert. Sechs Deckflächen bieten maximalen Sonnengrill- und Frischluft-Platz.
Das optionale Segelrigg wird offiziell nur als Hilfsbeseglung bezeichnet und kann per se nicht für rauschende Raumschotkurse mit „angehobenem Bein“ sorgen. Aber dafür ist die Quad Marine 44 auch gar nicht vorgesehen.
Vielmehr zeigen Riss und Innenraumdesign der Yacht, dass es sich hier um ein Luxusgefährt handelt, das seinen Nutzern – umweltbewusst elektrisch angetrieben – Komfort, Sicherheit und Spaß bieten will. Die Abkehr vom klassischen Bootsdesign hin zu einem Stil, der mehr auf „luxuriöses mobiles Leben“ auf und über dem Wasser ausgerichtet ist, hat sogar das Zeug zum Trendsetter.
Davon gehen die Vordenker bei Quad Marine übrigens felsenfest aus. Sie sehen sich bereits in einer Linie mit Tesla, dem automobilen Stolz Kaliforniens. Wobei bislang die einzige Gemeinsamkeit zwischen beiden Fahrzeugen beim elektrischen Antrieb auszumachen ist. Doch wer weiß? Vielleicht gelingt es den Amerikanern, mit vollmundigen Sprüchen und dramatischer Musik – siehe und höre das Video – die Welt des Wassersports davon zu überzeugen, dass sie doch das Rad neu erfunden haben?
https://www.youtube.com/watch?v=siFQ8cmQEyQ
Beim jüngsten Messe-Auftritt in Dubai soll das Konzept jedenfalls auf große Begeisterung gestoßen sein, wie Steve Salani gegenüber float betont. Es gebe bereits mehrere ernsthafte Interessenten, so dass man sich zu einem Kleinserien-Bau von drei Quad Marine 44 ab Sommer 2018 entschlossen habe. Zum „Subskriptionspreis“ von 895.000 US-Dollar eigentlich ein Schnäppchen, oder?